Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 354
Rom Bibl Vat, 6404 fol 139r - 140v (zeitgen. Kopie)
FRIEDENSBURG, Beiträge 237ff Nr 129
Reverendissime pater: Quod in confinia Hungariae et Stiriae fueras profectus, fecit tot literas meas minus acceperis post primas. Goliath illum superbum a Moshaim 30
octobris privavimus et deposuimus per
sententiam. Iste interea malo consilio venit
Norimbergam (satius ei fuisset Augustam
vel Argentinam petere, ubi in fide omnis
generis variatur). Petiit a senatu ut eum
reciperent sub eorum protectione, ut
evangelium libere predicaret et librum
suum contra Rosinum liceret sibi
imprimere apud chalcographum; in illo
autem est injuriarum sylva contra papam,
Romanam ecclesiam, Paternitatem
Vestram et me. Deputarunt sex ad eum probandum; duos antiquos civium magistros, duos doctores juris, duos predicatores Wenceslaum et Hosandrum. Sed quarta die dissensio facta est super justificationis materia, ubi Moshaimer constanter defendit opera contra Lutheranos, licet dicat fidem, quae sola justificet, a Papistis non intellectam. Die quinto, dum redirent ad eandem dissensionem, dixit Moshaimer ad Hosandrum: ich bin heut auch an ewer bredig gewesen; hab vil luge gehort. Ille contra: Ir liegt selber, et venerunt ad convicia, ut nemo amplius vellet convenire ex deputatis ad domum senatoriam in churfurstenstuben; sed convenerunt in aedibus apud sanctum Sebaldum. In fine concluserunt dogma Moshaimericum esse plus Zwingliacum, Parabaptisticum et seditiosum quam christianum. Repulsam ergo passus a senatu Moshaimer, ut alio migraret, 10 octobris hat er noch gefret und suppliciert an rath. Frustra. Sic abiit 23 octobris. Hatt seinem wirt, der im das glaitt geben, ein geschrifft zuegestellt contra praedicatores; hat etlichen bekanten hinder sich allerlay enbotten et dedit hospiti in scriptis. Scheurlium insimulavit proditionis. Uni senatori: er wol erleben das bapsthumb und Lutherthumb zuegleich werden zue boden gesturtzt, et alii alia. Predicatores, suscepto ejus scripto, accinxerunt se ad responsionem, nam pluribus placet Norimbergae quod opera extulit et damnavit fidem sine operibus. Ex Dinckelspuel scripsit literas ad senatum
Norimbergensem, conquestus se
intellexisse senatum disposuisse equites ad
eum capiendum, petiitque ab eo
responsum an et cur tentaverint, at senatus
non est eum dignatus responso. Adiit
principem electorem Palatinum, cui
prolixum supplicem libellum porrexit, at
respondit dux se non esse theologum, sed
prope esse electorem ecclesiasticum
cardinalem Moguntinum, primatem
Germaniae. Venit is ad cardinalem, qui non cavit Julium Pflug. Quid actum nondum scio; visum est ad longum hanc comediam retexere. Ex Aschaffenburg misit proprium nuntium ad senatum Norinbergensem cum scripto contra predicatores. At illi jam responsionem paraverant, quam senatus cum eodem nuntio Moshaimero remisit. Adhuc scribit se Regiae Majestatis consiliarium: multis videtur eum fore exautorandum. In causa fidei quanto diutius Caesar abest,
tanto virus illud serpit latius et radices agit
profundius. Isto anno comes Ludovicus de
Ötingen in oppido Ottingen Luterismum
totum assumpsit, sic frater suus comes
Carolus in Hornberg (quod tamen
dominium solum tenet pro pignore ab
imperio). Comes Martinus, qui
medietatem oppidi tenet, viriliter resistit.
