Vinzenz Pfnür, Münster

Katechese des Spätmittelalters - ihre Bedeutung für die Gegenwart

1.Das Spätmittelalter als Vorgeschichte der Reformation
Rechtfertigungslehre

2. Das Spätmittelalter als Ort der Begegnung mit dem Anderen und Fremden 
Schriftverständnis: vierfachter Schriftsinn:

Im allgemeinen erwarten wir von der Beschäftigung mit der Geschichte wenig weiterführende Orientierung für die Gegenwart. Und doch ist die Geschichte von großer Bedeutung:

Geschichte als unsere Vorgeschichte bestimmt unseren Standort in der Gegenwart. Diese unsere Vorgeschichte im Gedächtnis behalten zu können, ist Voraussetzung bewußter Identität und Kommunikation. Wenn die Erinnerung meiner Vorgeschichte ausfällt, d.h. wenn ich nicht mehr weiß, wer ich bin, woher ich komme, wer meine Eltern, mein Ehepartner, meine Kinder, meine Freunde sind, welche Sprache und welchen Beruf ich gelernt habe etc., hat dies - und das machen wir uns selten bewußt - gravierende Auswirkungen für die Orientierung in der Gegenwart. Was für den einzelnen gilt, gilt auch für eine Gruppe, und in gewisser Weise sogar in verschärfter Form: Gute Freunde können einem, der sein Gedächtnis verloren hat, helfen und ihm sagen, wer er ist und in welchen Beziehungen er steht, aber wer soll etwa der Gruppe der Christen sagen, wer sie sind, wenn sie selbst ihr Gedächtnis verloren haben?

Wie in der Gegenwart immer wieder Begegnung mit Neuem, bisher Unbekannten, Fremden und Anderen geschieht, so ist auch die Geschichte als erhaltenes Zeugnis menschlicher Äußerungen Ort der Begegnung mit dem Fremden. 

Aktivierung des Gedächtnisses und Einübung in den Dialog mit dem Anderen sind so m.E. die entsprechenden Konsequenzen der Bedeutung der Geschichte. (1)
 

1.Das Spätmittelalter als Vorgeschichte der Reformation  

Viele Ereignisse des Spätmittelalters, etwa die Verbrennung von Jan Hus, der Fall Konstantinopels, die europäischen Entdeckungs- und Eroberungsfahrten nach Afrika, Asien und Amerika, haben Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die folgenden Ausführungen beschränken sich nur auf einen begrenzten Aspekt, nämlich auf die Frage einer gemeinsamen christlichen Identität von Katholiken und Protestanten. Wenn für lutherische Identität vom Bezug zu Luther nicht abzusehen ist, gibt es keine konfessionsübergreifende christliche Identität, wenn gleichzeitig Luther für die katholische Seite aus dem Gedächtnis der Kirche zu tilgen ist. (2) Für das Spätmittelalter stellt sich die Frage der Identität nicht in dieser Zuspitzung, doch ist sie auch hier nicht unerheblich. Bedeutet etwa lutherische Identität einen radikalen Bruch mit der katholischen Vorgeschichte, mit Scholastik und katholischer Theologie des Spätmittelalters, so dürfte es schwer fallen eine grundlegende Gemeinsamkeit mit der katholischen Kirche der Gegenwart zu artikulieren, außer man erwartet von ihr, sich von ihrer eigenen Vorgeschichte zu distanzieren. Im Sommer 1998 wollen die römisch-katholische und lutherische Kirchen mit der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« einen zentralen Kontroverspunkt der Reformationszeit, der sich auch noch in der Gegenwart als Kristallisationspunkt konträrer Identitäten bemerkbar macht, hinsichtlich seiner kirchentrennenden Wirkung bereinigen. (3) Damit rückt auch die Frage nach einer gemeinsamen Bewertung der spätmittelalterlichen Position in den Vordergrund.
Luther und die lutherischen Bekenntnisschriften wenden sich gegen die spätscholastische Auffassung von Gabriel Biel (+1495), daß der Mensch allein aus natürlichen Kräften ohne die Gnade Gott über alles lieben und so das Gesetz der Sache nach, wenn auch nicht der Intention des Gesetzgebers nach, erfüllen kann. (4) Andererseits gibt es in der spätmittelalterlichen Theologie auch die Richtung des Augustinismus. (5) Luther selbst schreibt den Anfang seiner Lehre einem Vertreter dieser Position, nämlich seinem Lehrer aus dem Augustiner-Orden, Johann von Staupitz, zu. (6)

Was die Katechese des Spätmittelalters betrifft, so kann diese hier nicht umfassend und repräsentativ dargestellt werden. Vielmehr sollen vor allem unter Berücksichtigung der neuen Medien des Blockbuches und des Buchdrucks erste Eindrücke vermittelt werden.
Generell kann gesagt werden, daß die Hl. Schrift als Ausgangspunkt der Katechese eine grundlegende Rolle spielt. Dies zeigt sich auch schon in der großen Anzahl von deutschen Übersetzungen. So wurden vor Luthers Übersetzung des Neuen Testaments 14 oberdeutsche und 4 niederdeutsche Übersetzungen der ganzen Bibel im Druck veröffentlicht. (7) Daneben findet sich eine nur schwer überschaubare Fülle von Übersetzungen einzelner biblischer Bücher, wie etwa der Psalmen oder auch der Paulusbriefe, und der im Gottesdienst verwandten Lesetexte.

