Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 342

Eck an Hieronymus Aleander
Ingolstadt
09-02-1539



Rom Arch Vat, Armar. 64 vol 26 fol 215r - 216v (Autograph Ecks)
Nuntiaturberichte aus Deutschland 1533 - 1539, IV/2: Legation Aleanders 1538 - 1539, 581ff Nr 67

Aleander hat Eck durch seinen Bruder Simon mitteilen lassen, er möchte ihm öfter schreiben. Post nach Wien zu übermitteln ist aber schwierig. Die Hoffnungen auf das Konzil sind zerstoben: erst Mantua, dann Vicenza. Die einfachen Leute glauben leicht, Papst und Kurie fürchteten das Konzil. Dazu kommt das Gerücht, der Landgraf von Hessen und der Herzog von Württemberg planten zusammen mit Augsburg und Ulm einen Überfall auf Bayern. Vor allem der weltlich gesinnte Augsburger Bischof in seiner Resignation stützt dieses Gerücht. Er hätte nicht soviel Erasmus lesen sollen. Herzog Wilhelm von Bayern hingegen ist wachsam, Donauwörth und Regensburg werden wohl noch dieses Jahr verlorengehen. Pfalzgraf Friedrich gibt ein schlechtes Beispiel: seit dem Provinzialkonvent in Leipzig erlaubt er die freie Predigerwahl, was seine Residenz Amberg bereits ausgenützt hat, indem sie ihren Prediger aus Wittenberg kommen ließ, keinen Priester, sondern einen ungelehrten Schwätzer, den Luther, Bugenhagen und Melanchthon persönlich ordiniert haben. Als erste stellte er den Kommunionempfang sub utraque frei. Eck ließ deshalb vergeblich drei Bischöfe bei Pfalzgraf Friedrich in Brabant intervenieren und drohen, dem Kaiser die neue Häresie nach Spanien zu melden. Aleander soll dafür sorgen, daß das neue königliche Edikt für Kärnten auch in den anderen Teilen Österreichs verbreitet würde, ebenso könnte es den bayerischen Herzögen hilfreich sein. Sollten die aufrührerischen Augsburger auch die Markgrafschaft Burgau und die Ulmer die Grafschaft Kirchberg behaupten können, ist ganz Schwaben verloren und das Augsburger Domkapitel im Exil fast aufgelöst. Sollte der sächsische Herzog Georg schließlich auch noch sterben, ist alles verloren. Eck hat für seinen Bruder zwei Kronen für ein Dispensgesuch nach Wien geschickt, das abgelehnt wurde, ebenso vier Gulden für einen ähnlichen Fall.



Paratissima obsequia offert et omnia bona optat.

Reverendissime in Christo pater, domine et patrone colendissime!

Scribit frater meus Simon (quem Reverendissimae Paternitati Tuae commendo) petiisse Amplitudinem Tuam ut illi saepius scriberem. At qui fieri potest tanto itineris intervallo, et rarissimi sunt ex nostris qui Viennam petunt! De aliis praetereuntibus quomodo fiam certior? Neque semper tutum est prodere viam qua tendat. At per capita accipe, mi pater, quae desidero. Primo magna nobis fuit expectatio de concilio, quo hereses exterminarentur. At quid factum est?

Sanctissimus Dominus Noster indixit concilium Mantuae: evanuit illa indicio; transtulit Vincentiam: et haec quoque translatio in fumumm abiit; prorogavit in pascha proximum: et hic nichil auditur! Quid fiet? Irridemur Catholici ab haereticis et simplices incipiunt nutare, quia facile suadetur eis papam et Romanenses subterfugere causas et judicium concilii. Scio causas subesse urgentes, quas ego ex tempore soleo dare nostris; non ausim tamen affirmaree. Video plures qui ineptiis suis illiniunt chartas, cur hic non desudant?

Porro rumor fuit sparsus, Wirtenbergium et furiosum Hessum velle invadere Baioariam adjuvantibus Augustensibus et Ulmensibus, quem immodice auxit Reverendissimus episcopus meus Augustensis, scilicet ita solet desperare et hodie desperat. Non mirum, quia humano more conjectat, non attendens dexteramm omnipotentis. Doleo optimum principem tanta legisse in Erasmo, quia ex ejus scriptis potest quis redire elegantior lingua, sed non melior vita.

