Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 344

Nikolaus Ellenbog an Eck
Ottobeuren
10-06-1539


Paris BN cod lat 8643, 3 fol 73v - 74 Nr 14
GEIGER, Ellenbog, Anhang II 28; CCath 19/21 (Münster 1938), 397f Nr 14

Er hat Witzels Briefe wegen ihres Stils mit Genuß gelesen, sich aber gewundert, daß dieser in seiner Liste der bedeutendsten zeitgenössischen Theologen im vorletzten Brief des ersten Buches den Namen Ecks nicht aufführt. Aus dem dreizehnten Brief des zweiten Buches hat er entnommen, daß Witzel verheiratet ist und ein Kind hat, was ihn sehr verwundert. Witzel als verheirateter Priester stößt ihn doch ab. Ein gelehrter Lutheraner teilte ihm mit, Witzel habe, bevor er seine Frau heiratete, einige Jahre mit ihr zusammengelebt, sie dann geheiratet, sich dann auf Drängen seines Bischofs wieder von ihr getrennt und seitdem mit ihr im Konkubinat gelebt. Eck möchte ihm alles über Witzels Person und Aufenthaltsort mitteilen.



D. Ioanni Eckio S.P.

Preclarissime ac doctissime vir, salvum te esse opto.

Ne nihil D.T. scriberem baiulum habens virum dignum, doctum et tui studiosum, hasce ad te literas dare placuit.

Legi hiis diebus epistolas Georgii Wicelii, quae ob stili sermonisque elegantiam plurimum me oblectarunt. Perlegi autem epistolam primi libri penultimam, in qua nostri seculi recensentur viri doctissimi, Eckii nomen nusquam ibi resonat; id quam aegre tulerim, vix dicere quaeam.

Cupio ex te certior fieri, quomodo tibi cum Wicelio conveniat. Caeterum ex epistola XIII. libri secundi accaepi eum ipsum esse uxoratum et habere prolem. Quod legens in quantam ductus sim admiracionem, creditu difficillimum est. Legens enim Wicelium castissimum ac prorsus tetragonum eum iudicavi. Audiens autem Wicelium presbyterum esse uxoratum non parum ab eo deficere caepi. Virum quendam Lutheranum et quidem doctum quandoque interrogavi, quid sentiret de Wicelio. Respondit: uxorem duxit, cui non paucis annis cohabitavit, tandem met metropolitani compulsus, quam prius uxorem habuit, repudiavit et a se expulit. Postea vero eandem ut concubinam recepit. Utrum (dicebat ille Lutheranus) honestius fuit coniugatam repudiare an repudiatam scorti loco tenere? Ego hisce nugis fidem non praebeo. Rogo autem humanitatem tuam, dignissime vir, per veterem nostram amicitiam, ut ad me scribas ea, quae de Wicelii vita et statu tibi explorata sunt, maxime autem ubi locorum nunc agat.

Vale bene, virorum praestantissime.

Ex Ottenpurra die 10. Junii 1539.]

Viele Grüße an Johannes Eck!

Berühmter und gelehrter Freund, gut soll es Euch gehen!

Um Euch, wenn ich schon einen geeigneten, gelehrten und Euch wohlgesinnten Briefübermittler habe, nun auch zu schreiben, war es passend, Euch diesen Brief zu senden.

Ich las in diesen Tagen die Briefe von GEORG WITZEL, die mich wegen der Eleganz von Stil und Sprache sehr entzückten. So las ich auch den vorletzten Brief des ersten Bandes, in dem die gelehrtesten Männer unserer Zeit aufgezählt werden, Eurer Name aber nirgends aufscheint: wie sehr ich darüber verärgert war, kann ich kaum ausdrücken.

Ich möchte gern von Euch wissen, wie Ihr zu WITZEL steht. Ich habe übrigens aus dem 13. Brief des zweiten Bandes entnommen, daß er verheiratet ist und Kinder hat. In welches Erstaunen darüber ich bei der Lektüre geriet, ist kaum zu glauben. Beim Lesen habe ich WITZEL für keusch und beinahe kantig gehalten. Wie ich jetzt höre, daß WITZEL ein verheirateter Priester ist, habe ich begonnen, mich nicht wenig von ihm abzuwenden. Als ich einen gelehrten Lutheraner vor kurzem fragte, was er von WITZEL halte, antwortete er. Er heiratete eine cFrau, der er schon einige Jahre beigewohnt hatte, bis er diejenige, die er vorher zur Frau gehabt hatte, aus Furcht vor dem Metropoliten verstießm und fortjagte. Später aber hat er sie zur Konkubine genommen. Ob es denn (so sagte jener Lutheraner) ehrenhafter sei, eine Ehefrau zu verstoßen als eine Verstoßene als Konkubine zu halten? Ich halte nichts von solchen Späßen! Ich bitte Euch aber, bei unserer alten Freundschaft, mir zu schreiben, was Ihr über WITZELS Leben und Lage in Erfahrung bringen könnt, besonders aber, wo er sich jetzt aufhält.

Lebt wohl, bester Freund.

Aus Ottobeuren, 10. Juni 1539.