Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 349

Eck an Johannes Fabri, B. von Wien
Ingolstadt
12-07-1539



Rom Bibl Vat, 6404 fol 7f;
Rom Arch Vat, Arm. 64 vol 26 fol 264r-265r (260r-261r) = zeitgen. Kopie im Auszug
Nuntiaturberichte I, 4, 2, 588f (Auszug)


Mit Recht hat Fabri beschrieben, wie die Sache des Glaubens täglich schwächer wird: nach der Abreise des Kaisers sind Württemberg, Oberpfalz und Meissen verloren gegangen, dazu das Territorium des brandenburgischen Markgrafen Johann wie auch Ulm, Augsburg und andere wichtige Städte. Die Sache in Geldern, Berg, Cleve und Jülich ist offen. In der Toscana wütet Luca durch Beseitigung der Messe, Zerstörung von Klöstern, Altären und Heiligenbildern. Lange hat Eck auf die Frömmigkeit und Macht des Kaisers gehofft, jedoch versagt dieser in allen Bereichen, sodaß niemand sich mehr um seine Mandate kümmert, sondern alles aus den Fugen geraten ist. Der Passauer Dekan Rupert von Mosham gebärdet sich als großer Prediger; mit seinen Häresien zieht er das Volk an, sodaß die Gefahr eines Aufstandes gegeben ist. Die Obrigkeiten unternehmen nichts; Passau könnte die bischöfliche Herrschaft abschütteln, was es seit hundert Jahren beabsichtigt, und sich mit Sachsen und Hessen verbünden. Der Erzherzog von Österreich wie die bayerischen Herzöge hätten ein Interesse daran, sich dieses Krebsgeschwürs zu erwehren. Kg. Ferdinand soll dem Passauer Administrator befehlen, den Dekan vorzuladen, damit dieser über die abweichenden Glaubensartikel Rechenschaft abzulegen gezwungen werden kann. Dazu soll ein Gelehrter, am besten Fabri selbst, sich mit Mosham auseinandersetzen. Auch der päpstliche Legat sollte einschreiten. Allzu leichtfertig geht Sadoletus mit den Häretikern um: sein Brief an Jacob Sturm hat die Lutheraner in ihrer Hochschätzung Melanchthons bestärkt. Sadoletus hat Mosham nach Rom gerufen, damit dieser Wundertheologe den Papst darüber aufkläre, wie das deutsche Schisma zu beseitigen sei. Sadoletus hätte zuerst bei Aleander oder Fabri über die betreffenden Personen Erkundigungen einholen sollen, um nicht den apostolischen Stuhl zu brüskieren und den Hochmut der Neuerer noch zu stärken. Das ihm von Mosham empfohlene und herausgegebene Buch steckt voller Irrlehren und wird von der Zensur geprüft. Von dem Nürnberger Kolloquium ist nichts zu erwarten; wer will sich schon drei Wochen lang unter diese Wölfe begeben? An Cochläus hat Eck vergeblich zwei Briefe geschrieben; der Herzog will ihn für jährlich 100 Gulden als Pfarrer an die Ingolstädter Liebfrauenkirche berufen; das Entgelt ist zu gering. Eck erinnert Fabri daran, Kg. Ferdinand und Aleander sollten an den Pfalzgrafen Friedrich schreiben; in Amberg wütet noch der Aufstand; die Verhältnisse in Neumarkt und anderen Orten sind aber unverändert: es wurden noch keine lutherischen Prädikanten berufen.



(Marginalvermerk:) E literis D. Eckii ad Reverendissimum episcopum Viennensem datis Ingolstadii 12. Iulii 1539.

Anrede fehlt).

Verum quod scribis, in causa fidei nostras partes de die in diem effici infirmiores, cum tres perdiderimus amplissimos ducatus post Caesaris abitionem, Wirtenbergium, Palacii Superioris et Misnae, ad haec semi ducatum Johannis Marchionis Brandenburgensis, cum Augusta Ulma et aliis celebribus civitatibus. Quid de Geldria, Berg, Cleve, Juliaco sperandum nobis sit, ignoramus.

Scriptum est michi et Lucam insanire in Ethruria, explosis missis, effractis monasteriis, dirutis altaribus ac fractis imaginibus. Scio discessionem esse futuram iuxta Paulum, ante adventum filii perditionis, at diu speravi in Caesaris religionem et potentiam: at ille nedum in fide, sed etiam in prophanis experitur se ita contemptui haberi ac ludibrio a regulis et ducibus ut numquam Caesar ita contemptim habitus sit a vasallis suis. Forte Deus aliquando excitabit cor illius.

Regia et Caesarea mandata floccifaciunt, literas pro literis reddunt, interea opere et facto omnia prosequuntur quae volunt.

