Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 314
Im vergangenen Jahr hatte Eck wegen eines Zerwürfnisses mit Kanzler Leonhard von Eck die Absicht, an den Hof des Kardinals von Trient überzusiedeln, wo er den doppelten Lohn erhalten hätte. Hg. Wilhelm von Bayern jedoch hat dem Kardinal mitgeteilt, er brauche Eck selbst. So bleibt Eck Professor in Ingolstadt, hat über Psalmen und Kleine Propheten gelesen und wird in der Fastenzeit mit einer Genesisvorlesung beginnen. Eck hatte vorgehabt, über Luthers Schrift über die »Winkelmesse« und Blarers Widerruf zu lesen und zu schreiben. Da man das in Augsburg nicht drucken würde, will Eck die Materie in einem größeren Werk unterbringen, etwa im 1. Kapitel der geplanten Malachiasauslegung; er will sich jedoch jetzt auf den Aggaeuskommentar beschränken. Eck will die 30 Gulden, die ihm Hg. Georg für die Widerlegung der Kritik Luthers an der altkirchlichen "Winkelmesse" geliehen hat, durch den Schwager des Johannes Cochlaeus zurückzahlen lassen. Hg. Wilhelm hat Eck den Auftrag erteilt, die ganze Bibel auf der Grundlage der Vulgata ins Hochdeutsche zu übertragen, ohne Rücksichtnahme auf das Hebräische und Griechische und unter Beibehaltung der Schreibweise der Eigennamen. Hg. Georg hat vor längerer Zeit Emsers Übersetzung drucken lassen, die aber zu sehr in meissnisch-sächsischer Mundart gehalten ist und einige Eigenheiten der erasmischen Bibel enthält, die vom bayerischen Herzog abgelehnt werden. Auch soll Eck nicht der von Erasmus gewählten Reihenfolge der biblischen Bücher folgen, sondern derjenigen im »Prolog« des Hieronymus. Eck möchte gern die Übersetzung des NT durch Emser beibehalten, wenn sich Leute in Sachsen fänden, die den Text ins Hochdeutsche übertrügen und sich dabei an Ecks Übersetzung des AT orientierten. Dietenbergers Übertragung mißfällt Hg. Wilhelm, da er die hebräische Schreibweise der Eigennamen beibehält und zuviel von Luthers Übersetzung übernimmt. Auch Anmerkungen lehnt Hg. Wilhelm ab, verlangt den reinen Bibeltext. So will er nur kurz an Rand Bemerkungen über den freien Willen, die Messe und die Beichte einfügen und im übrigen ein Jahr nach Fertigstellung der Bibelübersetzung philologische Bemerkungen zum Text und den bisherigen Übersetzungen herausgeben. Es ist abzuwarten, was auf dem Tag von Schmalkalden sich zusammenbraut. Der Hg. von Württemberg ist mit Rüstungen beschäftigt, was die bayerischen Herzöge mit Sorge erfüllt. Die beiden Predigten Ecks zum Sieg des Kaisers in Afrika werden neu gedruckt, zusammen mit zwei Täfelchen; der Formschneider hatte dazu bisher keine Zeit.
Durchleuchtiger hochgeborner Fürst.
