Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 402

Eck an Weigand von Redwitz, B. von Bamberg
Ingolstadt
Nach dem 21-09-1542


Bamberg Kgl. Kreisarchiv, Reg 78 St. Martini in Forchheim Nr 10 = Bamberg Staatsarchiv B 108 Nr 5


Eck will auf den Brief des Bischofs vom 21-09-1542 antworten und ihm Einzelheiten der Ingolstädter Promotionsordnung mitteilen. Promotionen ad saltum wie einst bei den Juristen und Medizinern sind bei den Theologen nicht möglich; der Hörer muß zunächst den Grad des Baccalaureus biblicus erwerben, dann den des Sententiarius und Baccalaureus formatus, schließlich das Licentiat und Doktorat. Der Bischof hat versäumt mitzuteilen, ob der Eck empfohlene Kandidat Johannes Grae in Leipzig bereits Vorlesungen zum AT, NT und zum Sentenzenbuch des Lombarden gehalten hat sowie die beiden für das Doktorat erforderlichen lateinischen Predigten vor dem Klerus; ebenso, ob er viermal an Disputationen unter Vorsitz eines Doktors der Theologie teilgenommen hat. Die bisher üblichen allzu großzügigen Dispense reichen nicht mehr aus, auch nicht ein auswärtiges Doktorat, wenn nicht ein ordentliches fünfjähriges Studium nachgewiesen wird. Noch strenger verfährt an in Paris, wo gegenwärtig 35 Kandidaten in Theologie promovieren wollen: dort werden sogar zehn Jahre Studium verlangt; in Ingolstadt will man gern fünf Jahre Dispens gewähren, wenn vorher ein ordnungsgemäßes Studium an einer anerkannten Hochschule absolviert wurde. Hat der Kandidat Johannes Grae in Leipzig zwar die Anfängervorlesungen absolviert, jedoch keinerlei Baccalaureat erworben, soll er nach Ingolstadt kommen und das Fehlende in kleinen Schritten nachholen. Eck will seinen Professorenkollegen sogar überreden, in diesem Fall auf die öffentliche Disputation zu verzichten. Eck will ihn dafür gern auf die kleine Vesperialdisputation vor dem Empfang des Licentiats vorbereiten. Die Vorlesung über das IV. Sentenzenbuch soll er dann nach seiner Rückkehr in die Heimat in den Ferien vor seinen Mitbrüdern im Priesteramt halten. Es folgen im einzelnen die Prüfungsgebühren. Der Kandidat kann in Ecks Hause wohnen und an der gemeinsamen Tafel speisen.



S.P. et omne bonum.

Reverende pater:
Redditae sunt mihi litterae vestrae 21. Septembris sub vesperam, quibus paucis respondeo, et quantum ad promovendum attinet, et quot diebus his agere debeat. Sciatis non esse consuetudinis in nostra facultate, aliquem per saltum promovere, ut aliquando laxi sunt iureconsulti et medici, sed statis terminis procedemus, ut ex auditore fiat primo baccalaureus biblicus, secundo baccalaureus sententiarius et tercio baccalaureus formatus, quarto licentiatus et quinto doctor et sexto repetat aliter.

Vestra autem reverenda paternitas non scribit, an dominus Johannes Grae fecerit aliqua principia Lipsiae et legerit cursus aliquos, unicum scilicet cursum in veteri testamento, alium in novo et quatuor libros sentenciarum. Debet etiam doctorandus duos sermones latinos fecisse ad clerum, quater respondisse in theologia sub doctore, de quibus etiam nullam facitis mentionem. Et propter ineptas et nimis largas dispensationes capitula Augustense, Frisingense, Ratisponense etc., ubi acceptant in canonicos etiam doctores, impetrarunt a sede apostolica, quod non sufficiat, aliquem esse promotum in doctorem in quacumque universitate, nisi probet testimonio doctorum legentium, quod quinquennium compleverit in eadem facultate etc. At ne dicetis, difficiles esse theologos et duros in hoc tempore, ubi mitiori via ineundum sit, habita deliberatione cum collega meo, persuasi eum, ut in hanc descenderet sentenciam.

