Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 311

Eck an Abt Gerwig Blarer von Weingarten
Ingolstadt
01-10-1535



Stuttgart LB publ Ms Hist fol 527 (Orig-Ms)
Th. KOLDE, Zwei Briefe von Johannes Eck: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 7 (1891), 229ff
Vgl. H. GÜNTHER (Hg.), G. Blarer. Briefe und Akten Bd 1, Stuttgart 1914, 273 Nr 429 (Württ. Geschichtsquellen 16


Jetzt bewahrheitet sich die Prophetie des Persers Sophi, daß ein König aus dem Westen nach Tunis kommen werde. Eine Kopie dieses Berichts von der Hand des Speyerer Domherrn Schwalbach fand Eck in Eichstätt beim Domherrn Gotzman und leitete sie an Kg. Ferdinand weiter. Der Hg. von Holstein schlug mit Hilfe von Truppen aus Münster Lübeck zu Wasser und zu Lande und belagert jetzt Kopenhagen; der belagerte Graf von Oldenburg erhofft Hilfe vom kaiserlichen Regiment. Die entsandten 6000 Fußsoldaten werden von den Lüneburgern, die mit den Hessen auf seiten der Holsteiner stehen, am Vormarsch gehindert. Die ganze Christenheit hat Grund, sich über die gelungene Überfahrt des Kgs nach Afrika und die Besetzung de Bischofssitzes des Augustinus Bone (Hippo regius) zu freuen, was als gutes Omen gelten kann. Leider hat sich Ecks Hoffnung, Abt Gerwick werde zur Versammlung des Schwäbischen Bundes kommen, nicht erfüllt; stattdessen haben die Äbte von Roggenburg und Ursperg und der Propst von Wätenhausen sich bemüht, in den Bund aufgenommen zu werden. Der Passauer Administrator Hg. Ernst soll seinen Dekan Rupert von Mosheim zum Koadjutor gemacht haben, was Eck sehr wundern würde; da der jüngere Von Solms das Amt anstrebte. Der Regensburger Bischof will wegen der unzumutbar geringen Einkünfte seines Bistums resignieren. Markgraf Joachim (I.), der Kurfürst von Brandenburg, ist am 11-07-1535 verstorben; die Lutheraner versprechen sich einiges von seinem Nachfolger (Joachim II. Hector), der jedoch seine Untertanen auf den alten Glauben verpflichtet und und die Tochter des polnischen Kgs geheiratet hat. Der Polenkönig hat mit den Moskowitern aus Furcht vor den Tartaren Frieden geschlossen. Der englische Kg. Heinrich VIII. hat seinen Kanzler Thomas Morus und vorher den heiligmäßigen Bischof John Fisher von Rochester hinrichten lassen. Eck sendet dem Abt die lateinische Fassung seiner Sakramentspredigten.

S.P. et omne bonum.

Reverende pater et patrone plurimum observande.

Non fuit figmentum, quod ludi literarii magister de prophetia Sophi Persarum transmisit, R.P.V. et de rege ab occidente venturo in Tunisium. Nam earumdem literarum Swalbachi copiam, satis antiquam et situ squalentem reperi in Eistet apud D. Martinum Gotzman, quam Regiae Maiestati transmisi.

Holstainius auctus milite ex Münster profligavit Lubicenses terra et mari ac traiecto mari obsidet Copenhagium; obsessus comes Oldenburgius sperat praesidia a regimine caesareo: missi sunt 6000 peditess ex Inferiori Germania, sed prohibentur a Lunenbergensibus, qui favent cum Hesso Holsteiniis.

Quod Caesar noster passagium contra Aphros tam feliciter speciosis triumphis confecit, praeter adversariorumm suorum spem, merito gaudium adferre debet universo orbi Christiano et quod plura nobis polliceri possumus de sua Maiestate, Bonum omen, quod Bonam etiam cepit, Augustini sede celebrem: nam quae antiquitus Hippone dicebatur, modo a Saracenis Bona corrupte dicitur, ut ex veteris et novae tabularum collatione liquet.

Sperabam omnino R.P.V. adventaturam ad diaetam ligae, sed frustratus sum spe mea; miserunt tamen Abbates Rockenburgii, Urspergii et praepositus in Waetenhausen volentes incorporari ligae.

Augustenses nescio quid superbi scripserunt: Es solt den Stenden pundts leid sein, dasz man Ihn die waegen hab auffgehauen.

Aiunt ducem Ernestum accepisse in coadiutorem decanum suum Muszheimer in ecclesia Pataviensi, quod si est verum, mirari non sufficio, cum volebat unum acceptare, quod non accepit iuniorem de Solms, fratrem comitis Nicolai, qui diu id ambivit.

Ratisponensis episcopus exposuit capitulo se velle resignare quia redditus ecclesiae sibi principi non sufficerent et tum voluit alium principem eis obtrudere. Res sic pendet.

Rem adhuc manere in suspenso cum Woiavoda, novit P.V., obiit 11. Julii Marchio Joachim elector; gavisi sunt aliquamdiu Luterani sperantes potentem nactos se consortem, verum ut mihi scribit, fefellit eos spes: nam patre mortuo mox per omnem ditionem praecepit subditis, ut in antiqua fide permanerent, petiit Poloniam Augusto praeterito et filiam regis, neptim ex sorore Weyda accepit in thorum suum: Rex ipse pacem dedit Moscovitis reveritus Tartari et Rosciolanorum perfidiam.

