Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 387

Eck an Christoph Madruzzo, B. von Trient
Ingolstadt
16-09-1541


Widmung Ecks, in: Ains Judenbuechlins verlegung. Ingolstadt, A. Weissenhorn 1541 = METZLER Nr 93(1) (Trient Bibl)

Eck berichtet, wie er während eines Krankheitsaufenthaltes in Eichstätt 1540 von einem Kindermord durch Juden am Sonntag Judica erfahren hat. Auf Veranlassung des Bischofs von Eichstätt haben Nachforschungen und Verhöre unter den Juden stattgefunden, wobei eine gedruckte Schrift gefunden wurde, in der die Juden von dem Vorwurf des Kindermordes in Schutz genommen werden. Das Vorgehen gegen die Juden beruhe allein auf sozialem Neid gegenüber ihrem Reichtum. Der fürstliche Hofmeister Albrecht von Leonrod hat Eck das Buch zugespielt, um es einer Prüfung zu unterziehen, ob die darin enthaltenen Behauptungen zuträfen. Eck weist die Vorwürfe des "Judenvaters", des Nürberger lutherischen Prädikanten Osiander, gegenüber der christlichen Obrigkeit, den Juden geschehe von Seiten der Christen bitteres Unrecht, mit Empörung zurück und legt zu diesem Zweck eine Widerlegungsschrift vor. Angemessen ist es für ihn, diese dem neuen Trienter Bischof Madruzzo zu widmen, einmal im Gedenken an dessen Vorgänger, dem verstorbenen Patron Ecks Bischof Bernhard von Cles und dem Vetter des neuen Bischofs, dem Hofmeister Gaudentius von Madruzzo, dem Eck zu großer Dankbarkeit verpflichtet ist, und wegen der Sorgfalt, mit der in Trient der Prozeß wegen Judenmordes an dem Christenkind Simeon vor Erzherzog Sigmund und sogar in Rom vor Papst und Kardinalskollegium geführt worden ist.




Dem hochwürdigen Fürsten und herren, herren Christopheln von Madrutz Bischove der alten kirchen zu Trient, meinem gnädigen herren und patron.

Winsch ich seiner F.G. frid und gnad Christi, mit erbietung meiner gebüerender underthäniger dienst.

Gnädiger herr: Wie ich verganges jars von des sterbends wegen mich von Ingoldstat than hab gen Eistett, hat sich ain böß mordt zutragen, das ain knab vierthalb jar alt mit namen Michel, deß Georgenn Pisenharters zu Zapenfeld sun, ist verloren worden am Sontag Judica, vierzehen tag vor Ostern, und ist gefunden worden am freitag nach Ostern durch den hirten von Gern durch scharrung des hunds, dann das kind mit vil dirrem laub ist zu gedeckt gewesen, und wie man das kind meinem G.H., dem new erwölten Bischove zu Eistet gebracht, hat sein F.G. neben sein Räten auch die wundartzt, balbierer und bader das kind besichten lassen, das erbärmlich an allen seinen leib zerflaischt war, und sach man vil stich am leib, in dem dann das flaisch au0geschnitten war, das man die stich nit sehen solt; auch war ihm ain + creützlin geschnitten auff der gerechten achsel, und die vorhaut an seinem manlichen glid abgeschnitten, das also auß allen umstenden ain grosser verdacht fiel auf die Juden, die sollich kinder mordt vor an andern enden auch gethan haben:

und auff meine G.H. von Eistett ansuchen haben all weltlich oberkait herum hinder den Juden gesessen, die selbigen gen Eistet geschaft über das kind, ob GOTT den morder anzaigen wurd, wie vor oft geschähen; und den selbigen Juden seind auch dahin geschickt worden zwen, die hinder dem Edlen und Strengen Herren Haugen von Parsperg Ritter und pfleger zu Sultzbach gesessen: die haben meine G.H. von Eistet Räthen ain truckte büchlin überantwurt von ainem Christen geticht, der mit vil losen außreden und unnützem geschwetz trungklich beschluißt, und er sey deß gewiß, das den Juden in disem fal unrecht geschehe, wiewol er erwigt den handel hoch, dann aintweder die Juden erwürgen der Christen kinder aufs aller greülichst, oder aber die Christen erwürgen die Juden unschuldigklich aufs aller schändtlichst, und entlich spricht er, er halts darfür und zweivel nit, es geschähe den Juden unrecht: ihr reichtumb gebe ursach darzu, nach ihrem sprichwort: »Ein reicher Jud und armer Edelman seind nit gut bey ainander«.