D. Rudbertus Moshemer, decanus Pataviensis, hatt das predig wee, idest ambit concionandi gloriam, tamen fama est cum multa habere de haeresibus, unde mobile vulgus attrahit, ut sit timor sedicionis, et neque rex neque legatus neque episcopus neque duces Bavariae assistunt capitulo contra tam protervum rebellem.

Habet decanus aliquid discursus: quid si plebem in arma vocaret, clerum totum expelleret, civitas ac episcopo deficeret, quod jam centum annis meditatur, subjicerent se tuitioni et protectioni Saxonicae et Hessicae, jungerent foedera: tunc neque rex neque duces Bavariae auderent capillum capitis eis vellere. Interest autem plurimum archiducis Austriae et ducum Bavariae, ne cancrum hunc permitterent serpere in sinum eorum. Rex jubeat administratorem ut dicat decano diem ad videndum et audiendum super variis articulis suspectis, erroneis ac haereticis, super quibus diffamatur. Pro majori authoritate rex ad eundem diem mittat aliquem doctum et catholicum (vos essetis optimus); similiter moneantur duces Bavariae ut aliquem catholicum et doctum eo mittant. Est parva scintilla, sed contempta maximum posset parere incendium. Accedat ad hoc authoritas Reverendissimi domini legati, qui debet invigilare super oves vice pontificis.

Nimis facilis est Reverendissimus dominus Sadoletus ad scribendum his nugatoribus; multum confirmarunt Lutheranos literae ejus ad Sturmium datae in laudem Melanchtonis, et hunc sexennalem theologastrum Mosheimer per literas vocat ad urbem, quasi hic tertius Cato de celo ceciderit, qui ostendat papae quomodo schisma Germaniae sit tollendum. Imputatur cuidam levitati. Debebat Sadoletus prius scripsisse vel Reverendissimo legato aut Reverendissimae Paternitati Vestrae aut alteri indubitatam fidem Romanam habenti, quis esset is aut alius, cujus eruditionis, cujus vitae, quam observans religionis christiana? Alioquin contemnitur sedes apostolica et ipsi novatores literis illis inflati spiritum superbiae altius erigunt. Librum Philonii a decano supradicto commendatum et tetrasticho ornatum ac jussu ejus editum superioribus diebus ad limam accepi; totum haereticum reperi, ideo dignis censuris jugulavi.

De Conciliabulo Nurnbergensi nihil erit: quis Catholicorum veniret inter hos lupos, qui sibi arrogantur trium septimanarum tempore. Novit P.T. habitum fuit cum eis colloquium, detecti utrinque duces; nihil profecimus, Caesare et Statibus Jmperii presentibus; quod nunc faceremus, ubi omnia tumultui, clamoribus, fastu et violentia agentur. Nolumus volumus oportet, nec audio ullum hominem qui illuc iturus sit.

D. Cochleo nostro binas scripsi literas, ad nullas reditur. Dux meus vellet ei dare ecclesiam parochialem S. Mariae et quottannis centum florenos ex camera. Audio ipsum plusquam 1500 florenos expendisse pro sacario suo tipographo, et ad summa 1200 florenos ab aliis principibus episcopis caenobiis et dominis pro ipso collegisse.

Nec obliviscatur R.P.T. quod nuper fideliter monui ut rex et Reverendissimus legatus scribant duci Faederico. Spes est illos posse redire, soli Ambergenses furiuntur. In Newmarckht et aliis nihil mutantur nec vocaverunt Lutheranos praedicatores. Etc.


...Es trifft zu, was Ihr schreibt, daß nämlich in der Glaubenssache unsere Seite von Tag zu Tag schwächer wird, da wir drei reiche Herzogtümer nach der Abreise des Kaisers verloren haben: Württemberg, Oberpfalz und Meissen, dazu das halbe Herzogtum des Brandenburger Markgrafen JOHANNES, zusammen mit Augsburg dann auch noch Ulm und andere berühmte Städte. Was wir im Falle von Geldern, Berg, Cleve, Jülich erwarten dürfen, weiß ich nicht.

Mir wurde geschrieben, daß auch Lucca in der Toscana den Verstand verloren hat: die Messe wurde abgeschafft, Klöster erbrochen, Altäre niedergerissen und Heiligenbilder zerbrochen. Ich weiß, daß nach Paulus vor der Ankunft des »Sohnes des Verderbens« die Scheidung kommen wird; lange habe ich auf die Frömmigkeit und die Macht des Kaisers gehofft. Jener hat aber nicht nur im Hinblick auf den Glauben, sondern auch in weltlichen Dingen sich als leichtfertig gegenüber den »kleinen Königen« und Herzögen erwiesen, so daß der Kaiser noch niemals von seinen Vasallen so verachtet wurde. Vielleicht wird Gott irgendwann einmal sein Herz erwecken!

Die königlichen und kaiserlichen Mandate werden auf die leichte Schulter genommen, Briefe folgen auf Briefe. Inzwischen wird alles in Wort und Tat nach Belieben behandelt!