17. non. Julii tyrannus Anglicus decollavit Thomam Morum vicecancellarium suum, qui prius episcopum Roffensem sanctum virum decollaverat, ambo capita stipitibus infixa: verum caput Roffensis non contabuit, sed venerabilius in dies visum, ob clamorem populi amotum est.

Mitto R.P.V. sicut pollicitus sum »Homiliarum de sacramentis« latinum. Similem mitto Abbati in Augia, vicino vestro, cui curabitis tuto praesentari.

Et me R.P.V. commendo, quae valeat felicissime.

Ingolstadii 1. Octobris Anno gratiae MDXXXV.

R.P.V. totus ex animo
Joh. Eckio.

(In dorso:)
Reverendo In Christo patri et domino D. Gerwico, Abbati in Wingarten, patrono suo plurimum observando. Wingarten.

Gruß und alles Gute!

Verehrter Pater und hochgeschätzter Patron:

es war keine bloße Erfindung, daß der Lehrer der Dichtkunst über die Weissagung des Perserkönigs SOPHI Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit berichtet hat, ein König werde von Westen nach Tunis kommen. Denn ich fand eine Abschrift dieses Buches von GEORG VON SCHWALBACH, ziemlich alt und durch die Lagerung ausgetrocknet, in Eichstätt bei MARTIN GUTSMANN; ich übersandte sie der königlichen Majestät.

Der Graf von Holstein schlug mit Unterstützung von Soldaten aus Münster die Lübecker zu Wasser und zu Lande und belagert nach Überquerung der Ostsee Kopenhagen. Der belagerte Graf von Oldenburg erhofft Hilfe vom kaiserlichen Regiment: sechstausend Fußsoldaten sind aus Niederdeutschland geschickt worden, aber sie werden von den Lüneburgern behindert, die zusammen mit dem hessischen Landgrafen die Holsteiner begünstigen.

Daß unser Kaiser den Feldzug in Nordafrika so glücklich mit erlesenen Triumphen abgeschlossen hat, gegen alle Hoffnung seiner Gegner, muß mit Recht dem ganzen christlichen Erdkreis zum Jubel gereichen. In den Dingen, die wir uns an weiteren Erfolgen von seiner Majestät versprechen können, ist es ein gutes Omen, daß er nun Bone eingenommen hat, den berühmten Bischofssitz des AUGUSTINUS: denn was einst Hippo genannt wurde, wird jetzt von den Sarrazenen verderbt Bone genannt, wie aus einer alten und neuen Sammlung von Landkarten hervorgeht.

Ich hoffte, Eure hochwürdigste Väterlichkeit werde an der Versammlung der Liga teilnehmen, aber ich wurde in meiner Hoffnung enttäuscht: dennoch beschickten die Äbte von Roggenburg, Ursberg und der Propst von Watenhausen die Versammlung. Diese wollen der Liga beitreten.

Die Augsburger haben hochmütig ich weiß nicht was geschrieben: »Es sollte den Ständen der Liga leid sein, daß man ihre Wagen zerschlagen hat!«

Es heißt, Herzog ERNST habe seinen Dekan RUPERT VON MOSHAM als Koadjutor in der Diözese Passau eingesetzt: wenn es wahr ist, kann ich mich nicht genug wundern, denn er wollte einen, weil er nicht den jüngsten Sohn von SOLMS, den Bruder des Grafen NIKOLAUS, haben wollte, der sich lange darum beworben hat.

Der Bischof von Regensburg hat gegenüber seinem Domkapitel dargelegt, er wolle resignieren, weil die Einkünfte des Bistums ihm als Fürsten nicht genügten: er wollte ihnen einen neuen Fürsten aufzwingen. Die Sache ist in der Schwebe.

Eure Väterlichkeit soll auch wissen, daß ebenso die Sache mit Woiwoda [!] in der Schwebe ist: der Kurfürst JOACHIM ist am 11. Juli verstorben; schon lange freuen sich die Lutheraner in der Hoffnung, einen ihnen wohl gesonnenen Potentaten zu finden. Die Hoffnung hat sie aber - wie er mir der Wahrheit entsprechend schreibt - getäuscht, denn nach dem Tod seines Vaters hat er seinen Untertanen mit voller Amtsautorität befohlen, im alten Glauben zu verharren: er reiste im vergangenen August nach Polen und heiratete die Tochter des Königs, Enkelin seiner Schwester Weida. Der König selbst schloß mit den Moskowitern aus Furcht vor der Perfidie der Tartaren und Roscolanen Frieden.

Am 6. Juli hat der englische Gewaltherrscher seinen Vizekanzler THOMAS MORUS, vorher schon den Bischof von Rochester, einen Heiligen, köpfen und beider Häupter auf Pfählen befestigen lassen, doch das Haupt des Bischofs von Rochester verschwand nicht, sondern war tagelang in seiner Verehrungswürdigkeit zu sehen. Erst als das Volk zu murren begann, ist es entfernt worden.

Ich sende Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit wie versprochen die lateinische Fassung der Homilien über die Sakramente. Das gleiche sende ich dem Abt von Au: sorgt dafür, daß er sie sicher erhält..

Ich befehle mich Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit, der es wohl ergehen möge.

Ingolstadt, 1. Oktober im Jahr der Gnade 1535.