At tanta est principis mei Wilhelmi vigilantia, ut nihil jam timeamus.

Pergunt insanire Augustenses et Ulmenses. Werdea et Ratisbona nutant: vereor ne hoc anno ambas amittamus.

Pessimi exempli rem fecit dux Fredericus Palatinus; nam dum subditi in conventu provinciali peterent aliquos articulos, ipse in Palatinum electorem conjecit; epistola ab ambobus emissa permisit ut possent eligere praedicatores evangelicos. Quare mox Ambergenses (ea est civitas principalis) miserunt ad Lutherum Witenbergam. Et quia heretici patiuntur penuriam hominum, misit eis bestiolam indoctam, sed loquacem 25 annorum, nullius omnino eruditionis, qui nec ordinem sacrum omnino habet ab ecclesia, sed Ludder, Pomeranus et Melanchton imposuerunt ei manus; ego credo quod diabolus imposuerit! Communionem sub utraque specie permisit liberam, ut subditi uterentur unaa vel duabus speciebus. Monui tres episcopos, quorum intererat, ut confestim nuncium mitterent ad ducem Fridericum, ut hiss blasphemiis occurreret, alioquin minarentur se delaturos hunc novum haereticismum Caesareae Majestati in Hispaniis; sed surdo narravi fabulam.

Vidi mandatum regium per Carinthiam contra Luteranos. Si impetraret Amplitudo Tua ut similia cum effectu emitteret in omnes ducatus suos, hoc esset aliquid. Dein Serenissimus rex, posteaquam hoc in dominiis suis providisset, una cum Reverendissima Paternitate Vestra sollicitaret apud Illustrissimos principes nostros, ut similiter agerent, et conducibilia mandata emanarent.

Si haeretici Augustenses (Caesari et imperatori ac regi rebelles) obtinerent marchionatum in Burgaw et Ulmenses comitatum Kirchberg, tota Svevia esset perdita et capitulum Augustense, quod exulat, penitus destrueretur. Si obierit dux Georgius Saxo, omnia pessum ibunt illuc.

Miseram fratri 2 coronatos pro dispensatione in quarto gradu inter contrahentes ex ignorantia; vestri recusarunt. Rogo Reverendissima Paternitas Vestra expediat; licet ego illam pecuniam perdidero, mitto tamen pro alia in simili casu 4 florenos etc.

Ingolstadii 9 februarii hora 12 noctis anno 1539.

E. Reberendissimae P. ac Amplitudinis
deditissimus capellanus
J. Eckius.

(Vermerk von Aleanders Hand:)
Viennae 17 junii; testudineo dorso adlatae literae.

Bereitwilligster Gehorsam und alle guten Wünsche!

Hochwürdigster Vater in Christus, Herr und verehrenswerter Patron:

Mein Bruder SIMON (den ich Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit empfehle) schreibt mir, Eure Erhabenheit habe darum gebeten, Euch öfter zu schreiben. Aber wie kann das bei dieser großen Entfernung geschehen und da doch so wenige der Unsrigen nach Wien reisen? Wie kann ich von den anderen Kenntnis erhalten? Es ist nämlich nicht immer sicher zu verraten, wohin man reist. Aber in Stichworten sollt Ihr erfahren, was Ihr wünscht:

Der Heilige Vater berief das Konzil nach Mantua: diese Ankündigung war vergeblich; er verlegte es nach Vicenza; auch diese Verlegung löste sich in Rauch auf; er schlug es für kommende Ostern vor: nichts aber hört man hier davon! Was wird geschehen? Wir Katholiken werden von den Häretikern belächelt, und einfache Gemüter beginnen zu schwanken, denn leicht wird ihnen eingeredet, daß der Papst und die Römlinge Entscheidungen und Urteile des Konzils fürchten. Ich weiß, daß darunter dringende Streitfragen sind, die ich den Unseren auch von Zeit zu Zeit vorzulegen pflege. Ich würde dennoch nicht wagen, Behauptungen aufzustellen. Ich sehe viele, die mit ihren Lächerlichkeiten viel Papier vollschreiben: warum strengen sie sich in dieser Sache nicht an?