Rechtfertigungslehre

Wenn nach dem Verständnis von Rechtfertigung in der Katechese des Spätmittelalters gefragt wird, so ist dies nicht auf die Terminologie »Rechtfertigung allein durch den Glauben« einzugrenzen.

 Die Sachfrage selbst begegnet etwa in der Ars moriendi,
wenn der Teufel den Sterbenden in die Verzweiflung zu führen versucht:

 „Du Unseliger, betrachte deine Sünden. Sie sind so groß, daß du niemals Verzeihung erlangen kannst..."

Der Engel steht dem Sterbenden bei:

Auch wenn du Raub, Diebstahl und Mord begangen hättest, wie es Tropfen im Meer und Sand gibt, auch wenn du ganz allein alle Sünden der Welt begangen, darüber nie Reue empfunden und sie auch nicht bekannt hättest, und dir selbst jetzt die Möglichkeit fehlte, sie zu gestehen, so darfst du trotzdem keineswegs verzweifeln, denn in solchem Falle genügt allein eine innere Zerknirschung... Und deswegen sagt Bernhard: 'Gott hat noch mehr Erbarmen, als der Mensch zu sündigen vermag.' ... Christus ist für die Sünder, nicht für die Gerechten gekreuzigt worden, wie er selber bezeugt: 'Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder.'" (8)

Daß hier in der Sache eine Gemeinsamkeit zwischen lutherischer und vorreformatorischer Position gegeben ist, wurde auf lutherischer Seite bereits von Martin Chemnitz und Johann Gerhard anerkannt. (9) Diese ist nicht mit dem Argument zu relativieren, daß dies nur für die Todesstunde gelte und nicht für das übrige Leben. Die Ars moriendi hat ja ausdrücklich das Ziel, daß „jeder die Kunst gut zu sterben ... oft vor Augen hat und sich seine Lage in seiner letzten Stunde im Geist immer wieder vorstellt" (10).

Aber auch die Aussage, daß Gott barmherzig ist, gehört zum Grundbestand spätmittelalterlicher Katechese.
 So wird etwa in der Dekalogerklärung von Marquard von Lindau (11), die „zu den wirkungsmächtigsten deutschen religiösen Prosatexten des Spätmittelalters gehört" (12) zum Ersten Gebot erläutert: Gott anbeten heißt, an seinem Erbarmen nicht zu verzweifeln (13). Bei der Erörterung des zweiten Gebots wird ausdrücklich gesagt: Mit allem, was man Gutes tut, mit Fasten und mit Beten, und was man tun oder lassen mag, kann man Gott die Schuld der Sünde nicht abgelten. Christus ist der „reiche Schatz, ... das kostbare Kleinod, mit dem man dem Vater alle Schuld vergilt ... Sonst haben wir nichts, mit dem wir abgelten, denn alle unsere guten Taten wirkt Gott in uns und sind sein eigen." (14)
Bezüglich des Ablasses für die Verstorbenen wird dem Papst keine Gewalt über das Fegfeuer zugesprochen (15).
Eine Differenz zur reformatorischen Position liegt hingegen in der Auffassung vom endlichen Wert der Messe. Ähnlich wie später Johannes Eck ist sich Marquard von Lindau aber bewußt, daß es sich hierbei nur um die Meinung einer schultheologischen Richtung handelt. (16)

Im Rahmen dieses Beitrages ist es nicht möglich, die angesprochene Problematik umfassender zu behandeln, doch zeigen bereits diese fragmentarischen Hinweise, daß nicht pauschal von einem radikalen Bruch zwischen Reformation und spätmittelalterlicher Theologie und Katechese gesprochen werden kann und daß eine differenziertere Sicht auch den Weg eröffnet zu einer gemeinsamen Wertung des Spätmittelalters als Teil der Vorgeschichte derer, die aufgrund der wirkungsgeschichtlichen Bedeutung von Geschichte sich noch heute als Angehörige unterschiedlicher Konfessionen vorfinden. 
 

2. Das Spätmittelalter als Ort der Begegnung mit dem Anderen und Fremden  

Das Schriftverständnis: vierfachter Schriftsinn:

Auch wenn das Spätmittelalter zu unserer Vorgeschichte gehört, so ist es uns inzwischen weithin fremd geworden.
 Dies gilt auch für die Grundlage der spätmittelalterlichen Katechese, das Schriftverständnis.

 »Der Sinn der Hl. Schrift ist ein vierfacher, nämlich der buchstäbliche, der allegorische, der moralische oder tropologische und der anagogische«,
 heißt es im 1517 erschienenen Theologischen Wörterbuch von Johannes Altenstaig. (17)

Zur Erläuterung wird neben Jacobus de Valentia, Johannes Gerson, Wilhelm Durandus von Mende und Gabriel Biel auf Baptista Mantuanus (+1516) verwiesen: Die Hl. Schrift enthalte nichts müßiges.

