Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 326

Eck an Kardinal Girolamo Ghinucci
Ingolstadt
18-02-1537


Rom Bibl Vat 6199 fol 110r (eigenhändig, ohne Anrede)
FRIEDENSBURG, Beiträge 226 - 229 Nr 124Vgl. Nuntiaturberichte IV, 172, 1 (aus einer von Aleander besorgten Abschrift in cod Vat 3919, fol 189f)

Gern hätte Eck den ihm wohlgesinnten Kardinälen einzeln nach Rom geschrieben, wenn er einen Sekretär hätte, was ihm die Mittellosigkeit und Sparsamkeit des apostolischen Stuhls ihm gegenüber nicht erlaubt. Auch die jetzt bereits vierzig von ihm gehaltenen Ansprachen, die fortlaufenden theologischen Vorlesungen, die Korrekturen des deutschen NT für den Drucker, dazu die noch in dieser Woche fällig werdenden Instruktionen für einen gewissen Bischof, die die Vorbereitung einer Provinzialsynode betreffen: das alles hält Eck vom Schreiben ab. Deshalb schreibt er Ghinucci stellvertretend für alle. Ecks Enttäuschung über das Schweigen Kardinal Campegios, den er seit 26 Jahren kennt, ist sehr groß. Er weiß, daß einige Briefe zurückgehalten worden sind. Gumpenbergs Schreiben nimmt er gelassen auf. Wenn Ghinucci Eck antworten will, soll er das durch den vertrauenswürdigen Quirinus Galler tun. Ghinucci soll den Vizekanzler Farnese bedrängen, daß er den Ausgleich mit dem "Eindringling" Hutten in der Frage der Würzburger Dompropstei annimmt: Eck würde von Hutten 400 bis 500 Gulden Jahresprovision erhalten und dazu eine Ausgleichszahlung von weiteren 500 Gulden. Obgleich er (Eck) allein einen gültigen Rechtsanspruch auf die Propstei hat, wird Kardinal Farnese immer noch mehr erhalten als er. Eck geht davon aus, wenn er auf seinen Ansprüchen auf die Propstei unnachgibig bestehe, werde man in Rom weiterhin die Christenheit mit billigen Worten vertrösten wie schon seit den Zeiten des Baseler Konzils vor 100 Jahren. Er hatte eigentlich beschlossen, persönlich in Rom Papst und Kardinäle einzeln ihre Zustimmung zum Konzil abzuringen; der bayerische Herzog jedoch hat ihn veranlaßt, aus verschiedenen Gründen bis nach Ostern zu warten. Ghinucci soll doch alles tun, daß Eck im Pfründenstreit zu seinem Recht verholfen wird und die Ansprüche aller Beteiligten Berücksichtigung finden. Wie sich die lutherische Sache täglich weiter in Deutschland ausbreitet, hat Eck in einem anderen Schreiben geschildert, abgesehen von den Entwicklungen in England und Dänemark. Eck hofft, daß der Schmalkaldener Konvent, an dem die Vertreter des Kaisers, des römischen Königs, der Könige von Frankreich, England und Dänemark sowie der Kurfürst von Sachsen, der Herzog von Württemberg, Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, der Landgraf von Hessen und der Herzog von Lüneburg, Heinrich von Mecklenburg und Fürst Wolfgang von Anhalt persönlich zusammen mit zahlreichen Städten teilnehmen, nicht neues Übel bringt.



Reverendissimis cardinalibus, quos arbitramini mihi profuturos, praecipue principalem Reverendissimum vicecancellarium Farnesium, Reverendissimum dominum Capuanum, Reverendissimum dominum Simonetam, qui auditor michi bene voluit, spero quod cardinalis sit propensior, Reverendissimum dominum de Pucciis pro veteri familiaritate, Reverendissimum dominum de Jacobatiis, de quo spero patrui, optimi viri, in me benevolentia in eum haereditario jure defluxerit, Reverendissimos cardinales Theatinum, Verulanum, Sadoletum et Veronensem confido totos Eckianos fore, nisi desierint esse quod fuerunt. Reverendissimus dominus cardinalis de Contarenis de facie est michi ignotus, sed omnia bona michi polliceor ex fratris sui humanitate, domini Marci Antonii illustris dominii Veneti apud imperatorem Carolum oratoris, post Nicolaum Theupilum. Praetereo Senensem Picolominium, Transensem, Ravennatensem, Grimannum, Cesium, Caesarinum, Salviatum, Rodulphum: ferme fueram oblitus Trivultii, qui non vulgariter me amavit.

His omnibus singulis singulas literas scripsissem; verum ex inopia et parcitate sedis apostolicae non habeo amanuensem; orationes jam in quadragesima sunt prolixae, lectiones theologicae in scholis erunt continuae; revidendum novum testamentum pro calcographo in lingua nostra contra depravationes luderanas; episcopo cuipiam facienda hac septimana instructio pro synodo provinciali: haec impediunt ne plura scribam. Tu vero, Reverendissime pater, si recte faveris Eckio, unus eris pro mille.

