Reformation: Übersicht
Vinzenz Pfnür
Anerkennung der Confessio Augustana
durch die katholische Kirche ?
Zu einer aktuellen Frage des katholisch-lutherischen Dialogs*

Übersicht:
Der katholisch-lutherische Dialog
Die Frage der Anerkennung der Confessio Augustana durch die katholische Kirche
Die Anerkennung der Confessio Augustana
    als Ausdruck der Korrektur eines polemisch verzerrten Bildes der Reformation und
    als Schlüssel zu einer gemeinsamen katholisch-lutherischen Wertung der Reformation.
Trinitarisches und christologisches Bekenntnis
Erbsünde, Rechtfertigung
Kirche, Amt
Sakramente
Taufe
Eucharistie
Buße, Beichte
Einwände und Befürchtungen bezüglich einer Anerkennung der Confessio Augustana
Zusammenfasssung und Ergebnis
Fußnoten

    Für viele noch unbemerkt ist offensichtlich in den letzten fünf Jahren eine neue Phase des ökumenischen Dialogs angebrochen. Seit 1970 veröffentlichten - teilweise gleichzeitig und unabhängig voneinander - mehr als zehn verschiedene interkonfessionell zusammengesetzte Theologengruppen wichtige gemeinsame Erklärungen zu den bisher kaum lösbar scheinenden Kontroversfragen von Eucharistie und Amt (1), - ein Phänomen, das es bisher nicht gegeben hat.

    Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, die verschiedenen Dokumente im einzelnen zu würdigen. Besonders erwähnt seien jedoch die von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung gewonnenen und wegen ihrer universalen Dimension übergreifenden Konsensusergebnisse »Die Taufe«, »Die Eucharistie«, »Das Amt« (Accra 1974) (2). »Sie enthalten die Perspektiven, die den durch lokale Bedingtheiten begrenzten Blick hinauslenken auf die Gemeinschaft der Kirchen in aller Welt.« (3)


Der katholisch-lutherische Dialog

    Im katholisch-lutherischen Dialog kommt dem Dialog in den USA und dem auf Weltebene eine besondere Bedeutung zu.
Als Schrittmacher des katholisch-evangelischen Dialoges hat sich die von der katholischen Nordamerikanischen Bischofskonferenz und vom USA-Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes sowie von der lutherischen Missourikirche beauftragte katholisch-lutherische Arbeitsgruppe erwiesen (4). Bereits 1965 veröffentlichte sie die gemeinsame Erklärung über »Die Stellung des Nizänischen Glaubensbekenntnisses als Dogma der Kirche«. 1967 wurde der dritte Band der Reihe »Lutherans and Catholics in Dialogue« mit den Referaten und Stellungnahmen zum Thema »Die Eucharistie als Opfer« herausgegeben. 1970 publizierte die Gruppe das erste gemeinsame katholisch-evangelische Dokument zur Amtsfrage »Eucharist and Ministry«. Auch bezüglich der für den katholisch-evangelischen Dialog so schwierigen Frage des päpstlichen Primates hat die USA-Dialoggruppe mit der im März 1974 veröffentlichten Erklärung »Amt und universale Kirche« die Führung übernommen.