„Denn nicht nur die Worte, sondern auch die Sache und die Taten geben Hinweise:
Wenn du auf den Wortsinn (sensum verborum) achtest, hast du die Geschichte;
Wenn du auf die Sachbedeutung (significantiam rerum) blickst, ... siehst du die Allegorie....
Wenn du dich auf den Lebenswandel (mores) beziehst ... ist es Tropologie.
Wenn du die Sache auf den Himmel überträgst (si ad coelum rem transferas) hast du die Anagogie."

Der allegorische Schriftsinn

Die Theologie der Gegenwart, die sich die historisch-kritische Erschließung der Schrift als großes Verdienst anrechnet, hat besonders mit dem allegorischen Schriftsinn Schwierigkeiten.
J. Altenstaig nennt als Beispiel allegorischer Deutung eines Wortes die Interpretation des Reises aus der Wurzel Jesse (Jes 11,1) auf „Maria aus dem Stamme David, der ein Sohn Jesses war".
 „Das durch das Blut des Lammes aus der ägyptischen Gefangenschaft befreite Volk" bezeichnet in allegorischer Auslegung von Dingen und Ereignissen (rerum) »die durch das Leiden Christi aus der Gefangenschaft der Dämonen befreite Kirche«. Das Lamm ist Bild für Christus, die weißen Kleider und das Öl von Koh 9,8 bedeuten die guten Werke und die Liebe.

Von besonderer Bedeutung ist, wie schon aus diesen Beispielen deutlich wird, der allegorische Schriftsinn in der Deutung des Alten Testaments.
Das Theologische Wörterbuch von J. Altenstaig verweist dabei auf die neutestamentlichen Vorgaben:

Die Schriften „legen von mir Zeugnis ab" (Joh 5,39),
Moses hat „von mir geschrieben" (Joh 5,46),
„angefangen von Moses und den Propheten erklärte er ihnen alles, was von ihm geschrieben stand" (Lk 24,27).

Durch die Aufteilung in die unterschiedlichen theologische Fächer der Exegese des AT und der Exegese des NT fällt es der modernen Theologie schwer, diesen Vorgaben gerecht zu werden. Dabei geht es jedoch um die Grundstruktur des neutestamentlichen christlichen Umgangs mit der Schrift:

„Christus ist für unsere Sünden gestorben gemäß der Schrift" (1 Kor 15,3).

Das heißt, der historisch vieldeutige Tod Jesu wird erst im Licht der Schrift des AT als Heilsereignis qualifiziert,
 z. B. durch den Bezug zu Paschalamm, Gottesknecht, der erhöhten Schlange etc.

Auf dieser Linie ist auch das theologische Konzept der im Spätmittelalter verbreiteten Biblia pauperum zu sehen. (18)
Die Öffnung der Seite Christi -  historisch gesehen Zeichen des eingetretenen Todes  - wird als Heilsvorgang interpretiert durch die Zuordnung zu zwei Öffnungsszenen aus dem Alten Testament:
1. der Öffnung der Seite Adams, aus der Eva hervorgeht, und 2. der Öffnung des wasserspendenden Felsen in der Wüste (vgl. 1 Kor 10,4). (19)
Texte und Ereignisse des Alten Testament haben so in dieser Dimension des allegorischen Schriftsinnes die Funktion der Bezeichnung und Deutung dessen, was in Christus geschah.
 Dies besagt aber anderseits auch, daß sie selbst als Hinweiszeichen auf eine tiefere Wirklichkeit des Heils verstanden werden.
 Die Errettung des Jona aus dem Bauch des Fisches deutet einerseits den Tod Christi: „Jona wurde verschlungen und blieb dennoch unverletzt" (20). Anderseits erhält die Geschichte von Jona als Zeichen der Errettung aus der Todessituation bleibende Gültigkeit, weil es durch die Überwindung des Todes durch Christus für alle Errettung aus dem Tode gibt. 