Scribo Reverendissimo cardinali Campegio, a 26 annis michi familiariter noto. Etsi aliqui moneant me ut eum divitem; verum tanta est mea in Suam Paternitatem fiducia, ut nolim de ejus fide dubitare, nisi »in sole«, ut dicitur, experiar contrarium. Scio literas ad eum fore interceptas; utinam vel unas literas acciperem ab urbe, a viro bonae opinionis.

Gumpenbergii scripta accipio academice aut potius pyrrhonice.

Si Reverendissima P.V. rescribere velit, faciat hoc per dominum Quirinum Galler, qui apud nos est reputatus verax et fidelis.

Urgete dominum vicecancellarium ut acceptet concordiam pro intruso, qui forte vult dare 400 aut 500 ducatos pensionis annuae et me reddere contentum in 500 fl.

Ecce, cardinalis plus habebit ex illa praepositura; qui solus verum habeo jus ad illam, tamen tam modico sum contentus. Hic est scopus apud me: si spolior jure meo super praepositura, non serio agitis de concilio celebrando, sed Christianitati verba datis, velut jam centum annis factum est post schisma Basileae exortum.

Constitueram apud me invisere Romam ac tantum clamare apud Sanctissimum Dominum Nostrum ac sacrum collegium ac singulares personas, ut votorum compos fierem; verum Illustrissimus meus Bavariae princeps noluit adsentire; pluribus causis allegatis vult ut differam usque ad pascha, cui merito et jure obtempero.

Te autem, Reverendissimum ac pientissimum patrem ac patronum, imploro, invoco, rogo, oro atque obsecro, ut pro singulari tua industria et rerum agendarum maxima prudentia ac summa experientia dirigat negotium meum in bonum et felicem exitum, et quidem quam citissime jus! Quesitum non tollatur, scandala vitentur, ratio Eckii habeatur, intrusus non moveatur loco, Reverendissimus Farnesius oblata pensione sit contentus, quam etiam michi potius ex sua liberalitate condonare deberet in stipendium laborum meorum, ut editis libris suam magnificentiam toti orbi decantarem: habet enim majora, quid inhiat parvis?

De causa luderana quid scribam? Quotidie serpit in Germania, ut in alia scheda adnotavi. Taceo de Anglia et Dania: timemus multum ne conventus damnati oppidi Schmalchalden nobis quid mali adferat, nam illic sunt oratores Caesaris, regis Romanorum, regum Galliae, Angliae et Daniae; in propria persona sunt elector Saxo, dux Wirtembergensis, marchio Brandenburgensis Georgius, lantgravius Hassiae et dux Lunenburgensis, Heinricus Mechelburgensis ac princeps de Anhalt Wolfagnus cum multis civitatibus.

Boni consulite meas ineptias, quas necessitas extorsit, et valete felicissime.

Ingolstadii 18 februarii anno gratie 1537.

E.R.P. deditissimus Capellanus
Joh. Eckius.

Unter den Hochwürdigsten Kardinälen, von denen Ihr glaubt, sie seien mir wohlgesonnen, halte ich vor allem den Hochwürdigsten Vizekanzler FARNESE, den Hochwürdigsten Erzbischof von Capua, den Hochwürdigsten Kardinal SIMONETA, der als Auditor mir gegenüber wohlwollend war und von dem ich hoffe, er werde mir als Kardinal noch geneigter sein, den Hochwürdigsten Kardinal PUCCI wegen seiner langjährigen Vertrautheit, den Hochwürdigsten Kardinal JACOBAZZI, von dem ich hoffe, daß das Wohlwollen gegen mich wie durch Erbrecht auf seinen Neffen CHRISTOPHORUS übergegangen ist; die Hochwürdigsten Kardinäle CARAFA, VERULA, SADOLETO und GIBERTI von Verona alle der »Partei Ecks« zugehörig, wenn sie nicht aufhören, das zu sein, was sie einmal waren. Der Hochwürdigste Kardinal CONTARINI ist mir von Angesicht unbekannt, aber ich verspreche mir alles Gute von der Humanitas seines Bruders, des vornehmen Herrn MARCO ANTONIO CONTARINI, dem Botschafter Venedigs beim Kaiser; danach von NICCOLO TIEPOLO. Ich übergehe die Kardinäle PICCOLOMINI von Siena, Trani, Ravenna, GRIMANI, CESARINI, SALVIATI, RODOLFO; natürlich hatte ich nicht TRIVULZIO vergessen, der mich über die Maßen liebte.