Licet in omnibus studiis servetur et statutis caveatur (et rigorosius hoc tempore Parisiae quam antea, ubi iam habuerunt 35 intrantes id est doctorandos), ut decennium quis compleverit post magisterium in theologia, volumus tamen dispensare in medietate temporis, ut, si quinque annos compleverit in theologia in studio approbato, de reliquo volumus cum eo dispensare.

Secundo si necessaria fecerit prius principia nec assecutus aliquem baccalaureatum, non possumus eum per saltum ita promovere, sed veniat et faciat principia prius non facta, super quo tamen largissime dispensabimus in hunc modum: Faciat uno die principium in novo testamento, scilicet epistolas beati Petri. Alio die sequenti dispensabimus, quod faciat principium in sentencias, et tercio die faciat principium in tercium sentenciarum ut baccalaureus formatus. Quarto legat ad pedes, ut sic possit sibi aperiri examen. Sexto die aperiatur ei examen. Septimo die examinetur et approbet. Octavo die conferatur ei sub vesperis licentia. Nono die promoveatur in doctorem. Super repetitione potest cum eo dispensari. Collega meus multum instat pro disputatione; tamen facile eum persuadebo, ut sit contentus in disputatione vesperiali ante licentiam. Unam materiam quamcumque delegat facilem; ego ei mox redigam in formam disputacionis, quam in vesperiis sustineat ante collationem licentiae. Iniungemus ei in vicem (ne sit res mali exempli et sequelae), ut dum incolumis in patriam redierit,legat quartum sentenciarum suis sacerdotibus, quando per otium licuerit, in recompensam tot defectuum, super quibus secum est dispensatum.

De expensis, si prius nullum habuit baccalaureatum ad bibliam dabit 6 fl., ad sentencias 7 fl., pro baccalaureatu formato nihil; pro licentiis et doctoratu si assignat facultati 32 fl., tunc illa suffert omnes expensas preter zuccarum in examine, scilicet 40 cr.; preter collationem in examine, sunt 4 batzii; preter cancellarium, sunt 2 fl. et 6 cr.; et preter prandium in doctoratu, sunt 3 fl. Tota summa 51 fl. 2 cr.

Divertatur ad edes meas, et sit contentus nostra mensa communi, vel ubi sibi placuerit. Et hec, quantum ad promotionem domini Johannis Grae attinet.


(Kanzleivermerk:) Litere commendaticie domini doctoris Johannis Eckii pro domino Johanne Grae decano in Vorchheim ad accipiendum gradum doctoratus Ingolstati. Copia earundem. Originale secum accepit.

Heil und alles Gute!

Ehrwürdiger Vater,
Euren Brief vom 21. September habe ich gegen Abend erhalten. Ich will kurz darauf antworten, nämlich auf die Frage bezüglich der Promotion und wie viele Tage er hier zubringen müßte. Ihr sollt wissen, daß es an unserer Hochschule nicht üblich ist, »per saltum« zu promovieren, wie es bisweilen bei den Juristen und Medizinern geschieht; sondern wir gehen nach festen Regeln so voran, daß aus dem Hörer zunächst ein Baccalaureus biblicus wird, als zweitem Schritt ein Baccalaureus sententiarius und als drittem Schritt ein Baccalaureus formatus, viertens ein Lizentiat und fünftens ein Doktor, sechstens ein Repetitor.

Eure verehrte Väterlichkeit schreibt aber nicht, ob Herr JOHANNES GRAE in Leipzig irgendwelche Grundstudien getrieben und irgendwelche Vorlesungen gehalten hat, Kurse nämlich im Alten und Neuem Testament und den vier Sentenzenbüchern. Ein Doktorand ist verpflichtet, zwei lateinische Predigten vor dem Klerus zu halten und vier Mal in der Theologie unter Anleitung eines Doktors zu respondieren: darüber erwähnt Ihr nichts. Und wegen der übertriebenen und allzu großzügigen Dispensen haben die Domkapitel zu Augsburg, Freising, Regensburg usw, soweit sie als Kanoniker auch Doktoren annehmen, beim apostolischen Stuhl darauf gedrungen, daß es nicht genügen soll, wenn jemand an irgendeiner Universität zum Doktor promoviert worden ist, wenn er nicht durch das Zeugnis von Professoren nachweist, daß er fünf Jahre an derselben Fakultät zugebracht hat usw. Und damit Ihr nicht berechtigterweise einwendet, man müsse angesichts unserer für Theologen sehr schwierigen Zeit mit ihnen etwas milder verfahren, habe ich mit meinem Amtskollegen beraten und ihn überzeugt, dieser Meinung zuzustimmen.