Der Heilsspiegel (speculum humanae salvationis) (21) ordnet der Szene „Christus trägt sein Kreuz" u. a. das Bild von den Kundschaftern zu, die mit der Traube aus dem verheißenen Land zurückkehren. (22) Damit wird wiederum einerseits der Tod Christi als Heilsgeschehen, als Verheißung des gelobten Landes, gedeutet, anderseits ist das verheißene Land Verweis auf eine durch Christi Tod erschlossene ewige unvergängliche Heimat.
Der Kreuzigung wird u.a. der Baum von Dan 4 zugeordnet. (23) Im Hintergrund steht das Verständnis des Kreuzes als Lebensbaum, wie es u.a. auch in der spätmittelalterlichen Darstellung des Baumkreuzes zum Ausdruck kommt. (24) Ausgangspunkt dafür ist das Wort
ξύλον [xylon] (Vg lignum), dem bereits in Gal 3,13 wichtige Bedeutung zur Deutung des Todes Christi gemäß der Schrift zukommt: Paulus zitiert hier Dtn 21,23 (nach der in der LXX überlieferten Textgestalt) »Verflucht ist jeder, der am Holze hängt« und »deutet den stellvertretend "für uns" erlittenen Tod Jesu ... als Fluchtod ("für uns zum Fluch geworden" ...)« (25). „Von hier aus ist das Wort ξύλον [xylon] als Bezeichnung für das Kreuz offenbar in den neutestamentlichen Sprachgebrauch (Apg 5,30; 10,39; 13,29; 1 Petr 2,24) wie in den frühchristlichen (Barnabas 5,13; 8,1.5; 11,6; 12,1.7 und spätere) übergegangen." (26) Was das Kreuz bedeutet wird so gemäß der Schrift mit den Stellen verdeutlicht, an denen ξύλον vorkommt, wobei zu berücksichtigen ist, daß ξύλον in der LXX bzw. lignum in der Vg. sowohl das tote Holz als auch den Baum bezeichnet. Bezeichnend für das Unverständnis heutiger Theologie gegenüber dieser langen - bereits von Ignatius von Antiochien, dem Barnabasbrief, Justin, Tertullian, Origenes, Irenäus von Lyon, Cyprian etc. bezeugten - Tradition, ist das Fehlen jedweden Verweises auf das Kreuz im LThK³-Artikel Baum, die Übersetzung von ξύλον mit Pfahl in der Einheitsübersetzung, die Tilgung des Symbolwortes lignum in der offiziellen deutschen Übersetzung des Ecce lignum crucis der Karfreitagsliturgie. (27) Eine verbreitete Verkennung der neutestamentlichen und frühchristlichen Kreuzestheologie zeigt sich an, wenn gesagt wird, daß seit Konstantin d. Großen „die Umdeutung des Kreuzes vom Straf- und Exekutionswerkzeug zum universalen (nun soteriologischen) Heilszeichen einsetzt" (28). Dabei gehörte das Kreuzzeichen schon lange vor Konstantin zum christlichen Alltag. (29)
Wenn der spätmittelalterlichen Allegorisierung Willkür vorgeworfen wird, so ist dies nicht generell auszuschließen. Vieles aber erscheint uns deshalb als Willkür, weil der Vergleich sich auf die buchstäbliche Zeichenebene beschränkt. So ist die Deutung der Himmelsleiter Jacobs auf das Kreuz (30) keineswegs willkürlich, wenn man sie als Zeichen der Verbindung zwischen Gott und Mensch sieht. Im Blick auf den Sinngehalt ist die tradierte christliche Bildersprache durch feste Deutungsmuster bestimmt. Eine Deutung etwa der Himmelsleiter, wie sie im modernen religiösen Lied begegnet, als von den Menschen selbst gebaute Brücke, so lang, »daß sie den Abgrund überwinde, daß jedermann den Himmel finde, daß sie die Welt mit Gott verbinde«, ist dadurch ausgeschlossen. Ähnlich ist es beim Bild des Schiffes: Das Holz, das die Kirche und die Menschen über das Meer trägt, ist das Kreuz (31). Von daher scheidet etwa eine Deutung auf bestimmte Gruppen der Gemeinde aus.

Der moralischer bzw. tropologische Schriftsinn

Als Beispiel moralischer bzw. tropologischer Schriftauslegung führt das Theologische Wörterbuch von Altenstaig aus:

„Es ist nötig, daß der David in uns den Goliat tötet, d. h. die Demut die Überheblichkeit."
Weiter wird genannt die Deutung der Spezerein, die die hl. Frauen zum Grabe bringen, auf die Düfte der Tugenden, mit denen Christus zu suchen ist.