Genediger Fürst und herr! Wie ich E.F.G. jmm vergangen Jar geschriben hab von etlicher unwillen halb zwischen d. Leonhart von Wolfeck und mir erwachsen, war ich entschlossen mit anndern diensten, nämlich bey meinem gnädigsten herren zu Trient zu versehen: da ich schier zwaymal so vil auffhebenß und nutzung entpfangen als hie. Hat aber mein g.h. hertzog Wilhalm mich in khain wäg wöllen zihen lassen: und dem von Trient geschriben, Er sey yetz zu zeit mein selbs notturfftig etc. Hat sich d. Leonhart von Wolfeck auch vil freuntschafft enbotten, wie er dan yetz thut: also bleib ich gleich lennger ain schulmaister. Hab etlich psalmen und klain propheten gelesen deß Jareß, jn der fasten heb ich die Bibel da fornen an jn Genes. Wider des lutterß winckelmeß und Blarerß revocation hab ich ain schöne lecturam: auch ainß teilß gemächt: habs wol da hin bracht, das mir zu geben wär: aber man wilß mir nit raten: dar zu so wurden die von Augspurg ditz nit trucken lassen: ich söll sunst etwa das in ain großbuch ein mischen: wie mich dan entschlossen hab, ain mal mein lectur über Malachiam lassen auß zegeen: so wär es recht darzu ad Cap. 1. Aber yetz wurd ich allain Aggeum lassen außgeen. Argumentum est satis pulchrum. Ich defendier unnser meß lutter nennß falschlich ain winckelmeß: dann unnser meß sey Catholica, universalis, gmain durch die gantze Christenhait: und Jhr meß sey ain winckel meß neulich ex angulis hereticorum entsprungen. So mir E.F.G. zu der confutation XXX fl. gnädigklich geliben hat, und ich yetz nit bey gelt bin: hab ich doctor Cochleus geschriben, so sein schwager meiner büecher vil hat, söll er XXX fl. E.F.G. zustellen; Ich versihe er werds thun; wa nit so will ichß E.F.G. noch den Summer durch Thurmberg schicken. Auch mag ich E.F.G. nit verhalten, das mein g.h. Hertzog Wilhalm mir ain befelch zu geschickt hat, des Jnnhalts, ich söll die gantz Bibel verteutschen, nach dem puren lateinischen text, wie Jn die Christlich kirch angenommen. Auff gut hoch teutsch; soll mich nichts kimmern lassen, obs mer, oder weniger oder anders Jm Hebraischen und kriechischen sein, unnd sonderlich soll ich verhüeten, das ich die aigen namen Jn der kirchen nit verenndere in khainß wegs, als Miriam, Simson, Pinchas, Smuel, Slomo etc. Und ich habs seiner F.G. zu geschriben, mit der hilff Gottes sollichß zethun, und Bald. Hat aber E.F.G. vor vil Jaren lassen außgeen Emserß säligen testament: das ich für gerecht halt: allain hat er auff ewer Misnisch und sächsisch teutsch und form zeschriben vil gesetzt, das unnß hochteutschen nit annemlich oder anmüetig: Sonnderlich ist er zu weil dem Erasmo nach gefaren, das mein gnädiger herr gar nit haben will: Auch hat er auff Erasmisch geordnet »Acta apostolorum« gleich post Euangelia, will mein g.h. das ich die alte ordnung brauch und halt, und wie S. Hieronymus Jn seinem »Prologo« anzaigt hat. Darum gnediger fürst und herr, so E.F.G. wol leut hat, die also möchten das teutsch Jn hochteutsch zihen, und das sich vergleichte mit meinem alten testament: und deß Emsers translation Jn würde blib. Das nit die ketzer unnß möchten verhehrn. Sihe Emser hat das New testament verdolmetscht: ist nit recht: muß d. Eck ain anderß machen: dann also thund wol die Newchristen, das luterß, zwingliß, Hetzerß translation nit mit einander vergleicht: Jch wolt das »Novum testamentum« Jn seiner krafft blibe sub titulo Emseri. Non sum tam superbus, ut mihi arrogem sudores alienos aut quod gloriam debitam alteri subtrahere velim. Dietenbergerß