Solchs büchlin hat mir der edel und vest Albrecht von Leonrod fürstlicher hofmaister zu gestelt, das ich doch sehe, ob der tichter ain grund seins fürnemmen hett. Das hab ich in der eil gethan zu Ehr der Christenhait und der Christlichen Oberkait, die der Judenvater zu hon und spot unsers glaubens beschuldigt, als thüen sie den Juden unrecht wider das göttlich, natürlich und geschriben recht, so doch er der oberkait und richtern, Künigen, Fürsten, Herren und Burgern sollich tyrranney fälschlich zu mißt und jederman schmächt, allain das er die Juden schön darunder mach, wie ich dann sein gefärbte, untüchtig, kunstlose, seicht gelerte ursachen und vermutungg hie mit gruntlich, gewaltig unnd mit bestendiger warhait, historien und geschriften umbstoß. Hab das auch gern than über obangezaigten ursachen, das sich der tichter offenlich hören laßt, er sey ain luterischer predicant, ob doch GOTT ain mal den fürsten, herrschafften, stetten die augen auff thett das sie erkanten, mit was lugen, Gotslesterung ihr Predicanten umb gand und den bösen baum erkenten an seinen bösen früchten, an schmähen, aufrur machen, an aller leichtfertigkait etc., wie ich in mein predig und andern büechern nach der leng anzaig.

So ich aber diß mein schreiben in truck gib, hab ich das niemants meins erachten billicher zugeschriben dann E.F.G. Nit allain das jr seit zu Bischoff erwölt worden an stat meins gnädigsten Herren Cardinals Bernhart von Glöß hochloblicher gedächtnus, der ob zwaintzig jaren mein gnädiger Herr und Patron gewesen und mir vil gnad bewisen hat, und wa er im leben bliben, noch merer gnad bewisen het. Nit allain auch darumb, das E.F.G. Vatter Herr Gaudentz von Madrutz Ritter und weilandt hofmaister hochgemelts Cardinals mir alweg sonderlichen freuntlichen genaigten willen erzaigt hat, sonder hat mich vil mer bewegt, das in ewers Bisthums hauptstat in Trient so treffenlich und mit so hohem fleiß ist gehandelt worden die sach S. Simeon des unschuldigen kindlin nit allain zu Trient unnd vor Fürstlicher durchleüchtigkait Ertzhertzog Sigmund von Ostereich, sonder auch zu Rhom vor vil gesetzten richtern und auch vor Bäpstlicher hayligkait selbs und vor der hailigen versamlung.

Bit hierauf E.F.G. geruche diß ringschetzig büechlin annemmen in gnaden und als mein memorial, deren ich mich underthänigklich befilch mit erbietung, was ich dienstlich E.F.G. in ihrem Bischoflichen ampt erzaigen künde, das ich das thett begirlich und mit höchstem fleiß. Mich deren hiemit befelhend.

Datum Ingolstat am 16. September Anno gratiae MDXLI.

Dem hochwürdigsten Fürsten und Herrn, Herrn Christoph von Madruzzo, Bischof der alten Kirche von Trient, meinem gnädigsten Herrn und Patron!

Ich wünsche Eurer Fürstlichen Gnaden den Frieden und die Gnade Christi und erbiete mich zu gebührendem, untertänigem Dienst.