   Den im ökumenischen Dialog durchaus noch nicht selbstverständlichen Ton möge ein Zitat verdeutlichen: »Doch trotz dieser Unterschiede und noch zu untersuchender Fragen, ist es jetzt angemessen, im Lichte der Übereinstimmung, die wir erreichen konnten, darum zu bitten, daß unsere betreffenden Kirchen konkrete Schritte auf Versöhnung hin unternehmen.
Darum fragen wir die lutherischen Kirchen,
- ob sie bereit sind, mit uns zu bekräftigen, daß der päpstliche Primat, erneuert im Lichte des Evangeliums, kein Hindernis für Versöhnung zu sein braucht;
- ob sie in der Lage sind, nicht nur die Rechtmäßigkeit des päpstlichen Amtes im Dienst der römisch-katholischen Gemeinschaft anzuerkennen, sondern auch die Möglichkeit und Wünschbarkeit des päpstlichen Amtes, erneuert unter dem Evangelium und der christlichen Freiheit verpflichtet, in einer umfassenden Gemeinschaft, die die lutherischen Kirchen mit einschließen würde;
- ob sie willens sind, in Gespräche hinsichtlich der konkreten Implikationen eines solchen Primats für sie einzutreten. In gleicher Weise fragen wir die römisch-katholische Kirche,
- ob sie nicht im Lichte unserer Ergebnisse in ihren ökumenischen Anliegen dem Problem der Versöhnung mit den lutherischen Kirchen besonderen Vorrang geben sollte;
- ob sie willens ist, Gespräche über mögliche Strukturen für eine Versöhnung zu eröffnen, die die legitimen Traditionen der lutherischen Gemeinschaften schützen und deren geistliches Erbe achten würden;
- ob sie bereit ist, die Möglichkeit einer Versöhnung ins Auge zu fassen, die die eigene Leitung der lutherischen Kirchen innerhalb einer weltweiten Gemeinschaft anerkennen würde;
- ob sie, in der Erwartung einer voraussehbaren Versöhnung bereit ist, die in unserem Dialog vertretenen lutherischen Kirchen als Schwesterkirchen anzuerkennen, die bereits das Recht auf ein bestimmtes Maß kirchlicher Gemeinschaft besitzen.« (5)
    Ebenfalls 1965 wurde vom Lutherischen Weltbund und vom Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen eine »Gemeinsame Arbeitsgruppe« auf Weltebene gebildet. Diese schlug die Bildung einer Studienkommission vor, die dann von 1967-1971 zu fünf Sitzungen zusammenkam. Der auf der Sitzung 1971 in Malta erarbeitete Abschlußbericht »Das Evangelium und die Kirche«, der sogenannte »Malta-Bericht«, wurde am 9. Februar 1972 mit einem Vorwort von A. Appel, dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, und von Johannes Kardinal Willebrands, dem Präsidenten des Sekretariats für die Einheit der Christen, veröffentlicht (6).

Für die Fortführung des Dialogs legten sich zwei Aufgaben nahe:
1. Die Frage der Rezeption des erreichten Konsenses;
2. Die Frage der »Unklarheit hinsichtlich einer gemeinsamen Lehre vom Amt« (Malta-Bericht Nr. 73).

    Die 1973 neu konstituierte internationale lutherisch-katholische Arbeitsgruppe (7) berief auf ihrer zweiten Sitzung in Rom (Januar 1974) zur intensiveren Bearbeitung dieser Fragenkomplexe zwei Unterkommissionen. Die Amtsfrage selbst wurde spezifiziert auf die Frage des Bischofsamtes: Als Tendenz und Ergebnis wurde auf der zweiten Sitzung zu diesem Punkt u.a. festgehalten: »Für ein Weiterkommen in den lutherisch-katholischen Einheitsbemühungen scheint in der gegenwärtigen Situation die Frage nach dem Bischofsamt besondere Bedeutung zu gewinnen. Die Frage nach einer gemeinsamen Anerkennung oder Versöhnung der Ämter und von daher die Frage nach Möglichkeiten eucharistischer Gemeinschaft laufen immer wieder auf die Frage nach dem Bischofsamt hinaus.«
Im Kontext der ökumenischen Dialogdokumente ergeben sich für den katholisch-lutherischen Dialog für die nächste Zeit zwei Aufgaben:
    1. Die Festigung des bisher Erreichten und der Ausbau einer breiten, gemeinsamen Vertrauensbasis;
    2. Die Konkretisierung der Diskussion über die Amtsfrage auf die Frage nach dem Bischofsamt im Hinblick auf konkrete Möglichkeiten der Wiederherstellung der Kirchengemeinschaft.
 

    Im folgenden soll der erste Punkt etwas genauer entfaltet werden.
Je mehr im katholisch-lutherischen Dialog eine begründete Hoffnung auf Wiederherstellung der Kommunion und Kirchengemeinschaft erscheint, desto mehr stellt sich die Aufgabe, diese mögliche Gemeinschaft auf eine breite gemeinsame Basis zu stellen.
 