Die spätmittelalterliche Theologie und Katechese sucht mit der Beachtung des moralischen Schriftsinnes der Vorgabe von Röm 15,4 und 2 Tim 3,16 gerecht zu werden, daß die Schrift zu unserer »Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit« geschrieben ist (32), und hat dies in vielfältiger Weise umgesetzt. (33)
Ein Beispiel dafür ist die vierbändige, mehrere tausend Seiten umfassende und ab 1474 in vielen Druckausgaben erschienene moraltheologische Summa theologica von Antoninus von Florenz. (34) Das ganze Werk ist geprägt von einer intensiven Schriftkenntnis.
 Insbesondere Psalmverse fungieren als Motto und Leitlinien der einzelnen Themen.
Bezeichnend für diese Methode ist bereits der Ausgangspunkt mit Ps 103(104),24: „Quam magnificata sunt opera tua, Domine! omnia in sapientia fecisti; impleta est terra possessione tua": Alles kommt von Gott. Auch unsere guten Werke sind Werke der Trinität. Dem Vater wird die wunderbare Macht, dem Sohn die Weisheit, in der alles gemacht ist, und dem Hl. Geist das Wohlwollen zu uns, von dem die Erde erfüllt ist, zugeschrieben. (35)
 Im dritten Teil des Werkes, in dem eine Berufsethik der einzelnen gesellschaftlichen Stände entworfen wird, ist das Ausgangsmotto für die Lehrenden und Studierenden (tit V: de doctoribus et scolaribus) Ps 118(119),66: bonitatem et disciplinam et scientiam doce me, quia mandatis tuis credidi.
Antoninus sieht darin drei Vorgaben für die Wissenschaft:
1. „Daß die Erkenntnis der Wahrheit von Gott erwartet werden soll, entsprechend dem Lehre mich (doce me),
2. Daß die angemessene Ordnung beachtet wird, nämlich Güte [Liebe, als Wirkung der Gnade], Disziplin [Mäßigung und Anstand gegenüber dem Nächsten] und Wissenschaft [entsprechend den unterschiedlichen Aufgaben etwa des Arztes, des Advokaten, des Priesters, etc.],
 3. Daß die Bedingung der Demut [Bereitschaft von anderen zu lernen] angenommen wird gemäß dem Deinen Geboten habe ich geglaubt". (36)
 Das Beispiel bedeutet nicht, daß alles aus der Schrift zu deduzieren ist, aber daß doch wichtige Vorgaben mit konkreten Konsequenzen aus der Schrift abgelesen werden (z.B. daß der Arzt, der Advokat, der Dozent seine Tätigkeit nicht vom Geld abhängig machen darf und dem Armen in gleicher Weise zukommen lassen soll).

Ein anderes Beispiel ist das Fastnachtsbrauchtum als Illustration des Weges nach Babylon im Gegensatz zu dem im Evangelium vom Sonntag Quinguagesima angesprochenen Weg nach Jerusalem. (37)
Von daher ist auch die Ständekritik in den Passions- und Osterspielen (38) kein Fremdkörper.

Der anagogische Schriftsinn

Der anagogische Schriftsinn wird im Theologischen Wörterbuch so erklärt: „Anagoge kommt von ana, was hinauf bedeutet, und goge, was Führen heißt. Von daher spricht man vom anagogischen Sinn, weil er vom Sichtbaren zum Unsichtbaren führt."
 „Unter Jerusalem wird historisch verstanden jene irdische Stadt, zu der die Pilger streben, allegorisch die kämpfende Kirche, tropologisch die gläubige Seele, anagogisch das himmlische Jerusalem oder die himmlische Heimat."
 Diese vierte Dimension der Schriftauslegung besagt zunächst, daß jetzt das Endreich noch nicht angebrochen ist. Zum andern hält sie die Hoffnung auf Vollendung wach. Auch wenn jede Konkretisierung der Himmelshoffnung unter dem Vorbehalt menschlicher Begrenztheit steht (39), so ist anderseits ein Verblassen dieser Hoffnung auf Vollendung m. E. das größere Übel. Weiter geht es damit auch um den Zusammenhang von Heilsgeschichte und Vollendung. (40)

Bedeutung des vierfachen Schriftsinnes

Mit dem Schema des vierfachen Schriftsinnes ist so ein wichtiges hermeneutisches Instrumentarium mitgegeben, wie etwa in der Auslegung des Textes von David und Goliat nochmal verdeutlicht sei. Bei einer Deutung, die nur auf der buchstäblichen historischen Ebene bleibt, ist, wenn uns die Geschichte überhaupt noch etwas zu sagen hat, der Konsequenz, dem mächtigen Bösen mit Gottes Hilfe den Kopf abzuhauen, so wie es David mit Goliat getan hat, nur schwer zu entgehen. (41) Durch die allegorische Deutung, daß der Sieg des schwachen Guten über den starken Bösen grundlegend von Christus am Kreuz errungen wurde, wird diese Kampf-Geschichte im Licht der ganzen Bibel vom Kreuz her gelesen. Dadurch ergibt sich eine andere Vorgabe für den Sieg über das Böse. Durch die moralische Deutung, daß dieser Kampf auch in uns statt findet, wird das Böse nicht nur auf den Anderen abgeschoben. Die anagogische, eschatologische Deutung weist darauf hin, daß der Endsieg über das Böse erst im Himmel gegeben ist. Fällt eine Dimension grundsätzlich aus, ist das Gefüge des Ganzen bedroht. 

Ein Dialog mit der Theologie und Katechese des Spätmittelalters mag gerade in unserer theologischen Situation der Neubesinnung auf eine gesamtbiblische Theologie anregend sein: Wie ist weiterhin christliche Sprache (42), Symbolverständnis (43) und Praxis (44) zu begründen und vor Entleerung und Verarmung (45) zu bewahren?

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1. Vorausgesetzt ist dabei, daß es bei Geschichte um das Verstehen menschlicher Äußerungen geht. Das besagt zugleich, daß einerseits Geschichte nie total einzufangen ist - weder im Hinblick auf einen einzelnen noch auf eine ganze Epoche -, daß aber anderseits ein annäherndes Verstehen des Anderen unter Ausschaltung von unwahren Behauptungen grundsätzlich möglich ist. Wäre dem nicht so, hätte dies auch für die Kommunikation in der Gegenwart fatale Folgen.