Gnädiger Herr: Als ich im vergangenen Jahr mich wegen der Pest von Ingolstadt nach Eichstätt begab, geschah ein schrecklicher Mord: ein viereinhalbjähriger Knabe mit Namen MICHAEL, Sohn des GEORG PISENHEUTER aus Zugenfeld, verschwand am Sonntag Judica, vierzehn Tage vor Ostern. Er wurde am Freitag nach Ostern durch den Hirten von Gern aufgrund des Scharrens seines Hundes aufgefunden: das Kind war mit dürrem Laub zugedeckt. Als man das Kind meinem Gnädigen Herrn, dem neu gewählten Bischof von Eichstätt, brachte, hat Seine Fürstliche Gnaden außer seine Räte auch Ärzte, Haarpfleger und Bader das Kind anschauen lassen; dieses war am ganzen Leib erbärmlich zerfleischt; man sah auch viele Stiche im Leib: man hatte das Fleisch herausgeschnitten, damit man die Stiche nicht sehen sollte. Auf der rechten Schulter war ihm ein kleines Kreuz eingeritzt und an seinem männlichen Glied die Vorhaut abgeschnitten. Somit fiel aus diesen Umständen ein großer Verdacht auf die Juden, die vorher solche Kindermorde auch anderen Orts begangen haben.

Auf Ersuchen meines Gnädigen Herrn von Eichstätt hat die weltliche Obrigkeit der Umgegend die Juden gefangen nach Eichstätt zu dem Kind geschafft, um zu prüfen, ob Gott den Mörder offenbaren würde, wie es schon oft geschehen ist. Darunter waren zwei Juden, die der edle und gestrenge Herr HUGO VON PARSBERG, Ritter und Pfleger zu Sulzbach, mitgebracht hatte; diese haben den Räten meines Gnädigen Herren von Eichstätt ein gedrucktes Buch übergeben, das von einem Christen abgefaßt war: dieser hatte mit losen Ausreden und nutzlosem Geschwätz behauptet, er sei sicher, daß den Juden hier Unrecht geschehe. Er spielt die Sache hoch: entweder erwürgen nämlich die Juden die Kinder der Christen in greulichster Weise oder aber die Christen erwürgen die Juden unschuldig aufs allerschrecklichste. Schließlich schreibt er, er habe keinen Zweifel, daß den Juden Unrecht geschehe. Ihr sprichwörtlicher Reichtum sei der eigentliche Grund dafür: »Ein reicher Jude und ein armer Edelmann vertragen sich nicht.«

Dieses Buch hat mir der fürstliche Hofmeister ALBRECHT VON LEONROD zugestellt, damit ich prüfe, ob der Verfasser Grund für seine Behauptung habe. Ich tat das eilig um der Christenheit und der christlichen Obrigkeit willen, die dieser Verteidiger der Juden zum Hohn und Spott unseres Glaubens beschuldigt, sie täten den Juden Unrecht gegen alles göttliche, natürliche und geschriebene Recht. Schreibt er doch der Obrigkeit, den Richtern, Königen, Fürsten, Herren und Bürgern solche Tyrannei fälschlich zu und schmäht jedermann, nur um den Juden schön zu reden: so habe ich seine geschönten, kraftlosen, ungehobelten und wenig gelehrten Begründungen und Vermutungen hier gründlich, kraftvoll und mit unverrückbarer Wahrhaftigkeit mit Hilfe von Geschichtsschreibern und gelehrten Schriften umgeworfen. Ich habe das auch über die oben genannten Gründe hinaus gern getan, da sich der Verfasser offen dazu bekennt, ein lutherischer Prädikant zu sein, damit Gott einmal den Fürsten, Herrschaften und Städten die Augen öffne, um zu erkennen, welcher Lügen und Gotteslästerung ihre Prädikanten sich bedienen und um den bösen Baum an seinen bösen Früchten, an den Schmähungen, Anstiften von Aufruhr, leichtfertigem Verhalten usf. zu erkennen, wie ich es in Predigten und weiteren Schriften ausführlich darlege.

Jetzt bei der Drucklegung dieses meines Schreibens habe ich gemeint, es werde keinen anderem angemessener gewidmet als Eurer Fürstlichen Gnaden, nicht nur, weil Ihr anstelle meines gnädigen Herrn Kardinals BERNHARD VON CLES lobenden Gedächtnisses zum Bischof bestellt worden seid: dieser war seit zwanzig Jahren mein gnädiger Herr und Patron gewesen und hat mir viel Gunst erwiesen; hätte er länger gelebt, hätte er mir noch mehr Gnaden gewährt. Auch deshalb, weil der Vater Eurer Fürstlichen Gnaden, GAUDENTIUS VON MADRUZZO, Ritter und einst Hofmeister des genannten Kardinals, mir gegenüber stets besonders freundlich und geneigt gewesen ist. Sehr viel mehr aber hat mich bewogen, daß in der Hauptstadt Eurer Diözese in so sorgfältiger Weise die Sache des unschuldigen Kindes S. SIMON behandelt worden ist, und zwar nicht nur in Trient und vor dem erlauchten Fürsten SIGISMUND, Erzherzog von Österreich, sondern auch in Rom in Gegenwart zahlreicher bestellter Richter, und auch in Gegenwart des Heiligen Vaters, des Papstes und des Kardinalskollegiums.