 

Die Frage der
Anerkennung der Confessio Augustana durch die katholische Kirche

Als konkreter Schritt zum Ausbau gegenseitigen Vertrauens und der Vertiefung der gemeinsamen theologischen Basis wurde vor der internationalen lutherisch-katholischen Arbeitsgruppe im Januar 1974 in Rom vorgeschlagen, das Augsburgische Bekenntnis als Zeugnis kirchlichen Glaubens durch die katholische Kirche anzuerkennen (8).
Die ökumenische Bistumskommission Münster griff auf ihrer Sitzung vom 19. Juni 1974 diese Frage wieder auf und regte an,

»die Deutsche Bischofskonferenz möge die Möglichkeit einer Anerkennung der Confessio Augustana von selten der katholischen Kirche prüfen.
Mit einer derartigen Anerkennung soll erstens die Augsburgische Konfession in ihrer historischen und gegenwärtigen Bedeutung als Ausdruck evangelisch-lutherischen Glaubens ernst genommen und gleichzeitig ein katholisches Bild des Luthertums abgebaut werden, das vor allem durch polemisch überspitzte reformatorische Äußerungen aus der bewegten Umbruchszeit von 1520/21 bestimmt ist, die in Sammlungen ketzerischer reformatorischer Sätze konserviert wurden, auch wenn sie in der Zwischenzeit in der Confessio Augustana bereits korrigiert waren.
Zweitens soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß die Augsburgische Konfession keine kirchentrennenden Lehren vertritt und als Zeugnis gemeinkirchlichen Glaubens von katholischer Seite bejaht werden kann.«
Die Anerkennung der Confessio Augustana
    als Ausdruck der Korrektur eines polemisch verzerrten Bildes der Reformation und
    als Schlüssel zu einer gemeinsamen katholisch-lutherischen Wertung der Reformation.

    Da die evangelisch-lutherische Kirche auch in der Gegenwart auf den Bezugspunkt Reformation nicht verzichten kann, stellt sich für den katholisch-lutherischen Dialog die unabweisbare Frage nach einer gemeinsamen Wertung der Reformation. Für die katholische Seite würde die Anerkennung der Confessio Augustana zunächst eine längst fällige Korrektur eines bis in die Gegenwart vorherrschenden Bildes der Reformation bedeuten. Nicht untypisch für die katholische Sicht ist die Darstellung in dem neuesten katholischen Schulbuch zur Kirchengeschichte »Von Jesus bis heute« (9): In den zwei Kapiteln, die sich mit der lutherischen Reform befassen (Kap. 21: Martin Luther, Kap. 22: Die Kirchenspaltung im Abendland - Kap. 23 und 24 handeln von Johannes Calvin und dem Konzil von Trient) wird ausführlich vom jungen Luther und auch von den »reformatorischen Hauptschriften« gehandelt, die Confessio Augustana aber wird auf den dreizehn Seiten mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dabei sollen die erwähnten Kapitel als Bausteine thematischer Längsschnitte über »Probleme der Kirche von morgen« einen Beitrag leisten zu den Themen: »Einheit der Kirche - wie wird sie möglich?«, »Kirchen der Reformation - wohin geht ihr Weg?«, »Was glauben die anderen?« Ist schon die Reduzierung der Reformation auf den frühen Luther eine unzulässige Verengung, so ist der hier unterstellte Schluß vom frühen Luther auf die »Kirchen der Reformation« oder den »Glauben der anderen« ein ökumenisch nicht hinnehmbarer Kurzschluß. Eine ähnliche verhängnisvolle Verzerrung ist im Zielfelderplan für den katholischen Religionsunterricht der Schuljahre fünf bis zehn vorprogrammiert. Das im achten Schuljahr vorgesehene Themenfeld »Katholische Kirche und Kirchen der Reformation« wird untergliedert in die möglichen Einzelthemen: »1. Katharer, Ketzer; Die reine Kirche; 2. Ablässe, Reliquien und Wort Gottes; 3. Luther und die römische Kirche; 4. Erneuerte oder neue Kirche.«