RUPERT VON MOSHAM, der Passauer Dekan, leidet unter der »Predigerkrankheit«, das heißt er strebt nach Predigerruhm; dennoch geht das Gerücht um, daß er mit seinen vielen Häresien, die er verkündet, das Volk an sich zieht, so daß Befürchtungen bestehen, ein Aufruhr könne ausbrechen; weder der König noch der Legat noch der Bischof noch die bayerischen Herzöge stehen dem Domkapitel gegen den frechen Rebellen bei.

Der Dekan hat allerhand wirre Gedanken: was wäre, wenn er das Volk zu den Waffen riefe, den ganzen Klerus vertriebe, die Stadt vom Bischof "befreite", wonach sie seit hundert Jahren trachtet, sie sich dann dem Schutz und der Hoheit Sachsens und Hessens unterwürfe und Bündnisse mit ihnen schlösse: dann würden es weder der König noch die bayerischen Herzöge wagen, ihnen auch nur ein Haar zu krümmen. Es ist aber ein großes Anliegen des Erzherzogs von Österreich und der bayerischen Herzöge, diesem Krebs nicht zu erlauben, ihm an die Brust zu kriechen. Der König soll dem Administrator von Passau helfen, dem Dekan einen Termin zu setzen, um ihn zu treffen und über verschiedene irrige und häretische Artikel zu verhören, deren er beschuldigt wird. Um der größeren Autorität willen soll der König irgendeinen gelehrten Katholiken (Ihr wärt der geeignetste!) zu diesem Verhör schicken; ebenso sollten die bayerischen Herzöge ermahnt werden, einen gebildeten Katholiken dorthin zu senden. Es ist nur ein kleines Fünkchen, aber unbeachtet könnte es ein großes Feuer werden! Auch die Autorität des Herrn Legaten sollte hier in Erscheinung treten, denn dieser soll ja an Stelle des Papstes über die Schafe wachen.

Allzu leicht fällt es dem hochwürdigsten Herrn SADOLETUS mit dem Briefeschreiben an diese Schwätzer: sein Brief an STURM zum Lobe MELANCHTHONS stärkt sehr die Lutheraner, und diesen seit sechs Jahren als Pseudotheologe wirkenden MOSHAM lädt er brieflich nach Rom ein, als wäre dieser als dritter CATO vom Himmel gefallen, um dem Papst aufzuzeigen, wie das Schisma in Deutschland aufzuheben sei. Man muß das der Leichtgläubigkeit des SADOLETUS zuschreiben. Dieser hätte zuerst dem hochwürdigsten Legaten oder Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit oder einem anderen ungezweifelten Katholiken schreiben sollen, um wen es sich denn bei MOSHAM handelt, welche Gelehrsamkeit, Lebensweise es sich bei ihm handelt, wie er den christlichen Glauben praktiziert. Sonst wird der apostolische Stuhl verachtet, und die Neuerer steigern noch den Geist des Stolzes aufgrund solcher Briefe. Das Buch PHILONS, das vom genannten Dekan empfohlen, mit einem Trtradistichon geschmückt und auf seinen Auftrag hin gedruckt wurde, habe ich in den letzten Tagen zur Durchsicht erhalten: ich fand es durch und durch häretisch und habe es mit den verdienten Zensuren belegt.

Mit dem Pseudokonzil in Nürnberg wird es nichts: welcher Katholik würde sich unter diese Wölfe mischen, die sich drei Wochen lang wichtig tun. Eure Väterlichkeit weiß, daß mit ihm ein Kolloquium stattgefunden hat; die Herzöge wurden von allen Seiten bloßgestellt; erreicht wurde nicht einmal etwas, wenn Kaiser und Reichsstände anwesend waren. Was sollten wir jetzt tun, wo doch überall Tumult, Lärm, Verachtung und Gewalt herrschen? Es muß so kommen, ob wir wollen oder nicht; ich höre auf keinen, der dorthin geht.

Unserem Herrn COCHLÄUS habe ich zwei Briefe geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Mein Herzog wollte ihm die Pfarrkirche St. Marien geben und jährlich einhundert Gulden von der Kammer. Ich höre, daß er selbst mehr als eintausendfünfhundert Gulden für seinen unersättlichen Drucker auszugeben und zusammen eintausendzweihundert Gulden von anderen Fürsten, Bischöfen, Klöstern und Herren gesammelt hat.

Eure hochwürdigste Väterlichkeit möge nicht vergessen, wozu ich ihn neulich treu gemahnt habe, daß nämlich der König und der hochwürdigste Legat dem Herzog FRIEDRICH schreiben sollen. Es besteht Hoffnung, daß jene zurückkehren können; nur die Amberger sind in Aufruhr. In Neumarkt und anderen Orten ändert sich nichts noch haben sie lutherische Prediger berufen. Usf.