Ich bitte nun, Eure Fürstlichen Gnaden möge geruhen, das geringe Büchlein in Gnaden anzunehmen und als Gegenstand der Erinnerung: ich empfehle mich untertänig und erbiete Eurer Fürstlichen Gnaden meine Dienstbereitschaft, falls diese Euch in Eurem bischöflichen Amt von Nutzen sein kann: ich empfehle mich Euch hiermit.

Gegeben zu Ingolstadt am 16. September im Jahr der Gnade 1541.



Dem hochwürdigen Fürsten und herren, herren Christopheln von Madrutz Bischove der alten kirchen zu Trient, meinem gnädigen herren und patron.

Winsch ich seiner F.G. frid und gnad Christi, mit erbietung meiner gebüerender underthäniger dienst.

Gnädiger herr: Wie ich verganges jars von des sterbends wegen mich von Ingoldstat than hab gen Eistett, hat sich ain böß mordt zutragen, das ain knab vierthalb jar alt mit namen Michel, deß Georgenn Pisenharters zu Zapenfeld sun, ist verloren worden am Sontag Judica, vierzehen tag vor Ostern, und ist gefunden worden am freitag nach Ostern durch den hirten von Gern durch scharrung des hunds, dann das kind mit vil dirrem laub ist zu gedeckt gewesen, und wie man das kind meinem G.H., dem new erwölten Bischove zu Eistet gebracht, hat sein F.G. neben sein Räten auch die wundartzt, balbierer und bader das kind besichten lassen, das erbärmlich an allen seinen leib zerflaischt war, und sach man vil stich am leib, in dem dann das flaisch au0geschnitten war, das man die stich nit sehen solt; auch war ihm ain + creützlin geschnitten auff der gerechten achsel, und die vorhaut an seinem manlichen glid abgeschnitten, das also auß allen umstenden ain grosser verdacht fiel auf die Juden, die sollich kinder mordt vor an andern enden auch gethan haben: und auff meine G.H. von Eistett ansuchen haben all weltlich oberkait herum hinder den Juden gesessen, die selbigen gen Eistet geschaft über das kind, ob GOTT den morder anzaigen wurd, wie vor oft geschähen; und den selbigen Juden seind auch dahin geschickt worden zwen, die hinder dem Edlen und Strengen Herren Haugen von Parsperg Ritter und pfleger zu Sultzbach gesessen: die haben meine G.H. von Eistet Räthen ain truckte büchlin überantwurt von ainem Christen geticht, der mit vil losen außreden und unnützem geschwetz trungklich beschluißt, und er sey deß gewiß, das den Juden in disem fal unrecht geschehe, wiewol er erwigt den handel hoch, dann aintweder die Juden erwürgen der Christen kinder aufs aller greülichst, oder aber die Christen erwürgen die Juden unschuldigklich aufs aller schändtlichst, und entlich spricht er, er halts darfür und zweivel nit, es geschähe den Juden unrecht: ihr reichtumb gebe ursach darzu, nach ihrem sprichwort: »Ein reicher Jud und armer Edelman seind nit gut bey ainander«.