    So sehr in den letzten fünfzig Jahren, nicht zuletzt durch die Arbeiten von Joseph Lortz, das katholische Lutherbild im Vergleich zur Sicht von Denifle und Grisar sich positiv gewandelt hat, so wird doch noch immer trotz aller ökumenischer Aufgeschlossenheit in den Darstellungen und Abhandlungen zur Reformationsgeschichte fast selbstverständlich die schon von Johannes Cochläus vertretene These übernommen, der Maßstab des Reformatorischen sei aus den frühen reformatorischen Schriften Luthers und Melanchthons zu gewinnen und die grundlegende evangelische Bekenntnisschrift, die Confessio Augustana, sei demgegenüber »kein voller Ausdruck der protestantischen Auffassung«. Eine solche Auffassung ist jedoch die Verkehrung des sich dem unvoreingenommenen Betrachter ergebenden Sachverhaltes. Sinn und Ziel der Confessio Augustana ist es ja gerade, den Maßstab des Lutherisch-Reformatorischen zu setzen: In den zwanziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts wurde Luther zum Aushängeschild einer breiten Bewegung, in der die verschiedensten und meist in irgendeiner Konfliktsituation mit dem Klerus stehenden Gruppen (Humanisten, Ritter, Bauern, Handwerker, Reichsstädte, Fürsten) sich als Anhänger der neuen Lehre verstanden. Neben dieser Verquickung des reformatorischen Anliegens Luthers mit den soziopolitischen Interessen der einzelnen Gruppen wurde das theologische Spektrum der Anhänger (Karlstadt, Müntzer, Schwärmer, Täufer, Zwingli, Agricola) der neuen Lehre immer breiter. Schließlich konnte es nach Konstituierung der ersten reformatorischen Gemeinden nicht mehr genügen, gegen einzelne Punkte zu polemisieren, nun mußte umgekehrt das wesentlich Christliche in reformatorischer Sicht dargelegt werden. Auf diesem Hintergrund der zwanziger Jahre ist die Confessio Augustana zu sehen. In Abgrenzung gegenüber der breiten reformatorischen Bewegung und in der positiven Darlegung »der Summa der Lehre, welche in unseren Kirchen zu rechtem christlichen Unterricht und Trost der Gewissen, auch zu Besserung der Gläubigen gepredigt und gelehret ist« (Confessio Augustana, Beschluß des ersten Teils) wird in der Confessio Augustana der Maßstab des Evangelisch- Lutherischen gesetzt.

    Diese Funktion sowie das literarische Genus eines offiziellen, von den maßgeblichen Repräsentanten unterschriebenen Bekenntnisses hebt die Confessio Augustana heraus aus der Vielzahl der reformatorischen Flugschriften und polemischen Gelegenheitsschriften. Dieser von der Sache her gegebene Anspruch des Augsburgischen Bekenntnisses wurde von Cochläus beiseite geschoben mit der Behauptung, Melanchthon meine das Bekenntnis gar nicht ernst und inszeniere damit nur ein ganz hinterhältiges teuflisches Täuschungsmanöver. (10)

    Cochläus konnte diese These jedoch schon 1530 nur dadurch aufrechterhalten, daß er der Confessio Augustana nur Äußerungen Luthers und Melanchthons aus den frühen zwanziger Jahren entgegenstellte und etwa Melanchthons Kolosserbriefkommentar von 1527 mit Schweigen überging, obwohl dieser 1529 bereits in dritter Auflage erschien und von Melanchthon den Theologie-Studenten anstelle der Loci von 1521, in denen noch vieles zu roh sei, zur Lektüre empfohlen wurde. (11) Aus unserer heutigen Sicht, in der wir die gesamte weitere Entwicklung der Theologie Melanchthons überblicken und in Rechnung stellen können, läßt sich die These von Cochläus nicht mehr halten. In den von Cochläus aufgeführten Punkten der Bewertung der altkirchlichen Christologie und der Konzilien der alten Kirche, der Frage der Willensfreiheit, der Notwendigkeit der Buße, der Bedeutung der guten Werke und der Unterscheidung zwischen Erbsünde - Tatsünde, Todsünde bezieht die Confessio Augustana unzweifelbar im Unterschied zu Melanchthons Aussagen von 1520/21 eine modifizierte bzw. korrigierte Position. Doch ist diese nicht vorgetäuscht, wie Cochläus behauptet, sondern vielmehr Ausdruck der theologischen Überzeugung Melanchthons, wie sie bereits im Kolosserbriefkommentar von 1527 sich anzeigt und etwa in den späten Loci von 1559 noch pointierter vertreten wird.

