Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 373

Eck an Giovanni Morone
Ingolstadt
28-02-1541



Mailand Bibl Ambrosiana, cod. O. 230 sup. fol 197 (Autograph)
FRIEDENSBURG, Beiträge 263f Nr 139


Eck hat das Zeugnis über die Wiedereinsetzung des Georg Amman in sein Priesteramt erhalten. Er ist nicht schuld daran, daß die Schriften des Pighius jetzt nicht erscheinen dürfen. Dieser sollte aus Klugheit selbst nicht wünschen, daß sie erscheinen. Es ist ein Laster der Deutschen, überstürzt Bücher zu veröffentlichen. Eck selbst hat stets einige Buchprojekte, ediert aber nur nach Bedarf und Nutzen; er hält es so seit zwanzig Jahren. Wenn Contarini in Worms eingetroffen ist, möchte Eck hinzustoßen, nicht um sich aufzudrängen, sondern um seinen Rat anzubieten. Leider hat man den Konstanzer Weihbischof Dr. Melchior Vattlin nicht eingeladen, der in den sieben katholischen Kantonen der Eidgenossenschaft wie ein Apostel verehrt wird. Morone soll versuchen, von Granvella zu erfahren, wie dieser sich das Vorgehen in Worms oder anderswo denkt. Er legt für Morone das Thesenblatt einer Ingolstädter Doktorpromotion bei.




S.P. et omne bonum.

Reverendissime pater et patrone observantissime:

Accepi testimoniales literas restituti d. Georgii Amman et profecto magni beneficii loco accepi. Spero me habiturum intercessorem apud illum virum, et omnes habituri sunt qui hoc negotium promoverunt.

De d. Albrechto Pighio non attinet plura dicere, cum ei perspecta sit mea innocentia cur inhibiti sunt libri ne edat. Et profecto pro sua prudentia nec ipse debebat optare ut ederentur.

De reliquis materiis minor cura:
de articulo concordato nulla fuit movenda nova quaestio.

At hoc vicium est nobis Germanis ut simus praecoces in edendo nec ursino more lambimus, multo minus in nonum premimus annum.

Ego certe plura habeo etiam elaborata in materiis controversis in faetura; at illa non edo nisi cum judicio ut prosint. Jam 20 annis volvo hoc saxum; nihil edidi nisi quae mihi videbantur necessaria, scilicet de primatu Petri, de penitentia et partibus ejus, de sacrificio missae, de purgatorio, sermones de tempore, sanctis, sacramentis et decem praeceptis et ultimo quoddam enchiridion locorum communium: alia extra ordinem nisi pauca.
Et de his plura coram.

Quam primum intellexero Reverendissimum cardinalem a Contarenis venisse, virum tantum, tam reverendum et omnibus modis suscipiendum, continuo adero. In presentia tua consultabimus, non quod ego me ingeram tanto consilio, sed pro meo debito servitio et obsequio in sedem apostolicam et ecclesiam catholicam omnia paratus sum facere et suggerere vobis. Nam certum est hic plurimum valere eruditionem in negotio, in quo commilitones mei plurimi possent prodesse; at omnia superat prudentia et rerum agendarum industria, quam tu cum Reverendissimo domino legato praestabis.

Quam vellem vos apostolicos nosse homines huic negotio oportunos. Neglectus fuit doctor Melchior suffraganeus Constantiensis et decanus capituli. Ob virtutes suas et eruditionem is esset utilior quam quattuor aut quinque alii theologi. Is est qui novit omnem practicam Zvinglianorum ad lacum arrodendum. Is est quem observant septem cantones Svitzerorum catholici ut apostolum; valet calamo egregie, declamat ad populum etc., et quem nemo odit nisi mulus.

Reverendissima P.T. inquirat diligenter ab Illustri domino a Granvella de modo procedendi, an iste Wormaciensis sit continuandus aut alius. At haec omnia coram melius et fidelius.

Ingolstadii pridie Kal Marcii 1541.

