Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 344
Er hat Witzels Briefe wegen ihres Stils
mit Genuß gelesen, sich aber gewundert, daß
dieser in seiner Liste der bedeutendsten zeitgenössischen
Theologen im vorletzten Brief
des ersten Buches den Namen Ecks nicht aufführt. Aus dem
dreizehnten Brief des
zweiten Buches hat er entnommen, daß Witzel verheiratet ist und
ein Kind hat, was ihn
sehr verwundert. Witzel als verheirateter Priester stößt ihn
doch ab. Ein gelehrter
Lutheraner teilte ihm mit, Witzel habe, bevor er seine Frau heiratete,
einige Jahre mit ihr
zusammengelebt, sie dann geheiratet, sich dann auf Drängen seines
Bischofs wieder von
ihr getrennt und seitdem mit ihr im Konkubinat gelebt. Eck möchte
ihm alles über Witzels
Person und Aufenthaltsort mitteilen.
D. Ioanni Eckio S.P. Preclarissime ac doctissime vir, salvum te esse opto.Ne nihil D.T. scriberem baiulum habens
virum dignum, doctum et tui studiosum,
hasce ad te literas dare placuit. Legi hiis
diebus epistolas Georgii Wicelii, quae ob
stili sermonisque elegantiam plurimum me
oblectarunt. Perlegi autem epistolam primi
libri penultimam, in qua nostri seculi
recensentur viri doctissimi, Eckii nomen
nusquam ibi resonat; id quam aegre
tulerim, vix dicere quaeam. Cupio ex te
certior fieri, quomodo tibi cum Wicelio
conveniat. Caeterum ex epistola XIII. libri
secundi accaepi eum ipsum esse uxoratum
et habere prolem. Quod legens in quantam
ductus sim admiracionem, creditu
difficillimum est. Legens enim Wicelium
castissimum ac prorsus tetragonum eum
iudicavi. Audiens autem Wicelium
presbyterum esse uxoratum non parum ab
eo deficere caepi. Virum quendam
Lutheranum et quidem doctum quandoque
interrogavi, quid sentiret de Wicelio.
Respondit: uxorem duxit, cui non paucis
annis cohabitavit, tandem met
metropolitani compulsus, quam prius
uxorem habuit, repudiavit et a se expulit.
Postea vero eandem ut concubinam
recepit. Utrum (dicebat ille Lutheranus)
honestius fuit coniugatam repudiare an
repudiatam scorti loco tenere? Ego hisce
nugis fidem non praebeo. Rogo autem
humanitatem tuam, dignissime vir, per
veterem nostram amicitiam, ut ad me
scribas ea, quae de Wicelii vita et statu tibi
explorata sunt, maxime autem ubi locorum
nunc agat. Vale bene, virorum praestantissime. Ex Ottenpurra die 10. Junii 1539.] |
Viele Grüße an Johannes Eck! Berühmter und gelehrter Freund, gut soll es Euch gehen!Um Euch, wenn ich schon einen geeigneten, gelehrten und Euch wohlgesinnten Briefübermittler habe, nun auch zu schreiben, war es passend, Euch diesen Brief zu senden. Ich las in diesen Tagen die Briefe von GEORG WITZEL, die mich wegen der Eleganz von Stil und Sprache sehr entzückten. So las ich auch den vorletzten Brief des ersten Bandes, in dem die gelehrtesten Männer unserer Zeit aufgezählt werden, Eurer Name aber nirgends aufscheint: wie sehr ich darüber verärgert war, kann ich kaum ausdrücken. Ich möchte gern von Euch wissen, wie Ihr zu WITZEL steht. Ich habe übrigens aus dem 13. Brief des zweiten Bandes entnommen, daß er verheiratet ist und Kinder hat. In welches Erstaunen darüber ich bei der Lektüre geriet, ist kaum zu glauben. Beim Lesen habe ich WITZEL für keusch und beinahe kantig gehalten. Wie ich jetzt höre, daß WITZEL ein verheirateter Priester ist, habe ich begonnen, mich nicht wenig von ihm abzuwenden. Als ich einen gelehrten Lutheraner vor kurzem fragte, was er von WITZEL halte, antwortete er. Er heiratete eine cFrau, der er schon einige Jahre beigewohnt hatte, bis er diejenige, die er vorher zur Frau gehabt hatte, aus Furcht vor dem Metropoliten verstießm und fortjagte. Später aber hat er sie zur Konkubine genommen. Ob es denn (so sagte jener Lutheraner) ehrenhafter sei, eine Ehefrau zu verstoßen als eine Verstoßene als Konkubine zu halten? Ich halte nichts von solchen Späßen! Ich bitte Euch aber, bei unserer alten Freundschaft, mir zu schreiben, was Ihr über WITZELS Leben und Lage in Erfahrung bringen könnt, besonders aber, wo er sich jetzt aufhält. Lebt wohl, bester Freund. Aus Ottobeuren, 10. Juni 1539. |