Solchs büchlin hat mir der edel und vest Albrecht von Leonrod fürstlicher hofmaister zu gestelt, das ich doch sehe, ob der tichter ain grund seins fürnemmen hett. Das hab ich in der eil gethan zu Ehr der Christenhait und der Christlichen Oberkait, die der Judenvater zu hon und spot unsers glaubens beschuldigt, als thüen sie den Juden unrecht wider das göttlich, natürlich und geschriben recht, so doch er der oberkait und richtern, Künigen, Fürsten, Herren und Burgern sollich tyrranney fälschlich zu mißt und jederman schmächt, allain das er die Juden schön darunder mach, wie ich dann sein gefärbte, untüchtig, kunstlose, seicht gelerte ursachen und vermutungg hie mit gruntlich, gewaltig unnd mit bestendiger warhait, historien und geschriften umbstoß. Hab das auch gern than über obangezaigten ursachen, das sich der tichter offenlich hören laßt, er sey ain luterischer predicant, ob doch GOTT ain mal den fürsten, herrschafften, stetten die augen auff thett das sie erkanten, mit was lugen, Gotslesterung ihr Predicanten umb gand und den bösen baum erkenten an seinen bösen früchten, an schmähen, aufrur machen, an aller leichtfertigkait etc., wie ich in mein predig und andern büechern nach der leng anzaig.

So ich aber diß mein schreiben in truck gib, hab ich das niemants meins erachten billicher zugeschriben dann E.F.G. Nit allain das jr seit zu Bischoff erwölt worden an stat meins gnädigsten Herren Cardinals Bernhart von Glöß hochloblicher gedächtnus, der ob zwaintzig jaren mein gnädiger Herr und Patron gewesen und mir vil gnad bewisen hat, und wa er im leben bliben, noch merer gnad bewisen het. Nit allain auch darumb, das E.F.G. Vatter Herr Gaudentz von Madrutz Ritter und weilandt hofmaister hochgemelts Cardinals mir alweg sonderlichen freuntlichen genaigten willen erzaigt hat, sonder hat mich vil mer bewegt, das in ewers Bisthums hauptstat in Trient so treffenlich und mit so hohem fleiß ist gehandelt worden die sach S. Simeon des unschuldigen kindlin nit allain zu Trient unnd vor Fürstlicher durchleüchtigkait Ertzhertzog Sigmund von Ostereich, sonder auch zu Rhom vor vil gesetzten richtern und auch vor Bäpstlicher hayligkait selbs und vor der hailigen versamlung. Bit hierauf E.F.G. geruche diß ringschetzig büechlin annemmen in gnaden und als mein memorial, deren ich mich underthänigklich befilch mit erbietung, was ich dienstlich E.F.G. in ihrem Bischoflichen ampt erzaigen künde, das ich das thett begirlich und mit höchstem fleiß. Mich deren hiemit befelhend.

Datum Ingolstat am 16. September Anno gratiae MDXLI.

Dem hochwürdigsten Fürsten und Herrn, Herrn Christoph von Madruzzo, Bischof der alten Kirche von Trient, meinem gnädigsten Herrn und Patron!

Ich wünsche Eurer Fürstlichen Gnaden den Frieden und die Gnade Christi und erbiete mich zu gebührendem, untertänigem Dienst.

Gnädiger Herr: Als ich im vergangenen Jahr mich wegen der Pest von Ingolstadt nach Eichstätt begab, geschah ein schrecklicher Mord: ein viereinhalbjähriger Knabe mit Namen MICHAEL, Sohn des GEORG PISENHEUTER aus Zugenfeld, verschwand am Sonntag Judica, vierzehn Tage vor Ostern. Er wurde am Freitag nach Ostern durch den Hirten von Gern aufgrund des Scharrens seines Hundes aufgefunden: das Kind war mit dürrem Laub zugedeckt. Als man das Kind meinem Gnädigen Herrn, dem neu gewählten Bischof von Eichstätt, brachte, hat Seine Fürstliche Gnaden außer seine Räte auch Ärzte, Haarpfleger und Bader das Kind anschauen lassen; dieses war am ganzen Leib erbärmlich zerfleischt; man sah auch viele Stiche im Leib: man hatte das Fleisch herausgeschnitten, damit man die Stiche nicht sehen sollte. Auf der rechten Schulter war ihm ein kleines Kreuz eingeritzt und an seinem männlichen Glied die Vorhaut abgeschnitten. Somit fiel aus diesen Umständen ein großer Verdacht auf die Juden, die vorher solche Kindermorde auch anderen Orts begangen haben.