Wenngleich in allen Studien darauf geachtet und es in den Statuten eingeschärft werden soll, - strenger als früher verfährt man zur Zeit in Paris, wo es fünfunddreißig Doktoranden gibt - daß jeder zehn Jahre nach dem Magistergrad Theologie studiert hat, wollen wir doch hinsichtlich der Zeitdauer Dispens erteilen, indem, falls er fünf Jahre an einer anerkannten Hochschule Theologie studiert hat, ihm der Rest erlassen wird.

Zweitens: wenn er die notwendigen Grundstudien betrieben, jedoch keinerlei Baccalaureat erworben hat, können wir ihn nicht auf diese Weise »per saltum« promovieren, sondern er soll kommen und die noch nicht abgeleisteten Einleitungsstudien absolvieren: auf dieser Grundlage werden wir dann trotzdem großzügig Dispens erteilen in folgender Weise: an einem Tag soll er den Anfang im Neuen Testament machen, nämlich mit den Petrusbriefen; am folgenden Tag werden wir ihn von der Prüfung in den Sentenzenbüchern dispensieren, am dritten Tag soll er dann mit einer Prüfung zum dritten Sentenzenbuch zum Baccalaureus formatus promoviert werden. Am vierten Tag soll er vor den Professoren lesen, um sich so die Zulassung zum Examen erwerben zu können. Am sechsten Tag soll dann das Examen eröffnet werden. Am siebenten Tag wird er geprüft und approbiert. Am achten Tag soll ihm während der Vesper das Lizentiat verliehen werden, am neunten Tag schließlich der Doktorgrad. Von der Repetition kann er dispensiert werden. Mein Kollege besteht sehr auf einer Disputation, doch es wird leicht sein, ihn zu überreden, daß er sich mit der Vesperdisputation vor der Verleihung des Lizentiates zufriedengibt. Eine beliebige These kann er delegieren; ich werde sie dann in kurzem für ihn zu einer Disputation umschreiben, die er dann zur Vesper vor der Kollation zum Lizentiat halten kann. Als Gegenleistung werde ich (damit die Sache nicht zum schlechten Beispiel mit Folgen wird) ihm auferlegen, daß er nach seiner Rückkehr in die Heimat vor dem dortigen Klerus, wenn es seine freie Zeit zuläßt, über das vierte Sentenzenbuch Vorlesungen hält, um die vielen fehlenden Leistungen, von denen er dispensiert wurde, zu kompensieren.

Zu den Gebühren: hat er noch kein Baccalaureat erworben, kostet der Baccalaureus biblicus sechs Gulden, der Baccalaureus sententiarius sieben Gulden, der Baccalaureus formatus ist kostenlos; Lizentiat und Doktorat, wenn er den Betrag der Fakultät zuweist, zweiunddreißig Gulden; dann rechnet diese alle Zahlungen an, außer den Sonderleistungen während des Examens, nämlich vierzig Kreuzer, und der Kollation während des Examens, nämlich vier Batzen, außer der Gebühr für den Kanzler, nämlich zwei Gulden und sechs Kreuzer, und außer dem Festmahl zur Doktorpromotion: drei Gulden. Zusammen macht das einundfünfzig Gulden, zwei Kreuzer.

Er kann übrigens in meinem Haus wohnen und an unserem gemeinsamen Tisch teilnehmen, oder wo es ihm sonst gefällt. Dies ist das die Promotion des Herrn JOHANNES GRAE Betreffende.

[Empfehlungsbrief des Herrn Doktor Johannes Eck für Herrn Johannes Grae, Dekan in Forchheim, zur Erlangung des Doktorgrades in Ingolstadt, Kopie desselben; das Original hat er ebenso empfangen.]