Mandat Ludovicus, ne quis ex suis audiat
missam vel sermonem presbyteri a
Martino instituti. Contra Martinus inhibet
suis ne audiant lutheranum: ist nit priester,
ist ein schreiner gewesen, hatt graff
Ludwig fur ein pfaffen aufgeworffen. De
Werdea est timendum. Ambergenses
excluserunt quidem duos predicatores,
behalten aber noch den im spital, qui
comunicat populum sub utraque specie; et
uxores predicatorum relegatorum adhuc
sunt Ambergae, sperant reditum, quia
Ambergenses adhuc praestant eis
stipendiis. Illi in Cham omnino nolunt
deponere predicatorem ad jussum
principis. Iterum miserunt Haidelbergam Lutherani nescio quid petituri pro eorum predicatoribus. Datum Eichstadii 4 decembris anno 1539. Jo. Eckius. |
Hochwürdigster Vater: Weil Ihr in die Grenzgebiete Ungarns und der Steiermark gereist wart, kam es, daß Ihr nach dem ersten Brief keine weiteren mehr von mir bekommen habt. Jenen hochmütigen »Goliath« VON MOSHAM habe ich am 30. Oktober seiner Ämter enthoben und durch Urteilsspruch abgesetzt. Er ist inzwischen - schlecht beraten - nach Nürnberg gekommen (besser für ihn wäre es gewesen, nach Augsburg oder Straßburg zu gehen, wo alle möglichen Glaubensrichtungen vertreten sind). Er erbat vom Rat, ihn unter seine Fittiche zu nehmen, um das Evangelium frei verkündigen zu können und die Erlaubnis zu erhalten, seine Schrift gegen STEPHAN ROSINUS bei einem Drucker fertigstellen zu lassen. In dieser Schrift findet sich ein Wust von Beleidigungen gegen Papst, römische Kirche, Eure Väterlichkeit und mich. Die Nürnberger bestellten sechs Männer, um MOSHAMS Anliegen zu prüfen. Zwei alte Bürgermeister, zwei Doktoren der Rechte und die beiden Prediger WENZESLAUS LINK und OSIANDER. Am vierten Tag aber entstand Streit über die Rechtfertigungslehre, bei dem MOSHAM beharrlich die Guten Werke gegenüber den Lutheranern verteidigte; er sagte auch, daß der Glaube, der allein rechtfertige, von den Papisten nicht verstanden werde. Am fünften Tage, als man zum selben Streitpunkt zurückkehrte, sagte MOSHAM zu OSIANDER: »Ich bin heute auch bei Deiner Predigt gewesen, habe viel Erlogenes gehört.« Darauf OSIANDER: » Ihr lügt selbst!«. Der Zank steigerte sich so sehr, daß niemand von den Deputierten mehr im Rathaus in den Kurfürstenstuben zusammenkommen wollte, sondern man traf sich im Haus neben Sankt Sebaldus. Am Ende kamen sie zu dem Schluß, die Lehre MOSHAMS sei mehr zwinglianisch, wiedertäuferisch und aufrührerisch als christlich. So wurde MOSHAM durch den Rat zurückgewiesen und aufgefordert, woandershin zu gehen. Am 10. Oktober war er noch voller Hoffnung und hatte dem Rat seine Bitten vorgetragen. Vergeblich: so reiste er am 23. Oktober ab und übergab seinem Wirt, der ihn verabschiedete, ein Schreiben gegen die Nürnberger Prediger; seinen Bekannten gab er Versprechen, dem Wirt sogar schriftlich. SCHEURL beschuldigte er, ein Verräter zu sein. Einem Ratsherrn schrieb er, er wolle noch erleben, daß das Papsttum und das Luthertum gleichzeitig zu Boden geworfen würden. Anderen schrieb er anderes. Die Prediger haben nach Erhalt seiner Schrift gemeinsam geantwortet, denn es gefällt vielen in Nürnberg, daß er die Guten Werke betonte und den Glauben ohne Werke verwarf. Aus Dinkelsbühl schrieb er einen Brief an den Nürnberger Rat und beklagte sich, er habe gehört, der Rat habe Reiter geschickt, ihn einzufangen. Er erbat Antwort, ob und warum sie das versucht hätten. Der Rat jedoch hat ihn keiner Antwort gewürdigt. Er ging zum Kurfürsten von der Pfalz, dem er ein ausführliches Bittschreiben überreichte: der Herzog aber entgegnete, er sei kein Theologe, jedoch sei der geistliche Kurfürst, der Mainzer Kardinal und Primas von Deutschland, in der Nähe. So kam er zum Kardinal, der sich jedoch nicht vor JULIUS PFLUG vorsah. Was dort gesprochen wurde, weiß ich noch nicht; es scheint, sie haben die Komödie weitergesponnen. Aus Aschaffenburg sandte er einen eigenen Boten zum Nürnberger Rat zusammen mit dem Schreiben gegen die Prediger. Diese aber hatten schon ihre Antwort verbreitet, die der Rat zusammen mit jenem Boten zu MOSHAM zurückschickte. Dazu schrieb er, er sei königlicher Rat: vielen scheint es, er sei dieses Amtes zu entledigen gewesen. In der Glaubensfrage kriecht der Krankheitskeim, solange der Kaiser abwesend ist, unaufhörlich weiter und schlägt tiefere Wurzeln: In diesem Jahr hat Graf LUDWIG VON ÖTTINGEN in der Stadt Öttingen das Luthertum ganz angenommen, ebenso sein Bruder Graf KARL in Hornberg (obgleich er seine Herrschaft allein als Faustpfand vom Reich erhielt). Graf MARTIN, der die mittelbare Herrschaft über die Stadt innehat, leistet mannhaft Widerstand. LUDWIG verlangt, daß keiner seiner Untertanen die Messe besucht oder die Predigt eines Priesters hört, den Graf MARTIN angestellt hat. MARTIN wiederum verbietet den Seinen, den lutherischen Prediger anzuhören: dieser ist kein Priester, war vorher Schreiner gewesen, hat Graf LUDWIG einen »Pfaffen« geschimpft. Vor Donauwörth sind Befürchtungen angebracht. Die Amberger haben zwei Prediger entlassen, behalten aber noch den im Spital, der dem Volk die Kommunion unter beiderlei Gestalt reicht. Die Ehefrauen der entlassenen Prediger sind noch in Amberg, hoffen auf deren Rückkehr, weil die Amberger ihnen noch Unterhalt zahlen. Die in Cham wollen den Prediger auf Weisung des Fürsten überhaupt nicht absetzen. Erneut schickten die Lutheraner eine Gesandtschaft nach Heidelberg, um für ihre Prediger etwas zu erbitten. Ich weiß aber nicht, worum es sich handelt. Gegeben in Eichstätt, 4. Dezember 1539. Johannes Eck |