Auf Ersuchen meines Gnädigen Herrn von Eichstätt hat die weltliche Obrigkeit der Umgegend die Juden gefangen nach Eichstätt zu dem Kind geschafft, um zu prüfen, ob Gott den Mörder offenbaren würde, wie es schon oft geschehen ist. Darunter waren zwei Juden, die der edle und gestrenge Herr HUGO VON PARSBERG, Ritter und Pfleger zu Sulzbach, mitgebracht hatte; diese haben den Räten meines Gnädigen Herren von Eichstätt ein gedrucktes Buch übergeben, das von einem Christen abgefaßt war: dieser hatte mit losen Ausreden und nutzlosem Geschwätz behauptet, er sei sicher, daß den Juden hier Unrecht geschehe. Er spielt die Sache hoch: entweder erwürgen nämlich die Juden die Kinder der Christen in greulichster Weise oder aber die Christen erwürgen die Juden unschuldig aufs allerschrecklichste. Schließlich schreibt er, er habe keinen Zweifel, daß den Juden Unrecht geschehe. Ihr sprichwörtlicher Reichtum sei der eigentliche Grund dafür: »Ein reicher Jude und ein armer Edelmann vertragen sich nicht.«

Dieses Buch hat mir der fürstliche Hofmeister ALBRECHT VON LEONROD zugestellt, damit ich prüfe, ob der Verfasser Grund für seine Behauptung habe. Ich tat das eilig um der Christenheit und der christlichen Obrigkeit willen, die dieser Verteidiger der Juden zum Hohn und Spott unseres Glaubens beschuldigt, sie täten den Juden Unrecht gegen alles göttliche, natürliche und geschriebene Recht. Schreibt er doch der Obrigkeit, den Richtern, Königen, Fürsten, Herren und Bürgern solche Tyrannei fälschlich zu und schmäht jedermann, nur um den Juden schön zu reden: so habe ich seine geschönten, kraftlosen, ungehobelten und wenig gelehrten Begründungen und Vermutungen hier gründlich, kraftvoll und mit unverrückbarer Wahrhaftigkeit mit Hilfe von Geschichtsschreibern und gelehrten Schriften umgeworfen. Ich habe das auch über die oben genannten Gründe hinaus gern getan, da sich der Verfasser offen dazu bekennt, ein lutherischer Prädikant zu sein, damit Gott einmal den Fürsten, Herrschaften und Städten die Augen öffne, um zu erkennen, welcher Lügen und Gotteslästerung ihre Prädikanten sich bedienen und um den bösen Baum an seinen bösen Früchten, an den Schmähungen, Anstiften von Aufruhr, leichtfertigem Verhalten usf. zu erkennen, wie ich es in Predigten und weiteren Schriften ausführlich darlege.

Jetzt bei der Drucklegung dieses meines Schreibens habe ich gemeint, es werde keinen anderem angemessener gewidmet als Eurer Fürstlichen Gnaden, nicht nur, weil Ihr anstelle meines gnädigen Herrn Kardinals BERNHARD VON CLES lobenden Gedächtnisses zum Bischof bestellt worden seid: dieser war seit zwanzig Jahren mein gnädiger Herr und Patron gewesen und hat mir viel Gunst erwiesen; hätte er länger gelebt, hätte er mir noch mehr Gnaden gewährt. Auch deshalb, weil der Vater Eurer Fürstlichen Gnaden, GAUDENTIUS VON MADRUZZO, Ritter und einst Hofmeister des genannten Kardinals, mir gegenüber stets besonders freundlich und geneigt gewesen ist.

Sehr viel mehr aber hat mich bewogen, daß in der Hauptstadt Eurer Diözese in so sorgfältiger Weise die Sache des unschuldigen Kindes S. SIMON behandelt worden ist, und zwar nicht nur in Trient und vor dem erlauchten Fürsten SIGISMUND, Erzherzog von Österreich, sondern auch in Rom in Gegenwart zahlreicher bestellter Richter, und auch in Gegenwart des Heiligen Vaters, des Papstes und des Kardinalskollegiums.

Ich bitte nun, Eure Fürstlichen Gnaden möge geruhen, das geringe Büchlein in Gnaden anzunehmen und als Gegenstand der Erinnerung: ich empfehle mich untertänig und erbiete Eurer Fürstlichen Gnaden meine Dienstbereitschaft, falls diese Euch in Eurem bischöflichen Amt von Nutzen sein kann: ich empfehle mich Euch hiermit.

Gegeben zu Ingolstadt am 16. September im Jahr der Gnade 1541.