Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 380

Nikolaus Ellenbog an Eck
Ottobeuren
24-04-1541


Paris BN ms lat 9643, 3 Nr 86, fol 117v-118
CCath 19/21 (Münster 1938) 432f Nr 86


Das Buch, das Eck gegen Osiander geschrieben und Ellenbog als Geschenk zugeschickt hat, ist gut bei diesem eingetroffen. Sein langes Schweigen erklärt sich daraus, daß er schwer unter seiner Gicht zu leiden hatte. Die Lektüre des Buches bereitet ihm immer größeren Genuß. Bewundernswert ist Ecks Bescheidenheit, mit der er gegen Osiander geschrieben hat, den er mit Recht einen kindischen Prädikanten nannte. Umso erstaunlicher ist es, daß eine so kluge und angesehene Institution wie der Rat von Nürnberg diesem seichten Verführer im Glauben anheimgefallen ist. Ecks Buchhändler hat wohl wegen Schulden schon vor Jahresfrist nach Kaufbeuren ausweichen müssen. Ellenbog hat bei ihm eine Ausgabe der Briefe des Erasmus erworben, jedoch war ein Quaternio unvollständig; sein Versprechen, das Fehlende bald nachzuliefern, hat er nicht gehalten. Eck möge persönlich oder durch seinen Famulus etwas nachhelfen.


Frater Nicolaus Ellenbog doctori Iohanni Ekio S.D.

Humanissime vir idemque in doctis praeclarissime:
Libellum, quem adversus Osandrum scripsisti et michi dono misisti, probe mihi redditum noveris. Facis tu pro antiqua nostra necessitudine nec amicicie veteris oblivio te capit. Poterat plane temporis (quo omnia intereunt) iniuria memoria Elenbogii apud te obliterari, maxime quum diutino silencio intercedente aures tuas literis non vellicaverim.

Sed crede michi, vir humanissime, quia plus iusta quam volebam causa ad diuturnum hoc silencium me adegit, corporis scilicet imbecillitas et manuum paralisis, quae ad emittendas literas, insuper et ad dictanda meo Marte qualiacumque michi plurimum incommodant.

Gratias et habeo et ago tue humanitati; perlegi autem libellum tuum perpetua lectione et quidem maxima voluptate; nescio enim, qui fiat, ut ea, quae tua culina parantur, ad stomachum meum faciant vel maxime. Si ad Osandri stomachum non faciunt, mirum non est; aegrotat enim et tenacissimo haereticae pravitatis phlegmate totus oblinitus est. Experimur autem quotidie, quam eciam optimos quosque cibos fastidiant orificium stomachi malis repletos habentes humoribus. Caeterum tuam laudo modestiam, qui toto illo libello tui fueris similis nec ad convicia prolapsus. Infantum praedicatorem non iniuria eum appellitas; de infantum enim naevo infantiliter inperiteque sentit et scribit. Miror eciam, et quidem amplius quam literis testari possim, Nierenbergensem senatum hactenus habitum prudentissimum a tam levi homine et christianae fidei adversario infantiliter seduci. Sed alia est prudencia divina, alia humana; infatuat Deus prudentes seculi, »ut non glorietur omnis caro.« Sed de hoc satis.

 Annus iam praeteriit, quando bibliopola vester aere, ut apparet, alieno gravatus domi tuto residere non potuit, ad Kaufbeiren se recipit. Emi ego ab eo opus epistolarum Erasmi, sed defectuosum in uno quaternione; bona fide promisit sarcire se velle brevi, quae desunt; sed nuda verba sunt; gratissimum michi feceris, si vel per famulum tuum eum admoneas, ut promissa praestet et fidem redimat.

Vale faeliciter, doctissime vir.

Ottenpurrhae festo sancti Georgii martyris 1541.

Bruder Nikolaus Ellenbog entbietet Doktor Johannes Eck seinen Gruß!

Lieber, sehr gelehrter Freund:
Das Buch, das ihr gegen OSIANDER geschrieben und mir als Geschenk übersandt habt, ist mir - das sollt Ihr wissen - wohlbehalten überreicht worden. Ihr handelt gemäß unserer alten Beziehung und vergeßt unsere alte Freundschaft nicht! Es konnte ja durch die Ungerechtigkeit der Zeit (die alles vergehen läßt) auch die Erinnerung an Ellenbog bei Euch in Vergessenheit geraten sein, zumal ich durch mein langes Schweigen in der Zwischenzeit nicht brieflich Euch zu Ohren gekommen bin.

Aber glaubt mir, mein Freund, daß mich eine begründetere Ursache, als ich wollte, zu diesem langen Schweigen gezwungen hat, nämlich die Schwäche meines Leibes und die Gicht an den Händen, die mich am Versand von Briefen und auch am Diktieren verschiedener Dinge sehr behindern.

Ich empfinde gegen Euch warmen Dank; auch lese ich Euer Buch Seite für Seite durch und das mit höchstem Vergnügen. Ich weiß nicht, wie es kommt, daß das, was Eure Küche zubereitet, meinem Magen so gut, ja sehr bekommt. Wenn das für OSIANDERS Magen nicht zutrifft, so wundert mich das nicht. Er kränkelt nämlich und ist von dem zähen Schleim der häretischen Bosheit überladen. Auch erfahren wir täglich, daß auch beste Speisen, sobald sie mit schlechten Säften durchsetzt sind, im Magen Ekel erzeugen können. Im übrigen lobe ich Eure Bescheidenheit, daß Ihr Euch in jenem Buch treu bleibt und nicht zu Beleidigungen greift. Ihr bezeichnet ihn nicht grundlos als kindischen Prediger. Über kindliche Narreteien denkt er in kindischer und unwissender Manier nach und schreibt es dann nieder. Ich wundere mich auch und das mehr als ich in einem Brief darlegen kann, daß der Nürnberger Rat, den ich bislang für sehr klug gehalten habe, sich von einem so leichtfertigen Menschen und Widersacher des christlichen Glaubens in kindischer Weise hinter das Licht führen läßt. Aber göttliche und menschliche Weisheit sind zweierlei Dinge. Gott betört die Klugen dieser Welt, »damit sich alles Fleisch nicht rühmen möge«. Aber genug davon!

Ein Jahr ist vergangen, daß Euer Buchhändler, wohl von Schulden bedrückt, nicht mehr ein einem eigenen Hause residieren konnte und sich nach Kaufbeuren zurückzog. Ich habe beim ihm das Briefwerk des ERASMUS gekauft, aber eine Lage fehlt. Guten Gla8bens versprach er ir, das Fehlende in Kürze zun ersetzen: es sind aber leere Worte. Ihr würdet mir einen großen Gefallen tun, wenn Ihr ihn vielleicht durch Euren Sekretär ermahnen wolltet, daß er zu seinem Versprechen steht und das Vertrauen in ihn rechtfertigt.

Alles Gute, gelehrter Freund.

Ottobeuren, am Festtag des heiligen Märtyrers Georg 1541.