Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 401

Eck an Nikolaus Ellenbog
Ingolstadt
30-09-1542


Paris BN ms lat 8643, 3 Nr 53, fol 165r
GEIGER, Ellenbog, Anhang II 37; CCath 19/21 (Münster 1938), 464 Nr 53


Ellenbog soll sich nicht wundern, daß Eck auf den Bericht von der Gründung eines Studienhauses im Kloster Ottobeuren nicht reagiert hat: die Idee ist gut, aber über die Durchführung kann man geteilter Meinung sein. Auch ist er nicht um Rat gefragt worden; aufdrängen wollte er sich auch nicht, zumal er zur Zeit sehr beschäftigt ist. Er würde sich aber freuen, wenn die Studien gut vorangingen.


Doctor Ioannes Eckius fratri Nicolao Ellenbog S.

Salutem et omne bonum.

Miraris, religiose pater, cur literis tuis de novo studio non responderim. Magis ego miror, quod responsum expectaris, tam etsi certum sit thema.

 Benedictini bene faciunt curantes, ut eorum professi in literis proficiant. Verum de modo et commoditate ac opportunitate variam disseri potest. »Omne autem multiplex prius esse distinguendum quam diffiniendum« docuit Aristoteles; more autem academico in utramvis partem proponendum non visum est consultum.

Iuvenis didici: ad consilium ne accesseris, prius quam voceris. Et neminem debere esse curiosum in aliena republica adulescentior didici. Et sapiens hanc improbat praesumcionem ingerentis se ad consilia aliena.
Ideo malui cum Pythagoricis silere, licet omnem aetatem in studiis contriverim.
Hoc tamen scito, si studium faeliciter processerit, mihi fore gratissimum.

Vale et Deum pro me ora.

Ingoldstadii pridie Kalendas Octobris anno salutis 1542.


Doktor Johannes Eck grüßt Bruder Nikolaus Ellenbog!

Gruß und alles Gute:

Ihr wundert Euch, frommer Pater, warum ich Euren Brief über die neue Ordenshochschule nicht beantwortet habe? Vielmehr aber wundere ich mich, daß Ihr eine Antwort erwartet, als sei das ein großes Thema.

Die Benediktiner tun gut daran, daß ihre Profeßmönche in den Wissenschaften Fortschritte machen. Über die Art und Weise, angemessenes Vorgehen und Opportunität kann man aber verschiedene Ansichten vertreten.
»Alle schwierigen Dinge müssen zuerst abgeklärt werden, bevor man sie festlegt«, lehrt ARISTOTELES. Es scheinen aber nicht, wie es akademischer Gepflogenheit entspricht, Vorschläge nach allen Richtungen durchberaten worden zu sein.

Als Jüngling habe ich gelernt: Gib keinen Rat, bevor Du nicht darum gebeten wirst.
In späteren Jahren habe ich dann gelernt, man dürfe sich nicht in fremde Dinge neugierig einmischen. Der Weise tadelt solche Anmaßung bei jemandem, der sich in fremde Beratungen einmengt.
Deshalb wollte ich lieber mit den Pythagoräern schweigen, zumal ich den ganzen Sommer über mit Studien verbracht habe.
Das aber sollt Ihr wissen: es würde mich sehr freuen, wenn das Ordensstudium gute Fortschritte macht.

Lebt wohl, und bittet Gott für mich.

Ingolstadt, 30. September im Jahr des Heils 1542.