Diesen allen hätte ich gern einzeln Briefe geschrieben; ich habe jedoch aufgrund der Mittellosigkeit und Sparsamkeit des apostolischen Stuhls keinen Sekretär; die Predigten für die Fastenzeit gehen bereits gut von der Hand, die theologischen Vorlesungen an der Hochschule laufen ohne Unterbrechung; das Neue Testament muß für den Drucker in unserer Sprache gegen die lutherischen Entstellungen durchgesehen werden; in dieser Woche noch ist für einen Bischof eine Instruktion zu einer geplanten Provinzialsynode zu erstellen: das alles hindert mich, mehr zu schreiben. Ihr jedoch, Hochwürdigster Vater, wenn Ihr Eck recht geneigt seid, werdet einer unter tausend sein.

Ich schreibe dem Hochwürdigsten Kardinal CAMPEGGIO, mit dem ich seit sechsundzwanzig Jahren eng vertraut bin, wenn auch einige mir raten, ihn zu meiden; mein Vertrauen in Seine Väterlichkeit ist jedoch so groß, daß ich an seiner Treue nicht zweifeln will, wenn ich nicht, wie das Sprichwort sagt, »im Sonnenlicht das Gegenteil« erfahre. Ich weiß, daß Briefe an ihn abgefangen werden; wenn ich doch nur einen Brief aus Rom von einem Mann mit guter Meinung erhielte!

Die Schriften GUMPENBERGS habe ich mit platonischer oder besser skeptischer Einstellung entgegengenommen.

Sollte Eure Hochwürdigste Väterlichkeit antworten wollen, so möge sie das über QUIRINUS GALLER tun, der bei uns als wahrhaftig und zuverlässig gilt.

Drängt den Vizekanzler, daß er für MORITZ VON HUTTEN eine Vereinbarung akzeptiert; dieser will vielleicht vierhundert oder fünfhundert Gulden jährlicher Pension erstatten und mich mit fünfhundert Gulden zufriedenstellen.

Seht doch: der Kardinal wird mehr aus jener Propstei erhalten; ich, der ich allein den wahren Anspruch auf sie besitze, bin dennoch mit einer so mäßigen Summe zufrieden. Das ist mein Gesichtspunkt in dieser Sache: wenn ich auf meinem Recht auf diese Propstei beharre, betreibt Ihr nicht ernsthaft die Vorbereitung des Konzils, sondern speist die Christenheit mit bloßen Worten ab, wie das seit dem Baseler Schisma bereits seit hundert Jahren geschieht.

Ich hatte für mich beschlossen, nach Rom zu reisen und so laut beim Papst und dem Heiligen Kollegium und einzelnen Personen zu schreien, um ihre Zusagen zu erlangen; jedoch wollte mein Erlauchter bayerischer Herzog meine Abwesenheit nicht erlauben; mit vielen Argumenten will er, daß ich bis Ostern warte, was ich als angemessen akzeptiere.

Euch aber, Hochwürdigster frommer Vater und Patron, flehe ich an, bitte ich und beschwöre ich, mit Eurem einzigartigem Eifer und Eurer Klugheit bei der Durchführung Eurer Ziele und Eurer großen Erfahrung darin meine Angelegenheit zu einem guten und glücklichen Ende zu führen, daß mir, so schnell es geht, mein Recht gewährt wird. Das Erbetene soll nicht aufgehoben werden, Skandale vermieden, Ecks Sicht der Sache angenommen, MORITZ VON HUTTEN nicht herausgedrängt, der Hochwürdigste Vizekanzler FARNESE soll mit seiner Pension zufrieden sein, die er eigentlich eher mir aufgrund seiner Freigebigkeit als Lohn für meine Mühen schenken sollte, so daß ich als Gegengabe seine Großherzigkeit in meinen Schriften besingen könnte: er besitzt Größeres; was trachtet er nach den geringen Dingen?

Was soll ich über die lutherische Sache schreiben? Täglich schleicht der Krebs in Deutschland voran, wie ich in einer anderen Aufstellung im einzelnen aufgelistet habe. Ich schweige von England und Dänemark: wir hoffen sehr, daß die Zusammenkunft in der verdammten Stadt Schmalkalden uns nichts Schlechtes bringt, denn die Gesandten des Kaisers, des römischen Königs, der Könige von Frankreich, England und Dänemark sind dort; höchstpersönlich der sächsische Kurfürst, der Herzog von Württemberg, Markgraf GEORG von Brandenburg, der Landgraf von Hessen und der Herzog von Lüneburg, HEINRICH von Mecklenburg und Fürst WOLFGANG von Anhalt zusammen mit den Vertretern vieler Städte.

Nehmt meine Nichtigkeiten mit Nachsicht entgegen, die mir ihre Dringlichkeit abgepreßt hat, und viel Glück!

Ingolstadt, 18. Februar im Jahr der Gnade 1537.

Eurer Hochwürdigsten Väterlichkeit ergebenster Kaplan

Johann Eck.