Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 360

Eck an Kardinal Gasparo Contarini
Eichstätt
11-03-1540



Rom Arch Vat, Armar. 62 vol. 37 fol 126 (Autograph Ecks)
FRIEDENSBURG, Beiträge 243f Nr 133


Eck hatte Sadoleto brieflich ermahnt, sich durch seinen Briefwechsel mit den Häretikern von diesen nicht ausnützen zu lassen,da sie, unter ihnen Sturm, Melanchthon und Mosham, diese Briefe zum Schaden von Kirche und Glauben mißbrauchen. Sadoleto schrieb aus Carpentras, daß er zur Zeit nicht in Rom sei; Eck solle daher Contarini schreiben. Er wollte eigentlich ausführlich die deutschen Verhältnisse schildern, hat aber jetzt mitten in der Nacht erfahren, daß die Post in der Frühe abgeholt wird. Der Papst hat Eck von seiner Pension aus der Würzburger Dompropstei zweihundert Gulden abgezogen; das hätte für einen Schreiber und Sekretär ausgereicht. Der nächste Brief wird ausführlicher sein. Contarini soll in Rom dafür sorgen, daß der Spott in öffentlichen Flugschriften über Papst und Kardinäle aufhört, der die Einfältigen ärgert und den Häretikern zuarbeitet. Natürlich kennt Contarini die Schrift des Eusebius »Praeparatio evangelica«. Eck wundert sich, daß der Papst nichts gegen die Universität Wittenberg unternimmt. Auch begreift er nicht das Zögern des wohlinformierten Papstes in der Frage der Eichstätter Propstei, die Bischof Moritz von Hutten beansprucht. Der Bischof bittet den Papst, ihm für zwei Jahre auch die Papstmonate aus der Präbende zuzuwenden, damit er den von den Lutheranern verbannten Priestern Unterstützung gewähren kann. Eck hofft, daß auch für seinen Neffen Schaup etwas herausspringt, den er im nächsten Jahr zum Studium nach Paris schicken will. Über die Glaubensfrage möge Contarini den beiliegenden Brief beurteilen. Eck kann den leichtfertigen Umgang der Kurie mit den Semilutheranern nicht dulden, indes man ihm selbst zweihundert Gulden von der Pension aus der Würzburger Dompropstei abzieht. An Aleander hat Eck einen kürzeren Brief geschrieben, da dieser über die deutschen Verhältnisse gut informiert ist. Eck hofft, Contarini auf dem kommenden Generalkonzil persönlich zu treffen.


S.P. et paratissima obsequia.

Reverendissime pater:
Admonueram incomparabilem virum cardinalem Sadoletum, ne pateretur haereticos abuti bonitate et facilitate sua, ut induceretur ad scribendum eis; nam litteris suis abutuntur malevoli in ecclesiae et fidei praejudicium. Voluerim ut meas litteras Amplitudini Tuae communicaret. Scripserat enim Sturmio, Melanchtoni item et Moshaimero. Novi autem integritatem viri, quod syncere et optimo animo hec fecerit; admonui ut in posterum cautius faceret. Is ex Carpentorato michi scripsit se abesse Roma: negotia fidei Reverendissimae P.T. scriberem, quae esset sic affecta ut ecclesiae statum cuperet videre purgatissimum.

Statueram itaque multis tecum agere super statu ecclesiae Germanicae; sed et tarde nunciatum est mihi abiturum cras mane tabellarium et jam est profunda nox et Sanctissimus Dominus Noster mihi 200 subtraxit aureos ex pensione Herbipolensi, quae suffecisset pro scriba et amanuensi, ut omnia manu mea inter tot occupationes sint exaranda. Proxima posta ero liberalior in litteris scribendis.

Jam hec rogaverim: cohibete pasquillos illos injuriosissimos, quibus diffamantur pontifex cardinales, e quibus scandalisantur simplices et tripudiant haeretici. Olim docta carmina prodibant a pasquillo; modo abutitur sacris litteris, votis spiritus sancti ad jocum, injuriam et infamiam hominum. Nosti Eusebium de praeparatione evangelica etc.: noctuas Athenis.

Dein mirum quod Witenbergensem academiam non detestet et execret papa: hodie promovent doctores autoritate apostolica, confluunt studentes etc.

Sanctissimus Dominus Noster admodum tardat cum Reverendissimo nostro electo in causa praepositurae: satis informatus est pontifex, satis informatum collegium cardinalium, non dico plura.

Petiturus est episcopus electus ut Sanctissimus Dominus Noster per biennium concedat ei etiam mensem pontificium in prebendis, ut exterribus et exulibus sacerdotibus a Luterismo pulsis posset providere. Et hanc causam promoveas velim, licet sciam in hujusmodi concessionibus fallacias committi, scilicet non causam ut causam. Praetextus est bonus; Ratisbona allegatur; at in eventu aliquando non observatur, sed, ut alibi fit, suis servitoribus, pincernis, scribis, senatorum filiis provident. Ideoque episcopo in mense pontificio unum vel alterum adjungerem, quo secundum tenorem bullae procederet, eo salvo quod provideretur Eckii nepos, quem totum theologiae dabo et proximo anno ad Parrhisios destinare intendo.

Postremo inclusi negotium fidei, ut ex scripto intelliges, quod tuo tamen offero judicio; nam illam facilitatem sedis apostolicae in Semiluderanos non probo.

Miror cur in me semper fuerit difficilis, ut papa noster Paulus non me judicaverit dignum praepositura et ex pensione, quae inter partes convenerat, michi 200 detraxerit florenos.