    J. Lortz sieht in der »`Confessio Augustana' Melanchthons, des Humanisten«, einen »Einbruch dieses Bagatellisierens [des Dogmatischen] und Relativierens [des Christlichen] in das lutherische Christentum«.
Diese ungeheure Behauptung sucht Lortz zu begründen mit dem Hinweis: »Wichtigste Unterscheidungslehren, wesentliche Abweichungen der neuen Lehre von der alten waren gar nicht behandelt. Die Unfreiheit des Willens war ebenso übergangen wie die grundsätzliche Bestreitung des päpstlichen Primates, `die Gewalt' der Bischöfe aber sollte beibehalten werden, wenn sie das Evangelium richtig verkündigen lassen.« (12)

Was die Frage der Willensfreiheit betrifft, so war der Ausgangspunkt der reformatorischen Lehre vom unfreien Willen der Kampf gegen die vom Gabriel Biel vertretene Position, der Mensch sei aus eigener Kraft ohne die Gnade Gottes fähig und frei, Gott über alles zu lieben und so das Gesetz Gottes der Sache nach zu erfüllen.
In den Jahren 1520/21 wird dieses theologische Anliegen überspitzt in einen philosophischen Determinismus (Alles geschieht mit Notwendigkeit) und in die Behauptung: Gott ist die Ursache des Bösen.
Die weitere Entwicklung führt wieder zu einer Rückbesinnung auf das eigentliche theologische Anliegen der Lehre vom unfreien Willen und zu einer Ausscheidung der Überspitzungen von 1520/21 als nicht zur Sache gehörig.
Im Zuge dieser Entwicklung wird, insbesondere von Melanchthon, der Rekurs auf den verborgenen Willen Gottes, durch den Luther in »De servo arbitrio« bestimmte Schriftaussagen relativierte, abgewiesen. Einzig verbindliche Größe sei die Offenbarung und die im geoffenbarten Wort gegebene universale Verheißung des Heiles, die es anzunehmen und zu bewahren gelte (13).
Während Luther im Anschluß an Melanchthons Loci von 1521 sich noch 1525 auf den Philosophen Laurentius Valla beruft, hat Melanchthon schon 1522 die Bezugnahme auf Valla fallen gelassen. Später lehnt Melanchthon die Auffassung Vallas entschieden ab und betont immer wieder, daß wir in der Frage nach dem Willen Gottes nicht »außerhalb des Wortes und ohne das Wort« urteilen dürfen.(14).
Während Luther in der Polemik gegen die Papisten das »salvos fieri« (sothänai) von 1 Tim 2, 4 absichtlich mit »genesen« bzw. »gesund werden« übersetzt - die von Luther ab 1530 verwendete Kompromißübersetzung »welcher will, daß allen Menschen geholfen wird« ist bis heute noch nicht revidiert -, wird diese Stelle für Melanchthon in der von der Exegese allgemein bestätigten Übersetzung: Gott »will, daß alle Menschen gerettet werden« zum Beleg für den allgemeinen Heilswillen Gottes (15).
Auf diesem Hintergrund sind die Artikel 18 und 19 der Confessio Augustana zu beurteilen. Zu behaupten, die Unfreiheit des Willens sei übergangen, beruht auf einer Verkennung des theologischen Anliegens der Lehre vom unfreien Willen.
Confessio Augustana 18 heißt es: »Ohn Gnad, Hilfe und Wirkung des heiligen Geistes vermag der Mensch nicht Gott gefällig zu werden, Gott herzlich zu furchten, oder zu glauben, oder die angeborene böse Lüste aus dem Herzen zu werfen.« (16)

Auch wird das Christliche nicht relativiert, sondern gerade umgekehrt kommt Melanchthon zu der Korrektur seiner Auffassung durch das Ernstnehmen der Schrift und der Offenbarung. Dies sollte bei der Bewertung Melanchthons das entscheidende Kriterium sein und nicht der Vorwurf, er habe »die rauhen Knoten und inneren Widersprüche, dafür aber auch das Unverwüstliche an Luthers Aussprüchen, das ungebunden Wachsende, das Nicht-Lehrhafte, kurz das Urtümliche angetastet«. (17)