E.R.P. deditissimus
J. Eckius.

Mitto schedas, ut ideam videas disputationum nostrarum pro doctoratu.

Gruß und alles Gute!

Hochwürdigster Vater und Gehorsam verdienender Patron:

Ich habe das briefliche Zeugnis über die Wiedereinsetzung GEORG AMMANNS erhalten: wahrhaft eine große Wohltat! Ich hoffe, ich werde in diesem Mann einen großen Fürsprecher haben, und daß es allen so ergeht, die diese Sache vorangetrieben haben.

Über ALBERT PIGGE gibt es nicht mehr zu sagen, da ihm meine Unschuld daran, daß seine Bücher nicht gedruckt werden dürfen, bekannt sein müßte. Auch er selbst sollte aus Klugheit wünschen, daß sie nicht gedruckt werden.

Über die übrigen Streitobjekte mache ich mir geringere Sorge:
Über den Artikel, in dem wir überein gekommen sind, war keine neue Frage aufzuwerfen.

Das ist bei uns Deutschen überhaupt eine Unart, überstürzt Bücher zu veröffentlichen und nicht »wie ein Bär zu lecken«, geschweige denn »bis zum neunten Jahr« eine Schrift »zurückzuhalten.«

Bei mir selbst ist gewiß schon vieles bereits Ausgearbeitete über die Kontroversfragen in Vorbereitung; ich gebe das aber erst heraus, wenn ich seinen Nutzen beurteilen kann: Schon zwanzig Jahre »wälze ich diesen Stein«. Nichts habe ich veröffentlicht, es sei denn, es erschien mir nützlich; so zum Beispiel »De Primatu Petri«, »De paenitentia et eius partibus«, »De sacrificio missae«, »De purgatorio«, die Predigten zum Kirchenjahr, über die Heiligen, die Sakramente und die Zehn Gebote und schließlich das »Enchiridion locorum communium«, anderes außer der Reihe nur weniges.
Auch darüber mehr persönlich.

Sobald ich erfahre, daß der hochwürdigste Kardinal CONTARINI angekommen ist, jener bedeutende, verehrenswerte und in jeder Hinsicht vorbildliche Mann, werde ich sogleich zu Euch kommen. In Eurer Gegenwart werden wir uns beratschlagen, nicht um mich in diese große Sache einzumischen, sondern aufgrund meines geschuldeten Dienstes und Gehorsams gegen den apostolischen Stuhl und die katholische Kirche bin ich bereit, alles zu tun und Euch Rat zu geben. Denn es ist sicher, daß hierzu viel Gelehrsamkeit vonnöten ist in einer Sache, in der viele meiner Mitstreiter von Nutzen sein können: alles aber überragt die Klugheit und der Tatendrang, die Ihr zusammen mit dem hochwürdigsten Herrn Legaten an den Tag legen werdet.

Ich möchte so sehr, daß Ihr Apostel kennen lernen möchtet, die für diese Aufgabe geeignet sind. Unbeachtet blieb bisher Doktor MELCHIOR VATTLI, der Weihbischof von Konstanz und Dekan des Kapitels: wegen seiner Tugenden und seiner Gelehrsamkeit wäre er nützlicher als vier oder fünf andere Theologen; er weiß, daß die ganze Praxis der Zwinglianer anmaßend ist; ihn betrachten die sieben katholischen Kantone der Schweiz als Apostel; er beherrscht ausgezeichnet die Feder, predigt dem Volk usf.; keiner haßt ihn außer er wäre ein Esel.

Eure hochwürdigste Väterlichkeit möge sorgfältig die vom erlauchten Herrn GRANVELLA vorgelegte Verfahrensordnung prüfen, ob man bei der von Worms bleiben solle oder eine andere schaffen. Auch das alles soll besser und genauer unter vier Augen besprochen werden.

Ingolstadt, 28. Februar 1541.

Ich schicke ein paar Thesenblätter, damit Ihr seht, wie bei uns Doktordisputationen ablaufen.