2. Vgl. dazu V. Pfnür, Excommunicatio und amicum colloquium. Das Religionsgespräch auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 auf dem Hintergrund der Frage des Lutherbannes, in: Unterwegs zum einen Glauben. Festschrift für Lothar Ullrich zum 65. Geburtstag, hg. von W. Beinert, K. Feiereis und H. J. Röhrig, Leipzig 1997, 448-460; Ders., Communio und excommunicatio, in: Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. Festschrift für Theodor Schneider, hg. von B. J. Hilberath u. D. Sattler, Mainz 1995, 277-292.

3. Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1997): KNA ÖKI 9, 4. März 1997, Dok. Nr. 4 / ebd. 10, 11. März 1997, Dok. Nr. 5.

4. Für die Einzelbelege vgl. V. Pfnür, Die Verwerfungen der Confessio Augustana, der Apologie und der Schmalkaldischen Artikel hinsichtlich der Rechtfertigungslehre, in: Lehrverurteilungen - kirchentrennend? II: Materialien zu den Lehrverurteilungen und zur Theologie der Rechtfertigung, hg. v. K. Lehmann, Freiburg-Göttingen 1989, 191-209 (Dialog der Kirchen, Bd. 5).

5. Vgl. A. Zumkeller, Erbsünde, Gnade, Rechtfertigung und Verdienst nach der Lehre der Erfurter Augustinertheologen des Spätmittelalters, Würzburg 1984 (Cassiciacum 35); Ders., Das Ungenügen der menschlichen Werke bei den deutschen Predigern des Spätmittelalters, in: ZkTh, 81 (1959) 265-305; M. Santos Noya, Die Sünden- und Gnadenlehre des Gregor von Rimini, Frankfurt 1990 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, Theologie. Bd 388).

6. Vgl. etwa WATr 1, Nr. 526. Vgl. L. Graf zu Dohna, Staupitz and Luther. Continuity and Breakthrough at the Beginning of the Reformation, in: Via Augustini: Augustine in the Later Middle Ages, Renaissance and Reformation. Essays in Honor of Damasus Trapp, ed. by H. A. Oberman, F. A. James III, Leiden, 116-129 (Studies in Medieval and Reformation Thought, 48); Th. Fuchs, Konfession und Gespräch, Köln-Weimar-Wien, 1995 (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit, Bd 4) 35f: „Die Augustiner des späten Mittelalters bis hin zum Trienter Konzil verband der 'antipelagianische Unterbau' ihrer Theologie in der Gnaden-, Prädestinations- und Morallehre, gewonnen an dem antipelagianischen Augustin. In Wittenberg hatte diese Augustinrezeption selbst in den Statuten einen Nachklang gefunden, in denen eine eigene Lehrrichtung der via Gregorii festgeschrieben worden ist. Luther selbst hat während seiner Ausbildung den Sentenzenkommentar Gregors von Rimini kennengelernt, und M. Schulze hat den theologischen Aufbruch der Wittenberger seit 1516 als eine aggressive Verstärkung der Theologie Gregors interpretiert."

7. Vgl. Biblia: Deutsche Bibeln vor und nach Martin Luther. Katalog, bearb. von J.-F. Leonhard (Heidelberg 1982).

8. Ars Moriendi (Bilder-Ars), 1. Hälfte des 15. Jh. entstanden, in der lateinischen Fassung wie in volkssprachlichen Übersetzungen weit verbreitet, zweite von fünf Versuchungen gegen einen guten Tod, zit. nach: Ars moriendi. Die Kunst, gut zu leben und gut zu sterben. Texte von Cicero bis Luther, hg., eingeleitet und übersetzt von J. Laager, Zürich 1996, 194-201.

9. Vgl. S. Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit, Tübingen 1994 (Beiträge zur historischen Theologie, 85), 225f.

10. Ars moriendi, 181f.; vgl. etwa auch Spiegel der armen sündigen Seele, Ulm 1484, hg. von P. Boon, Amsterdam 1984, gijr: „Die allerhöchste Seligkeit ist die stete Betrachtung des Todes. Dieses Gedächtnis soll ein jeglicher Mensch mit sich tragen, wo er geht oder steht." S. Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter, 227f; B. Schulte, Die deutschsprachigen spätmittelalterlichen Totentänze. Unter besonderer Berücksichtigung der Inkunabel 'Des dodes dantz'. Lübeck 1489, Köln-Wien 1990 (Niederdeutsche Studien, 36), bes. 28-65.

11.  Vgl. R. Averkorn, in: LThK, Bd 6, Freiburg-Basel-Rom Wien 31997, 412f; N. F. Palmer, in: VerLex² Bd VI (1985) 81-126.

12.  N.F. Palmer, a.a.O., 89.

13.  Marquard von Lindau, Das Buch der zehn Gebote (Venedig 1483), Textausgabe mit Einleitung und Glossar von J. W. van Maren, Amsterdam 1984 (Quellen und Forschungen zur Erbauungsliteratur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bd VII) S.11: „Czum andern mal sol man ainen got an beten mit gantzer eyniger zuversicht Also das man an seiner erbermde nicht verzweifeln sol von keiner sund wegen: vnd sol mit zuuersicht ewiges lebens in an biten Und in fursetzen allain als ain zil aller genugde."