Es wurde weiterhin das Gerücht verbreitet, Württemberg und der ungebärdige Hesse wollten mit Unterstützung von Augsburg und Ulm in Bayern einfallen; mein hochwürdigster Bischof von Augsburg hat ihn darin maßlos bestärkt: so pflegt er zu resignieren, und er verzweifelt auch jetzt. Kein Wunder, denn er denkt wie jemand, der die »rechte Hand des Allmächtigen« nicht ins Kalkül zieht. Ich fürchte, der edle Fürst hat zuviel in seinem ERASMUS gelesen, aus dessen Lektüre man zwar als besserer Stilist hervorgeht, aber nicht zu einem besseren Leben gelangt.

Dagegen ist die Wachsamkeit meines Fürsten so groß, daß wir uns vor nichts fürchten.

Die Augsburger und Ulmer beginnen, den Verstand zu verlieren. Donauwörth und Regensburg schwanken: ich fürchte, daß wir dieses Jahr beide verlieren könnten.

Ein sehr schlechtes Beispiel gab der Herzog FRIEDRICH VON DER PFALZ, denn als seine Untertanen auf einem Provinzialkonvent um einige Sonderrechte baten, wandte man sich an den Kurpfälzer: ein von beiden erlassenes Schreiben erlaubte, daß sie evangelische Prediger wählen konnten. Deshalb schickten die Amberger (das ist die Hauptstadt der Oberpfalz) eine Abordnung nach Wittenberg zu LUTHER, und da die Häretiker Mangel an Menschen haben, schickte er ihnen eine ungelehrte Bestie, die aber wortgewandt und erst fünfundzwanzig Jahre alt ist, ohne jede Gelehrsamkeit und ohne je die kirchlichen Weihen empfangen zu haben; LUTHER, BUGENHAGEN und MELANCHTHON haben ihm die Hände aufgelegt; ich weiß, es war der Teufel selbst! Er erlaubte die Freigabe der Kommunion unter beiderlei Gestalt, so daß die Untertanen entweder eine oder beide Gestalten empfangen dürfen. Ich habe die Bischöfe aus der Nachbarschaft ermahnt, sofort an den Herzog FRIEDRICH zu schreiben, er solle diesen Blasphemien entgegentreten; sonst würden sie damit drohen, diese neue Häresie der kaiserlichen Majestät nach Spanien zu hintertragen. Ich habe jedoch zu »Tauben geredet.«

Ich habe das Kärntner Edikt des Königs FERDINAND gegen die Lutheraner gesehen. Wenn Eure Erhabenheit bei ihm darauf dringen wollte, solche Edikte mit Nachdruck in alle seine Territorien zu senden: das wäre doch schon etwas! Dann könnte der erlauchteste König, nachdem er das in seinen Herrschaftsgebieten durchgeführt hätte, zusammen mit Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit bei unseren Fürsten anregen, ebenso zu handeln und Ausführungsmandate auszustreuen.

Wenn die häretischen Augsburger (die sich gegen Kaiser und König erhoben haben) die Markgrafschaft Burgau, die Ulmer die Grafschaft Kirchberg besetzten, wäre ganz Schwaben verloren und das Domkapitel von Augsburg, schon jetzt in der Verbannung, wäre ganz aufgelöst. Sollte der sächsische Herzog GEORG auch noch sterben, wird sich alles zu Schlechten hin entwickeln.

Ich hatte meinem Bruder zwei Kronen geschickt, um Dispensation für die Eheschließung zwischen Verwandten vierten Grades, wovon die Betroffenen nichts wußten, zu erlangen; die Eurigen haben aber abgelehnt. Eure hochwürdigste Väterlichkeit möge das erledigen; sollte dieses Geld verloren sein, sende ich für anderes in einem ähnlichen Fall vier Gulden usf.

Ingolstadt, 9. Februar um Mitternacht im Jahr 1539.

Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit und Erhabenheit ergebenster Kaplan
Johannes Eck.