Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 322

Eck an Hieronymus Aleander
Ingolstadt
15-12-1536


Rom Bibl Vat 6199 fol 139rv (Orig.-Ms)
FRIEDENSBURG, Beiträge 224f Nr 122


Aus einem Freundesbrief aus Rom hat Eck erfahren, daß Aleander zur Zeit an der Kurie wirkt: er bittet ihn daher, sich dort wie versprochen für seine Anliegen einzusetzen. Unter den Päpsten Hadrian VI. und Clemens VII. hat Eck keinen Lohn für seine Mühen empfangen, irgendwelche Schwachköpfe an der Kurie haben ein großzügiges Breve Clemens VII. zurückgehalten. Paul III. hat nach Empfang von Ecks viertem Homilienband über die Sakramente und einer erweiterten Ausgabe seines »Enchiridions« ihm ein Breve über die Zuweisung von Pfründen in Würzburg, Bamberg und Freising sowie ein zweites Breve voller Lob zukommen lassen, in dem er die Verzögerung der Zuweisung zweier Pfründen entschuldigt. Offenbar hat es den Papst gereut, ihm die nach dem Tode des Markgrafen und Würzburger Propstes üppiger gewordene Würzburger Pfründe versprochen zu haben, denn sie ist jetzt von Moritz von Hutten übernommen worden. Die päpstlichen Breven in dieser Sache widersprechen einander völlig: im ersten Breve verspricht er die Pfründe Eck; im zweiten verbietet er, sie jemandem zu geben, der nicht einen Provisionsbrief mit Bleisiegel vorweisen kann: das schließt die Übernahme durch Eck aus und begünstigt Hutten. Das dritte Breve weist die Pfründe dem vorher nie erwähnten Kardinal Farnese zu. Wer kennt sich in diesem Labyrinth aus? Das vierte Breve jedoch widerspricht jedem Recht, indem es die Wirkung der Spolien aufhebt. Weder der Papst noch die Kardinäle und Prokuratoren haben auf Ecks diesbezügliche Anfragen geantwortet. Aleander möge daher den Papst und Kardinal Campegio an die Eck gegebenen Zusagen erinnern. Er bittet um einen umgehenden Bericht über den Stand der Dinge, ob der Papst wirklich seine Mühen für den apostolischen Stuhl, die doch auch, wie Aleander weiß, für das kommende Konzil von Nutzen sein würden, mißachtet.


S.P. et paratissima obsequia. Reverendissime pater et patrone observandissime.


Hodie per literas certiorem me reddidit amicus Amplitudinem Tuam in urbe modo agere; unde non modicum exhilaratus tuo maxime confisus patrocinio, quem non dubito velle, sicut et posse, rebus meis consulere. Nosti in primis nihil me sub Adriano et Clemente pontificibus assecutum pro laboribus, posteaquam nebulones aliqui breve gratiosum Clementis papae retinuerunt, ut nunquam pervenerit ad aspectum meum, tantum valet invidorum malitia.

Pontifex Paulus accepto quarto homiliarum de sacramentis ac enchiridio locupletato misit breve accumulatissime gratiae super Herbipolensi, Bambergensi et Frisingensi ecclesiis: addidit breve benivolentiae plenum, ubi excusat cur tardius Sanctitas Sua gratiam sacerdotiorum duorum miserit. At cum ex eventu gratia mea facta est uberior et locupletior ex obitu marchionis praepositi Herbipolensis, forte poenituit pontificem beneficii in me collati; nam non attenta gratia michi plenissime data, jure quaesito, possessione adepta per Mauricium Hutenum (est de Ruthenicis Hutenis, non de Alatis, ex quibus fuit illud monstrum Ulricus). Pontifex mittit unum breve post aliud contra Hutenum, et ita contra me: et illa brevia sibi mutuo adversantur, adeo ut esset in homine vulgari una verecundia toties pugnare in dictis.

In primo brevi mandat Sanctissimus Dominus Noster michi dari possessionem; mox in alio prohibet dari alicui possessionem, nisi habeat literas provisionis expeditas sub plumbo: illud factum est in odium mei, licet de gratia Dei ante assecutus sit possessionem Hutenus quam insinuaretur breve.

Tertium rursus breve jubet dari possessionem Reverendissimo cardinali Farnesio, non habita mentione prioris mandati, et quo se vertat quispiam in hoc labyrinto mandatorum, ut non aberret?

Quartum autem breve omni maxime juri et rationi adversatur, cum papa tollit actionem spolii, certe contra omne jus divinum, naturae et positivum.

Interea egregie contemnor et tanquam indignus nullum accipio responsum: scripsi Sanctissimo Domino Nostro, cardinalibus, procuratoribus, at »ceratis auribus« me praetereunt.