14.  A.a.O., 20.

15.  Bemerkenswert ist die veränderte Fassung dieser Stelle in der Ausgabe von 1516. Marquard von Lindau: Die zehn Gebote (Straßburg 1516 und 1520). Ein katechetischer Traktat. Textausgabe mit Einleitung und sprachlichen Beobachtungen, hg. v. J. W. van Maren, Amsterdam 1980 (Quellen und Forschungen zur Erbauungsliteratur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bd XIV), S. 43.: »Etlich lerer sprechen auch das der bapst keinen gewalt habe uber dy seelen in dem fegfeur, was aber darunder zehaltende sei das befilh ich got.« Umgekehrt geht es bei der Kontroverse zwischen Luther und Eck nicht um eine grundsätzliche Bestreitung des Fegfeuers, sondern um die Frage, wieweit der Mensch nach dem Tode noch selbst aktiv an der Reinigung beteiligt sein kann (vgl. WA 9,209,23-26; WA 2, 161,20ff; WA 59,525,2868-553,3790).

16. Marquard von Lindau, Das Buch der zehn Gebote, 39: „Du solt wissen das etlich meister sprechent es sey vmb geistlich gut recht als vmb ain licht wo das in ainer stuben ist so gesehent zehen menschen als wol als ob ain mensch in der stuben wer: wen darvmb das die andern auß der stuben gen so wirt ez nicht dester lichter in der stuben. Also sprechen sie es sey auch vmb dy heiligen messe also: wan ez werde Einer sele nicht allein dester mynder wie vil die messe andern lewten oder selen auch gesprochen werde. Aber du solt wissen das das der behende meister nicht heldet vnd auch ander gros lerer." Zur reformationsgeschichtlichen Kontroverse vgl. V. Pfnür, Die Messe als Sühnopfer für Lebende und Verstorbene ex opere operato, in: Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission: Das Herrenmahl, Paderborn-Frankfurt 1978, 101-105.

17.  Vocabularius Theologiae complectens vocabulorum descriptiones, diffinitiones et significatus ad theologiam utilium: et alia quibus prudens et diligens lector multa abstrusa et obscura theologorum dicta et dissolvere et rationum et argumentorum difficiles nodos et facile ea quae in ducem et principem sententiarum doctores scripserunt intelligere poterit magno cum labore et diligentia compilata a Joanne Altenstaig Mindelhaimensi sacre scripturae vero amatore (Hagenau 1517), Stichwort: Scriptura sacra.

18.  Vgl. dazu ThRv 91 (1995) 478-483.

19.  Biblia Pauperum. Armenbibel. Die Bilderhandschrift des Codex Palatinus latinus 871 im Besitz der Biblioteca Apostolica Vaticana. Einführung und Kommentar von Ch. Wetzel, Transkription und Übersetzung von H. Drechsler, Stuttgart-Zürich 1995, Fol. 14r, 95.

20.  Ebd. fol. 15r, 97 (Grablegung Christi).

21. Vgl. Verlex² IX, 1995, 52-65.

22.  Speculum humanae salvationis. Codex Cremifanensis 243 des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Kommentar von W. Neumüller, Graz, 1997, fol 28r, 36. Vlg. A. Thomas, Kundschafter mit der Traube, in: LCI 2 (1970)700f.

23.  Ebd. fol 29v , 37.

24. Vgl. H. Bethe, Baumkreuz, in: RDK II, 1948, 100-105, 101: „Im 15. Jh. ist das Baumkreuz eine der beliebtesten Formen des Lebensbaumes."

25.  H. Merklein, in: LThK, Bd. 6, Freiburg-Basel-Rom-Wien 31997, 443; vgl. K. H. Schelkle, Die Petrusbriefe, der Judasbrief. Auslegung, Freiburg 1961, 85: „Indem das Holz des Kreuzes an Dt 21,22f erinnert, enthält es also eine Theologie vom Heilstod Christi am Kreuz."

26. K. H. Schelkle, Die Passion Jesu in der Verkündigung des Neuen Testaments, Heidelberg 1949, 107.

27.  Vgl. auch V. Pfnür, Die Fahrt auf dem Meer als Bild des menschlichen Lebens in der Sicht spätmittelalterlicher Theologie, in: Sie wandern von Kraft zu Kraft. Aufbrüche - Wege - Begegnungen. Festgabe für Bischof Reinhard Lettmann, hg. v. A. Angenendt u. H. Vorgrimler, Kevelaer 1993, 139-141; ThRv 91 (1995) 482.

28.  LThK, Bd. 6, 31997, 442.

29.  Ebd. 468.

30.  So schon bei Justin, Apol. 86.

31.  Vgl. V. Pfnür, Die Fahrt auf dem Meer als Bild des menschlichen Lebens in der Sicht spätmittelalterlicher Theologie, 126-141.