Das Votum Melanchthons für die Beibehaltung der »Gewalt« der Bischöfe entspringt nicht humanistischer Relativierungstendenz, sondern umgekehrt der Sorge Melanchthons, »daß an die Nachfahren die reine Lehre des Evangeliums weitergegeben wird; denn dies fordert man in erster Linie von diesem Stand«, wie Melanchthon auch nach dem Scheitern der Einigungsverhandlungen von 1530 schreibt (18).
Zudem ist diese Frage auf dem Hintergrund der etwa in den fränkischen Gutachten für den Reichstag zu Augsburg ihren Niederschlag findenden Diskussion zu sehen, ob der weltlichen Obrigkeit zustehe, »das euangelion zu regiern«, was zum Beispiel der lutherisch gesinnte Pfarrer von Blaufelden Georg Amerbacher »als greuliche Sund« ablehnt (19). Auch »Melanchthon glaubte das Geschick der Kirche auf die Dauer bei den Bischöfen besser als bei den Fürsten aufgehoben zu sehen« (20).

    Die vielzitierte »Leisetreterei« Melanchthons ist weniger ein sachliches Argument als vielmehr Indiz der weitverbreiteten Verzerrung des Melanchthonbildes. Die hier im Hintergrund stehende Äußerung Luthers vom 15. Mai 1530 lautet: »Ich habe Magister Philipps Apologie überlesen, die gefällt mir sehr gut und ich weiß nichts daran zu verbessern noch zu ändern. Es würde sich auch nicht schicken, denn so sanft und leise kann ich nicht treten. Christus unser Herr helfe, daß sie viel und große Frucht schaffe, wie wir hoffen und bitten. Amen.« (21) Im Zusammenhang gelesen ist diese Äußerung insgesamt positiv (22), und das Wort von dem Sanft- und Leisetreten bezieht sich im Kontext gleichzeitiger Äußerungen nicht so sehr auf den Inhalt als vielmehr auf die Form (23).
Sachlich bedeutsamer ist die kurz nach Übergabe der Confessio Augustana in einem Brief Luthers ausgesprochene (24) und den Ausgaben der Confessio Augustana ab 1531 vorangestellte Wertung: »Ich habe von Deinen Zeugnissen im Angesicht der Könige gesprochen und wurde nicht zuschanden.«

Umgekehrt ist die seit dem neunzehnten Jahrhundert praktizierte Methode, die Confessio Augustana am frühen Luther zu messen, nicht zu begründen:
    1. Aus dem Selbstverständnis der Schriften des frühen Luther ergibt sich kein der Confessio Augustana vergleichbarer Anspruch.
    2. Wollte man den Inhalt von Luthers Turmerlebnis zum Kriterium des Lutherisch- Reformatorischen machen, dann wäre die Einheit des Luthertums gefährdet, weil es gegenwärtig unter den Lutherforschern keine Einigung über den Zeitpunkt und damit über den Inhalt des sogenannten Turmerlebnisses gibt: Was für die einen noch typisch katholisch ist, ist für die anderen schon wesentlich reformatorisch.
    3. Auch vom Anlaß des Reformationsfestes ist kein Kriterium des Reformatorischen zu gewinnen, wie die neueren Forschungsergebnisse zur Frage von Luthers Thesenanschlag zeigen.
    4. Will man aus der Zeit bis 1522 den Maßstab des Reformatorischen ableiten (25), dann muß man auch die extrem überspitzte Position Luthers dieser Zeit, etwa seinen philosophischen Determinismus (vgl. Assertio, 1520: »Alles geschieht nach absoluter Notwendigkeit. Dies wollte auch der Dichter . . .«. WA 7,146,7ff.) oder seinen »Sündenpessimismus« (ebd.: »Auch die schlechten Werke wirkt Gott in den Gottlosen«. WA 7,144,33f.) in Kauf nehmen, was aber wiederum die lutherische Identität gefährden würde.

Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Anerkennung der Confessio Augustana durch die katholische Kirche zugleich ein Hinweis auf ein bislang vernachlässigtes Methodenproblem.
 