Bibel will mein g.h. gar nit, mit sein Synagogischen und Judischen Namen: die danoch der mertail gefälscht sint: so maint mein herr. Er hab vil auß dem lutter gebätlet, Ps 1: O wie wol dem ist etc. Die Annotationes will mein g.h. auch nit haben: sonnder ain raine unvermischte Bybel: dan allain, wa ich an den rand zaichen wöllt, für den freien willen, für die Meß, für die Beicht etc. Ich bin wol willenß, neben dem verteutschen, so ich muß das Hebreisch und kriechisch besehen, wöll ich mir besonder notel machen und verzaichen, auch wa die Newen translatisten gefelt haben mercken, auch was wider den lutter und Zwingli ist: Wann ich nun mit der Bibel fertig bin, wie mein g.h. begert, so wöll ich darnach ain Jar darauff wören und adnotationes machen super tota Byblia: darin ich ursach meiner translation geben will: auch das Hebraisch und kriechisch vertädingen: Errata aliorum confutare, und also ain guts müetli haben: Aber die Bibel will ich an Jhr selbs bleiben lassen. Es ist zu besorgen das schmalckaldisch conciliabulum hab aber ain kessel mit brey uber gehenckt: wären Jhn doch kosten müeß. Meine g.h. besorgen sich, so der von Würtenberg Jn ristung steet, haben ob LX stuck puchßen her gefiert auch etlich gen Rhein und all provisioner beschickt, und andere notwendige fürsehung gethan, dar mit sye in ainem gähen zug nit ubereylt werden. Befilch mich E.F.G. als meinem g.h. dem Gott sein lang leben und glücklich regieren, Jn Christenlichem gemiet, säligklich erhalten wöll Amen. Datum Jngolstat am 11. Febr. Anno gratie 1536. E.F.G. Unnderthäniger Caplan Die 2 sermones würdt man wider trucken, mit zway tefelin, der form schneider hat yetz nit der weil gehabt. (In dorso:) D. Eck den Lutheri, Zwinglischen und andern Biblien halber 1536 |
Durchlauchter, hochwohlgeborener Fürst:
Ein schöner Vorlesungsstoff für mich ist die Antwort auf die Winkelmesse LUTHERS und BLARERS Widerruf. Ein Teil davon ist fertig; ich habe auch die Erlaubnis, aber man rät mir ab, zumal man diese Gegenstände in Augsburg nicht drucken wird. Man schlägt vor, daß ich diese Themen im Rahmen eines größeren Werkes veröffentlichen solle: so habe ich den Entschluß gefaßt, meine Malachias-Vorlesung im Druck zu veröffentlichen: es würde gut zum 1. Kapitel passen. Als erstes möchte ich aber meine Aggäus-Vorlesung herausgeben. Der Stoff sagt mir durchaus zu. Ich verteidige unsere Messe, die LUTHER fälschlich »Winkelmesse« nennt: ich vertrete die These, daß unsere Messe katholisch, universal, allgemein in der ganzen Christenheit verbreitet ist; die lutherische Messe dagegen sei eine Winkelmesse, neulich entsprungen aus den Winkeln der Häretiker und so fort. Da mir Eure Fürstliche Gnaden für die »Confutation« dreißig Gulden gnädig geliehen hat, ich aber jetzt kein Geld besitze, habe ich Doktor COCHLÄUS geschrieben, sein Schwager, der viele von meinen Büchern besitzt, solle die dreißig Gulden Eurer Fürstlichen Gnaden vorschießen. Ich denke, daß er das tun wird; wenn nicht, will ich das Geld noch im Sommer durch THURMBERG an Eure Fürstliche Gnaden schicken. Auch möchte ich gegenüber Eurer Fürstlichen Gnaden nicht verhehlen, daß mir mein gnädiger Herr Herzog WILHELM den Auftrag zugeschickt hat, die ganze Bibel ins Deutsche zu übertragen, und zwar nach dem lateinischen Text, wie ihn die christliche Kirche rezipiert hat. Die Übersetzung soll gut hochdeutsch sein, ohne Rücksicht auf das Hebräische und Griechische; besonders soll ich dafür sorgen, daß die in der Kirche benutzten Eigennamen