Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 353

Nikolaus Ellenbog an Eck
Ottobeuren
05-10-1539


Paris BN cod lat 8643-3 fol 86v Nr 39
GEIGER, Ellenbog, Anhang II 33; CCath 19/21 (Münster 1938), Nr 39
Übersetzung: Memminger Geschichts-Blätter 2 (1913), 48


Der bischöfliche Kanzler Dr. Renz in Dillingen, den Ellenbog auf Ecks Wunsch als Vermittler seiner Briefe an Eck einschalten sollte, muß an der Verzögerung des letzten Briefes schuld sein. Die von Eck gewünschten Bücher sind nicht zu bekommen. Der Memminger Prediger hat einem Rötenbacher Messerschmied die ganze Bibliothek der Antonier und Augustiner zu einem Spottpreis gegeben; dieser verkauft nun die zum Teil schwergewichtigen liturgischen Pergamenthandschriften nach Gewicht; ein Teil geht nach Nürnberg. Gerade die Augustinerbibliothek enthielt zahlreiche Autoren, die nun verloren sind, da sie nicht durch Druckerfleiß auf andere Exemplare verteilt wurden.

D. doctori Ioanni Eckio S.D.

Quod proximae literae meae testudineo gressu postaque tardissima te adierunt, aut teipsum aut archigrammateum Tillingensem accusato; ad ipsum enim iussu tuo literas transmisi; hinc tu diligentiam hominis deprehendere vales.

Caeterum libros, quos tibi emendas postulas, dudum distractos noveris. Referam autem tuae dominationi rem inauditam et absurdam.

Est in Rötenbach artifex, qui cultros et vaginas consimiliaque fabricare solet. Huic concionator Memingensis vendidit cumulatim libros repertos in bibliotheca sancti Antonii et in bibliotheca Augustinensium. Emit autem libros in universum omnes vili precio. Nunc emptor vendit libros in pergameno sub pondere transmittitque nonnullos ad Nurenbergam; vendit autem pondus centenarii V. fl. Prohh rem indignam! Sunt gradualia multum quidem ponderantia, laborem vero et manum scriptoris si pensites, pilo distrahuntur et vaginis praestant subducturam. Adde, quia de libraria Augustinensium non pauci authores intereuntt pessumque eunt, qui necdum calchographorum industria in alia exemplaria transfusi sunt. Hoc videat Deus et iudicet.

Haec sunt, quae in praesentiarum tibi scribenda duxi, vir doctissime.

Vale bene.

Ex Ottenpurrha 5. die Octobris 1539.

Gruß an Doktor Johannes Eck.

Wenn mein letzter Brief mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte und stark verlangsamter Postzustellung zu Euch gelangt ist, müßt Ihr Euch selbst oder den Erzgrammatiker in Dillingen beschuldigen; an ihn nämlich habe ich auf Euren Befehl den Brief gesandt. Daher müßt Ihr dessen Sorgfalt tadeln.

Im übrigen sollt Ihr wissen, daß die Bücher, die ich für Euch kaufen sollte, längst verstreut sind. Ich werde Euch hier diese unglaubliche und absurde Geschichte erzählen:

In Rötenbach gibt es einen Künstler, der Messer, Scheiden und Ähnliches herzustellen pflegt. Diesem hat der Memminger Prediger bündelweise die Bücher verkauft, die er in den Bibliotheken der Antoniter und der Augustiner gefunden hat. Er kauft so ziemlich alle Bücher zu mäßigem Preis. Nun verschleudert dieser Käufer die Bücher aus Pergament nach Gewicht und schickt sie nach Nürnberg. Er verkauft nach Gewicht zu je hundert für fünf Gulden. O wie unwürdig das ist! Es sind darunter schwergewichtige Gradualbücher; wenn Ihr die Mühe und die handwerkliche Kunst des Schreibers in Erwägung zieht, so werden sie »um ein Haar« losgeschlagen und geringer als Messerscheiden eingestuft. Hinzuzufügen ist, daß aus der Bibliothek der Augustiner nicht wenige Autoren untergegangen sind, die noch nicht durch Bemühungen der Buchdrucker in andere Exemplare übertragen worden sind. Gott möge das ansehen und beurteilen!

Das wollte ich Euch gegenwärtig schriftlich mitteilen, mein gelehrter Freund!

Lebt wohl.

Aus Ottobeuren, 5. Oktober 1539.