Für die katholische Seite ergibt sich mit der Anerkennung der Confessio Augustana eine weitgehende inhaltliche Korrektur des Bildes des Luthertums.
Bis in die Gegenwart gründet das katholische Bild des Luthertums eindeutig in der Phase der reformatorischen Bewegung, zeitlich etwa in der Zeit von 1520-1525.
Dabei spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle.
Einmal die polemisch überspitzten Äußerungen Luthers und anderer Reformatoren in dieser Zeit, die systematisch in einer Reihe von Katalogen ketzerischer reformatorischer Sätze gesammelt wurden (26) und auch für das Konzil von Trient den Ausgangspunkt zum Verständnis der Reformation bildeten (27), obwohl in der Zwischenzeit in der Confessio Augustana diese überspitzte reformatorische Position weitgehend revidiert wurde. Diese im Bekenntnis revidierte reformatorische Position ging nicht mehr in das katholische Bild der Reformation ein.
Zum anderen bilden die Erfahrungen der katholischen Luthergegner mit den Auswirkungen der neuen Lehre in den einzelnen Städten und Orten einen nicht zu unterschätzenden und bisher zu wenig beachteten Faktor für das katholische Verständnis der Reformation: Wer einen Bilder- und Klostersturm miterlebte, wer im Namen der neuen Lehre auf der Kanzel mit Steinen bewerten, vom Pöbel gejagt und vom Magistrat schikaniert und aus der Stadt vertrieben wurde - Erfahrungen, die viele katholische Luthergegner machen mußten -, liest die reformatorischen Schriften unter einem anderen Verstehenshorizont als der Lutherforscher in seinem Studierzimmer. So schreibt etwa Johannes Mensing; »Lieber Philipp, diese frommen Lehrer erschrecken uns nicht, denn sie sind unverdächtig. Ihr aber habt es mit unzähligen Irrsalen, Aufruhr und falscher Lehr dahin gebracht, daß man euch nicht glaubt, wenn euch zuweilen auch ein wahrhaftiges Wort entfährt.« »Und um die Wahrheit zu sagen, das ist die Ursache, daß wir ihnen, wie gesagt, so übel vertrauen, wenn sie etwas reden, das sonst vielleicht zu leiden und seine gute Deutung haben könnte, wie wir auch viele Worte der heiligen Lehrer zum besten deuten.« (28)

Als Konsequenz der Anerkennung der Confessio Augustana ergäbe sich für die katholische Seite, daß nicht mehr vereinzelte, polemisch überspitzte reformatorische Äußerungen aus der bewegten Umbruchszeit, sondern der im bisherigen katholischen Bild der Reformation kaum zum Tragen kommende positive Beitrag zum Aufbau der lutherischen Gemeinden im Vordergrund stehen.
Als Stichpunkte wären hier zu nennen:

Bekenntnis, Kirchenordnung, Katechismus, Liturgie in der Landessprache, Predigt, Kirchenlied u.a.
Mit Recht schreibt J. Ratzinger:
   »Gemeinhin wird die Realität Kirche als das eigentlich trennende angesehen, und in mancher Hinsicht ist sie es auch. Aber man darf nicht vergessen, daß nicht nur die römisch-katholische Kirche und die verschiedenen Kirchen des Ostens katholische Kirche im Sinn der Kirche der ersten Jahrhunderte sein wollen, sondern daß auch die Reformationskirchen, speziell diejenige des Augsburgischen Bekenntnisses, die wirkliche, die ursprüngliche Katholizität gesucht haben und suchen. Das hat zur Folge, daß trotz der Differenz der theologischen Interpretationen und der geschichtlichen Ausgangspunkte im Innern der einzelnen Konfessionen ein überraschend ähnliches Leben besteht, positiv und negativ. Gegen alle Spaltungen hat sich der wesentliche christliche Inhalt immer wieder überraschend einig als derselbe durchgesetzt, so wie die Menschlichkeit der Menschen unter verschiedenen Vorzeichen immer wieder recht ähnlich sich äußert.« (29)
 

Mit einer Anerkennung der Confessio Augustana (CA) durch die katholische Kirche soll »zweitens zum Ausdruck gebracht werden, daß die Augsburgische Konfession keine kirchentrennenden Lehren vertritt und als Zeugnis gemeinkirchlichen Glaubens von katholischer Seite bejaht werden kann«.