Utinam liceret biduo te alloqui super negotio fidei et statu ecclesiae. Aliqua, sed pauca scripsi Reverendissimo patrono meo cardinali Brundusino, ut qui non parum novit res Germanicas.

Lassus me commendo Reverendissimae P.T., quam Deus servet incolumem, ut his oculis possem eam intueri in generali concilio, unde totus status ecclesiasticus ubivis gentium periclitabit.

Vale et salve amplissime pater.

Ex Eichstet, quo propter pestem Ingolstadicum confugi, 11 marcii anno gratiae 1540.

Gruß und Dienstbereitschaft!

Hochwürdigster Vater:
Ich hatte den unvergleichlichen Herrn Kardinal SADOLETUS ermahnt, nicht zu dulden, daß die Häretiker seine Güte und Umgänglichkeit mißbrauchen, indem sie ihn veranlaßten, ihnen zu schreiben; denn sie mißbrauchen übelwollend seine Briefe zum Schaden für Kirche und Glauben. Ich wollte, daß er Euch meinen Brief zeigt. Er hatte nämlich an STURM, MELANCHTHON und MOSHAM geschrieben. Ich kenne auch die Integrität SADOLETS, daß er das mit ernster und bester Absicht getan hat. Ich mahnte ihnn, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Er schrieb mir aus Carpentras, daß er nicht in Rom weile; ich solle Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit schreiben, da Ihr so engagiert seid und begehrt, den Zustand der Kirche gründlich bereinigt zu sehen.

Ich beschloß daher, mich mit Euch über den Zustand der deutschen Kirche auszutauschen; es ist mir aber erst spät gemeldet worden, daß mein Bericht schon morgen früh abgeht und wir doch schon tiefe Nacht haben und der Heilige Vater  mir zweihundert Gulden aus der Würzburger Pension entzogen hat, die für einen Schreiber und Sekretär ausgereicht hätte, so daß ich bei all meinen so vielen Beschäftigungen auch noch alles mit eigener Hand schreiben muß. Bei der nächsten Post werde ich freigebiger im Schreiben sein.

Darum aber möchte ich gebeten haben: hindert jene sehr beleidigenden Spottgedichte des Pasquills, durch die Papst und Kardinäle verlästert werden, ein Skandal für die einfachen Seelen, über den die Häretiker sich diebisch freuen. Einst brachte der Pasquill gelehrte Gedichte hervor; heute wird die Heilige Schrift mißbraucht, die Gelübde im Heiligen Geist der Belustigung, dem Unrecht und der Infamie der Menschen ausgeliefert. Ihr kennt doch die Schrift des EUSEBIUS: »Vorbereitung auf die Evangelien« usf.: Ich trage hier »Eulen nach Athen«!

Ich wundere mich fernerhin, daß der Papst die Universität Wittenberg nicht antastet und exkommuniziert: man promoviert dort heute Doktoren mit apostolischer Autorität; der Zustrom der Studenten nimmt ständig zu usf.

Unser Heiliger Vater zögert gegenüber unserem gewählten Bischof in der Sache der Propstei: der Papst und die Kardinäle sind bestens informiert: mehr sage ich nicht dazu!

Unser gewählter Bischof bittet darum, daß der Heilige Vater ihm für zwei Jahre auch den Papstmonat für seine Präbenden gewähre, um sich um die vom Luthertum vertriebenen heimatlosen und exilierten Priester kümmern zu können. Diese Sache möchtet Ihr bitte voranbringen, obgleich ich weiß, daß bei derartigen Konzessionen Betrügereien vorkommen. Die Sache wird nicht als solche behandelt, wenn der Vorwand etwas taugt: man denke an Regensburg! Bei der Durchführung wird manchmal nicht acht gegeben, sondern, wie es auch anderswo geschieht, für die Dienerschaft, Mundschenke, Schreiber, die Söhne der Räte vorgesorgt. Ich würde daher dem Bischof im Papstmonat das eine oder das andere einräumen, damit er in Übereinstimmung mit der Bulle vorgehen kann, zum Beispiel daß dadurch auch mein Neffe versorgt würde, den ich Theologie studieren lassen werde und den ich im kommenden Jahr nach Paris schicken will.

Ich habe Euch eine Schilderung über den Glaubensstreit beigelegt, wie Ihr selbst aus dem Schreiben ersehen werdet. Ich lege es Eurem Urteil vor, denn ich billige die Leichtgläubigkeit des apostolischen Stuhls gegenüber den Semilutheranern nicht.

Ich wundere mich, weshalb ich immer Schwierigkeiten habe, so daß mich zum Beispiel Papst PAUL III. nicht der Propstei für würdig erkannt hat und mir von der Pension, der er als Ganzer zugestimmt hatte, zweihundert Gulden abgezogen hat?

Wenn es doch möglich wäre, Euch binnen zweier Tage über die Glaubensfrage und den Zustand der Kirche anzusprechen. Ich habe etwas darüber, aber in kurzer Form, meinem Patron Kardinal ALEANDER geschrieben, der die Situation in Deutschland recht gut kennt.

Todmüde empfehle ich mich jetzt Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit, die Gott unversehrt bewahren möge, um Euch mit eigenen Augen auf dem Generalkonzil sehen zu dürfen. Aber unsere Sünden sind so groß, daß die Welt des Konzils nicht würdig ist. Daher wird das Gefüge der Kirche überall in der ganzen Welt aufs Spiel gesetzt.

Lebt wohl, erlauchter Vater.

Aus Eichstätt, wohin ich wegen der Pest in Ingolstadt geflohen bin, am 11. März im Jahr der Gnade 1540.