Rogo propterea Reverendissimae P.T. pro solita in me clementia, faciat viam Sanctissimo Domino Nostro et cardinali Campegio, ut laborum meorum memores et juris quesiti cessent michi esse molesti et gratiam semel concessam faciant mansuram. Et dignetur Reverendissima P.T. paucissimis me certiorem reddere quo in statu sit negotium: an ne pontifex ita velit abjicere Eckium et ex jure quesito deturbare, quomodo non spero. Tantum mihi polliceor de Amplitudine Tua et amanti paucissima verba sufficiant. Expertus es labores meos pro honore sedis apostolicae, qui etiam in futuro concilio Sanctissimo Domino Nostro non essent defuturi.

Vale foelicissime, vir incomparabilis.

Ingolstadii 15 decembris anno gratiae 1536.

(Von der Hand Aleanders:) Romae 3 jan.1537.

Gruß und Gehorsam!

Hochwürdigster Vater und hochzuachtender Patron:

Heute hat mir ein Freund in einem Brief Nachricht gegeben, daß Eure Erhabenheit gerade in Rom weilt; so bin ich nicht wenig erfreut und vertraue sehr auf Euer Patronat, denn ich zweifle nicht, daß Ihr mir in meinen Anliegen helfen wollt und könnt. Ihr wißt ja gut, daß ich von den Päpsten HADRIAN VI. und CLEMENS VII. nichts für meine Mühen erhalten habe, nachdem irgendwelche Dummköpfe ein großzügiges Breve des Papstes CLEMENS zurückgehalten haben, so daß ich es niemals zu Gesicht bekam: so weit geht die Bosheit der Neider!

Papst PAUL III. hat nach Erhalt des vierten Bandes der »Homilien über die Sakramente« und des erweiterten »Enchiridions« ein Sammelbreve für die Bistümer Würzburg, Bamberg und Freising gesandt; er fügte ein Breve voller Wohlwollensbekundungen hinzu, in dem er sich dafür entschuldigt, warum Seine Heiligkeit so spät die Zuweisung zweier Pfarrstellen übersandt hat. Aber weil aufgrund des eingetretenen Todes des Markgrafen und Propstes von Würzburg meine Zuweisung reicher und wertvoller geworden war, hat der Papst vielleicht die mir gewährte Pfründe bereut; denn ohne Rücksicht auf die mir in ganzer Fülle gewährte Zuweisung aufgrund geltenden Rechts hat der Papst nach Inbesitznahme der Pfründe durch MORITZ VON HUTTEN (er gehört zu den »tartarischen« Hutten, nicht zu den »geflügelten«, von denen jenes Monster ULRICH VON HUTTEN abstammt) ein Breve nach dem andern gegen HUTTEN und somit auch gegen mich geschickt: diese Breven widersprechen sich gegenseitig, so daß es für einen normalen Menschen einfach zu dumm wird, so oft um Worte zu streiten.

Im ersten Breve fordert der Heilige Vater, mir das Besitzrecht über die Pfründe zuzuweisen; bald verbietet er in einem andern, jemandem Besitzrecht einzuräumen, der nicht einen Provisionsbrief mit Bleisiegel vorweisen könne: das ist aus Haß gegen mich geschehen, denn HUTTEN hat aus Gnade Gottes das Besitzrecht erhalten, bevor das Breve davon Mitteilung machte.

Ein drittes Breve wiederum befiehlt, das Besitzrecht dem hochwürdigsten Kardinal FARNESE zu verleihen, der im vorausgehenden Mandat gar nicht genannt worden war. Wer kann sich in diesem Labyrinth bewegen, ohne sich zu verirren?

Ein viertes Breve nun widerspricht jedem Recht und jeder Vernunft, da der Papst hier jede Spolienübertragung aufhebt, mit Sicherheit gegen jedes göttliche, Natur- und positive Recht.

Inzwischen werde ich von Herzen verachtet und erhalte gleichsam als Unwürdiger keinerlei Antwort mehr: ich schrieb dem Heiligen Vater, den Kardinälen, Prokuratoren, aber sie übergingen mich »mit Wachs in den Ohren«.

Ich bitte daher Eure hochwürdigste Väterlichkeit um Eurer milden Gesinnung, die Ihr mir entgegenzubringen pflegt: bringt beim Heiligen Vater und dem Kardinal CAMPEGGIO auf den Weg, daß sie in Erinnerung an meine Mühen und aufgrund meines Rechtsanspruchs damit aufhören, mir Sorgen zu bereiten und den Weiterbestand der mir einmal gewährten Gnadenzuweisung bestätigen. Eure hochwürdigste Väterlichkeit möge mir mit kurzen Worten Nachricht geben, wie es um meine Sache steht: ob der Papst mich so abweisen und mein beanspruchtes Recht zerstören will, was ich nicht hoffe. Soviel verspreche ich mir von Eurer Erhabenheit: für einen Menschen, der einem Sympathie entgegenbringt, reichen sehr wenige Worte. Ihr habt erfahren, daß meine Mühen der Ehre des apostolischen Stuhls gelten, die auch im Hinblick auf das kommende Konzil dem Heiligen Vater nicht ohne Nutzen sein werden.

Lebt wohl, Unvergleichlicher!

Ingolstadt, 15. Dezember im Jahr der Gnade 1536.