Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 352

Eck an Nikolaus Ellenbog
Ingolstadt
18-08-1539



Paris BN cod lat 8643, 3, fol 85v- 86v Nr 38
GEIGER, Ellenbog, Anhang II 32; CCath 19/21 (Münster 1938), 408ff Nr 38


Eck hat Ellenbogs Brief vom 06-07-1539 am 16-08-1539 erhalten. Witzel kann, auch wenn er nicht gegen die Kirche streitet, auf keinen Fall zu den Ihrigen gezählt werden, da er Kirchengebote, Klöster, Priester, Privat- und Totenmesse, Heiligenverehrung, Zölibat und die Verwendung der lateinischen Sprache bei der Taufformel, das Keuschheitsgelübde und den Character indelebilis der Priesterweihe ablehnt, dafür aber den Laienkelch fordert. Ellenbogs Ratschläge zum Rhabarber hat er empfangen. Den Mann seiner Schwester Marina Paul Wagner empfiehlt Eck der besonderen Unterstützung durch Ellenbog und den Abt selbst: Eck hatte in diesem Sommer schon Auslagen von zwei Gulden für ihn, um seinen Badeaufenthalt samt Bademeister zu bezahlen, was ihm gut bekommen ist. Wagner meint, wenn schon sein Vater nicht helfen will, soll Eck seiner Halbschwester helfen: da irrt er sich. Der Kaiser hat mit den Lutheranern einen Anstand von fünfzehn Monaten geschlossen. Er hätte mit dem Herzog von Jülich in der geldrischen Frage eine Übereinkunft getroffen, wenn nicht die Bevölkerung Brabants und Flanderns dagegen wäre. Der Perserkönig hat das türkische Heer vernichtend geschlagen. Die Portugiesen haben Aden zurückerobert. Mit dem Verlust der Kathedralkirchen von Merseburg und Meissen hat das Luthertum in Meissen gesiegt. Eck sendet in Kürze seine Leichenrede auf den verstorbenen Eichstätter Bischof. Er hat keine Zeit mehr zu schreiben, da der Wiener Bote drängt und er noch an Fabri und Simon Thaddäus schreiben muß.


D. Ioannes Eckius suo Nicolao S.D. Venerande pater:

Literas tuas in Iunio scriptas accaepi XVI. Augusti, tam celeri posta.

De Wicelio, quod magnificis eum pugnare pro nobis alludens ad verbum Christi ad apostolos de subintroductis discipulis, verum, si Wicelius etiam nos non impugnaret. Verum dum est iniquior constitutionibus ecclesiae, dum missam privatam auferre vult in monasteriorum, collegiorum, cathedralium ecclesiarum ac beneficiorum destructionem, dum queritur esse nimis multa monasteria et superr multitudine monachorum et sacerdotum conqueritur, dum suffragia vivorum pro defunctis contemnit, sanctos negat esse invocandos, improbat usum ecclesiae, quae latinis utitur orationibus in baptismo, celibatum damnat in clero, layco consulit eucharistiam sub utraque specie dandam, ait: vota castitatis impossibilia superiores volunt observari, characterem indelebilem in sacerdote irridet, neque monachi, neque monasteria, neque vota sibi placent, iam vade et dic Wicelium non pugnare contra nos.

De reubarbaro accepi omnia.

Paulum, Marinae maritum, commendo D.T. Et nomine meo reverendum patrem nostrum abbatem roga, ut ei auxilio sit, quo ei pater balneum commendet; ego hac aestate habui cum eo impensas, ad haec dedii 2 florenos et alia pro balneatore et instrumentis, et bene profecit. Si pater suus wil nit seinem sun helfen, maint er, ich soll sorori non uterinae vil helfen, falletur; apparet esse totus bonus et simplex.

Caesar Lutheranis 9 menses ultra sex primos abdicavit. Caesar esset forte concordatus cum duce Iuliacensi super Geldria, sed Brabantini et Flandri resistunt.