in keiner Weise verändert werden, wie Miriam, Simson, Pinchas, Smuel und so fort. Ich habe Seiner Fürstlichen Gnaden Mitteilung gemacht, daß ich das mit Gottes Hilfe tun will, und zwar bald. Eure Fürstliche Gnaden hat vor vielen Jahren EMSERS Übersetzung des Neuen Testaments im Druck erscheinen lassen, und das mit Recht, jedoch hat er Euer meißnisches und sächsisches Deutsch und die entsprechende Ausdrucksweise verwendet, das nicht zu unserem Hochdeutsch paßt; zuweilen lehnt er sich auch an ERASMUS an; das nun lehnt mein gnädiger Herr gänzlich ab. Auch hat er in der Manier des ERASMUS die Apostelgeschichte gleich hinter die Evangelien gesetzt: mein gnädiger Herr möchte aber, daß ich die alte Reihenfolge einhalte, wie sie HIERONYMUS in seinem »Prolog« vorgegeben hat. Wenn, gnädiger Fürst und Herr, Eure Fürstliche Gnaden geeignete Übersetzer besitzt, so sollen diese das sächsische Dialektdeutsch ins Hochdeutsche übertragen, das dem in meinem Alten Testament vergleichbar wäre: so könnte EMSERS Übersetzung ihre Bedeutung behalten, damit wir nicht dem Spott der Ketzer anheimfallen, etwa: Seht, EMSER hat das Neue Testament übersetzt; das war nicht recht, so daß Eck eine neue Übersetzung anfertigen muß. Dann täten die Neuchristen recht, wenn die Übersetzungen LUTHERS, ZWINGLIS und HETZERS nicht miteinander übereinstimmen. Ich wollte daher, daß die Übersetzung des Neuen Testaments unter dem Namen EMSERS erhalten bliebe. Ich bin nicht so überheblich, mich auf Kosten fremden Schweißes zu bereichern oder einem anderen den ihm geschuldeten Ruhm abspenstig zu machen. DIETENBERGERS Bibelübersetzung lehnt mein gnädiger Herr gänzlich ab, da sie so voller Begriffe aus der Synagoge und dem Judentum steckt, die zudem noch meist gefälscht sind, wie mein Herr meint. Er habe viel von LUTHER übernommen, wie Psalm 1: »O wie wohl dem ist« und so fort. Die »Annotationes« lehnt mein gnädiger Herr auch ab: er verlangt eine reine, unverfälschte Bibelübersetzung, außer vielleicht Randerklärungen des freien Willens, der Messe und der Beichte und so fort. Neben der Übertragung ins Deutsche muß ich aber doch auf das Hebräische und Griechische Rücksicht nehmen und mir auch Notizen machen, wo die neuen Übersetzer Fehler gemacht haben und was LUTHERS und ZWINGLIS Textverständnis widerspricht. Wenn ich dann entsprechend dem Willen meines gnädigen Herrn mit der Bibel fertig bin, so will ich anschließend ein Jahr lang Anmerkungen zum ganzen Bibeltext verfassen, in denen ich meine Übersetzungen begründe und auch das Hebräische und Griechische verteidige. Das heißt: »Errata aliorum confutare« und somit »ain guts müetli haben«. Die Bibel selbst aber soll unangetastet bleiben. Es ist zu befürchten, über der Pseudoversammlung
von Schmalkalden »hängt ein Kessel mit Brei«, von
dem aber doch gekostet werden muß. Meine
gnädigen Herren befürchten weiterhin die
Aufrüstung ihres württembergischen Nachbarn: sie
haben über vierzig Gewehre zusammentragen
lassen, auch einige zum Rhein und an alle
Söldnereinheiten geschickt und auch andere
notwendige Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um
nicht durch einen einzigen Stoß überrannt zu
werden. Ich empfehle mich Eurer Fürstlichen Gnaden als meinem gnädigen Herrn, dem Gott sein langes Leben und glückliche Regierung in christlicher Gesinnung erhalten wolle. Amen. Gegeben zu Ingolstadt am 11. Februar im Jahr der Gnade 1536. Euer Fürstlichen Gnaden untertäniger Kaplan J. Eck.
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