32.  Beide Schriftstellen werden von J. Altenstaig gleich zu Beginn des Artikels Scriptura sacra zitiert.

33.  Vgl. V. Pfnür, Zum Verständnis von communio in der spätmittelalterlichen Theologie, in: Communio sanctorum. Einheit der Christen Einheit der Kirche. Festschrift für Bischof Paul-Werner Scheele, hg. von J. Schreiner und K. Wittstadt, Würzburg 1988, 147-167, 163ff.

34.  Im folgenden zitiert nach dem Nachdruck der Ausgabe Verona 1740, Graz 1959.

35.  Ebd. Pars I, p.1.

36.  Ebd. Pars III, p.233.

37.  Vgl. V. Pfnür, Das Verständnis von Narrheit und Torheit im Spätmittelalter, in: Weisheit Gottes - Weisheit der Welt. Festschrift für Joseph Kardinal Ratzinger zum 60. Geburtstag, 2 Bde, hg. von W. Baier u.a., St. Ottilien 1987, 795-814.

38.  Vgl. G. Franz, Tugenden und Laster der Stände in der didaktischen Literatur des späten Mittelalters, Bonn 1957; H. Rosenfeld, Sebastian Brants »Narrenschiff« und die Tradition der Ständesatire, Narrenbilderbogen und Flugblätter des 15. Jahrhunderts, in: Gutenberg-Jahrbuch, 1965, 242-248; R. M. Kulli, Die Ständesatire in den deutschen geistlichen Schauspielen des ausgehenden Mittelalters, Bern 1966 (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur, H. 31); W. Heinemann, Zur Ständedidaxe in der deutschen Literatur des 13. - 15. Jahrhunderts, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, begründet von W. Braune/H. Paul/E. Sievers, hg. von H. de Boor und I. Schöbler, 88, Halle 1966, 1-90; 89, 1967, 290-403; 92, 1970, 388-437; S. Grosse, Zur Ständekritik in den geistlichen Spielen des späten Mittelalters, in: ZDP 86 (1967) 63-79 = Sonderheft Spätes Mittelalter, hg. von H. Moser und K. Ruh; R. Steinbach, Die deutschen Oster- und Passionsspiele des Mittelalters. Versuch einer Darstellung und Wesensbestimmung nebst einer Bibliographie zum deutschen geistlichen Spiel des Mittelalters, Köln-Wien 1970 (Kölner Germanistische Studien, 4).

39.  Vgl. etwa Stephan von Landskron, Die Hymelstrasz, Augsburg 1484 (1501,1510), hg. von G.J. Jaspers, Amsterdam 1979, Kap.2 „Von der ubergrossen grösz der freüden der erwoelten..."

40.  Wenn es am Ende keine Kirche mehr gibt, welchen Sinn macht dann noch das Bild von der Braut und dem Hochzeitsmahl des Lammes (Offb 21). Ähnlich ist es mit dem Kreuz. Ist es nur blutige Vergangenheit oder bleibender Lebensbaum als Zeichen der Liebe Gottes, die sich im Kreuz offenbarte.

41.  Ähnlich liegt bei einem nur buchstäblichen Verständnis der Landverheißung, wenn das ganze nicht bloß eine Episode der Vergangenheit war, die Konsequenz nahe, jeden Quadratmeter des Heiligen Landes zu verteidigen und jede Preisgabe als Verrat an Gott zu werten.

42.  Zu meiner Überraschung mußte ich etwa feststellen, daß Schüler mit dem »himmlischen Jerusalem« keine positiven Vorstellungen verbinden, weil sie im Religionsunterricht nur von dem gegenwärtigen geteilten Jerusalem hörten. Wer mit Israel nur den Staat Israel oder nur das geschichtliche jüdische Israel verbindet, muß Nr. 902 aus dem Gotteslob („... führ aus Trug und Wahn dein Israel ...") als antijudaistisch verstehen.

43.  Wenn schon in der Theologie die tradierte Kreuzessymbolik nicht mehr verstanden oder akzeptiert wird (s.o.), ist es nicht verwunderlich, daß das Kreuz in der Gesellschaft immer mehr zum bloßen Todessymbol oder zum beliebig deutbaren Zeichen wird.

44.  Die Feier des Sonntags anstelle des im AT gebotenen Sabbats, die Feier von Ostern mit Christus als unserem Paschalamm, das Beten der Psalmen mit abschließender Doxologie der Trinität etc.

45.  Vgl. etwa die im VerLex² aufgeführten Werke: Geistliche/r/s ABC, Apotheke, Baumgarten, Blumengarten, Ein- und Auskehr, Fastnachtskrapfen, Freudenmai, Geißel, Gemahelschaft. Harfe, Haus, Hausmagd, Himmelfahrt, Hove, Jagd, Klause, Kloster, Lebkuchen, Lehre, Mai, Maibaum, Meerfahrt, Mühlenlied, Neujahrsbrief, Orgel, Ratschläge, Spiegel, Spinnrocken, Spur, Streit, Wagen, Weinrebe, Weizenkorn, Wirtschaft.