Sophi profligavit exercitum Thurcae add interniciem.

Portugallus recuperavit civitatem Don in mari rubro, quam Turca abstulit dolo in Aprili.

In Misnia omnia pessime se habent, triumphat Lutherismus, nondum tamen tyrannus invasit ecclesias cathedrales Merseburger et Misnam.

Orationem funebrem pro episcopo Marschalcho statim videbis.

Mille alia restarent scribenda, sed nuncius instat Pannonicus; opus est, ut et cardinali scribam episcopo Viennensi et fratri doctori Simoni.

Vale cum reverendo abbate et toto conventu.

Ingolstadii 18. Augusti 1539.

Johannes Eck grüßt seinen Nikolaus!

Verehrter Pater: Euren Brief, den Ihr im Juni geschrieben habt, habe ich am 16. August erhalten: so schnell ist die Post!

Über WITZEL: da Ihr ihn preist, weil er für uns kämpft, und Ihr an das Wort Christi an die Apostel wegen der später hinzugekommenen Jünger anspielt: über diesen WITZEL würdet Ihr Wahres aussprechen, wenn er uns nicht auch bekämpfte, indem er nämlich den kirchlichen Gesetzen widerstreitet; er die Privatmessen zum Verderben der Klöster, Kollegien, Kathedralkirchen und Benefizien aufheben will; er sich beklagt, es gäbe zu viele Klöster und zu viele Mönche und Priester; er die Fürsprache der Lebenden für die Toten verachtet; er leugnet, daß man die Heiligen anrufen solle; er die Praxis der Kirche verwirft, bei der Taufe sich lateinischer Gebete zu bedienen; er den Zölibat des Klerus verdammt; er den Laien rät, die Eucharistie unter beiderlei Gestalt zu empfangen; er sagt, die Oberen verlangten die Einhaltung unmöglicher Gelübde in Bezug auf die Keuschheit; er den unzerstörbaren Charakter im Priester belächelt. Weder Mönche noch Klöster noch Gelübde gefallen ihm: Nun kommt und sagt, daß WITZEL nicht gegen uns streitet!

Über Rhabarber habe ich genug gehört.

PAULUS, den Gemahl MARINAS, empfehle ich Euch. In meinem Namen bittet unseren hochwürdigsten Vater Abt, dem Unterstützung zukommen zu lassen: durch ihn hat ihm der Vater das Badehaus empfohlen. Ich hatte in diesem Sommer durch ihn Ausgaben und gab zwei Gulden und mehr für den Erbauer des Badehauses und die Einrichtungsgegenstände: alles ging gut voran. Wenn sein Vater seinem Sohn nicht helfen will, meint er, solle ich der nicht leiblichen Schwester helfen: da liegt er falsch: er erscheint gutmütig und einfältig.

Der Kaiser hat gegenüber den Lutheranern neun Monate über die sechs ersten hinaus abgelehnt. Er hätte sich vielleicht mit dem Herzog von Jülich über Geldern geeinigt, aber die Brabanter und die Flamen leisten Widerstand.

Der Perserkönig hat das Heer der Türken in die Flucht geschlagen.

Der portugiesische König hat die Stadt Aden am Roten Meer, die ihm der Türke im April durch eine List weggenommen hatte, zurückerobert.

In Meissen entwickelt sich alles sehr schlecht; noch aber hat der Tyrann die Bistümer Merseburg und Meissen nicht in seine Hand gebracht.

Die Leichenrede für Bischof CHRISTOPH VON PAPPENHEIM werdet Ihr bald zu sehen bekommen.

Tausend andere Dinge sind noch zu schreiben, aber der Nuntius am Königshof in Wien drängt. Ich muß auch dem Kardinal, dem Wiener Bischof und meinem Bruder DOKTOR SIMON schreiben.

Lebt wohl, auch der verehrte Abt und der ganze Konvent.

Ingolstadt, 18. August 1539.