Dies soll anhand der wichtigsten Lehraussagen der CA kurz angezeigt werden.
Die CA gliedert sich in zwei Teile:
1. die »Artikel des Glaubens und der Lehre«, eingeordnet in einen heilsgeschichtlichen, christologisch akzentuierten Aufriß (Art. 1-17) mit dem einzelne Fragen näher erläuternden Nachtrag (Art. 18-21),
2. die »Artikel, von welchen Zwiespalt ist, da erzählet werden die Mißbräuche, so geändert seind« (Art. 22-28).
 
 

Trinitarisches und christologisches Bekenntnis

»Die Kirchen lehren in großem Konsens bei uns: Das Dekret des Konzils von Nicäa über die Einheit der Wesenheit und die drei Personen ist wahr und unzweifelhaft zu glauben« (CA 1). Des weiteren legt die CA die Aussage von der einen Wesenheit und den drei Personen in Gott im Anschluß an die Lehrtradition der morgen- und abendländischen Kirche aus und verwirft alle alten und zeitgenössischen »Ketzereien, so diesem Artikel zuwider seind«.
In das christologische Bekenntnis »lauts des Symboli Apostolorum« fügt CA 3 die im Anschluß an das Konzil von Chalkedon und die Bulla unionis Coptorum des Konzils von Florenz (1442) formulierte Lehre von den Zwei Naturen in Christus ein (30).

Die Bedeutung, die die CA dem Apostolischen Symbolum und dem Konzil von Nicäa beimißt, wird deutlich auf dem Hintergrund der Entwicklungslinie, die durch folgende Äußerungen Melanchthons skizziert werden kann:
1521:  »Von dem, was über die Schrift hinaus weitergegeben wird, weiß man nicht, ob es aus dem Geiste Gottes oder aus dem Lügengeist hervorgeht«.
1528:  »Von jenen [den alten Schriftstellern] ist ohne sichere und offenbare Schriftzeugnisse nicht abzuweichen«.
1556:  »Auslegungen und Urteil sollen übereinstimmen mit dem Fundament, nämlich mit Gesetz, Evangelium und den Symbola. Diese Norm zu wissen und zu befolgen, ist notwendig nach dem Wort: Wenn einer ein anderes Evangelium lehrt, sei er verflucht«  (31).

Die CA markiert eine Situation, in der im Gefolge der innerreformatorischen Auseinandersetzungen um Kindertaufe, Abendmahl und Trinität das Verhältnis von Schrift und Tradition differenzierter gesehen wurde als zu Beginn der zwanziger Jahre (32).
 
 

Erbsünde, Rechtfertigung

    Entscheidend für das Verständnis der Rechtfertigungslehre der CA ist die genaue Beachtung der abgelehnten Gegenposition. In Art. XVIII der Ausgabe von 1531 der CA verwerfen die ecclesiae »die Pelagianer und anderen, die lehren,
daß wir ohne den Hl. Geist allein durch die Kräfte der Natur Gott über alles lieben und die Gebote Gottes der Substanz der Akte nach erfüllen können«. Die Gnade füge nur den Aspekt des Verdiensteshinzu (33).
Mit dieser seit Luthers Römerbriefvorlesung durchgehend abgelehnten Position ist die »siebenmal versuchte Theologie der Neueren«, vor allem Gabriel Biel (gest. 1495) und die durch ihn vermittelte Tradition angezielt (34).

Gegenüber diesen scholastischen Lehrern, die »die Erbsünde aushöhlen«, »der menschlichen Natur unversehrte Kräfte zubilligen« (Apologie [Ap] II, 7 f.) und »die Natur fromm machen durch naturlich Kraft« (CA II, 3) lehren die ecclesiae nach CA II, 1, »daß nach Adams Fall alle Menschen, so naturlich geborn werden, in Sunden empfangen und geborn werden, das ist, daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung seind und kein wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur haben können«. Gegen Zwingli, der in der Erbsünde nur eine Krankheit, keine Sündenschuld gegeben sieht, betont CA II, daß die Erbsünde »wahrhaftiglich Sund sei und verdamme alle die unter ewigen Gotteszorn, so nicht durch die Tauf und heiligen Geist wiederum neu geborn werden«. Luthers Redeweise von der nach der Taufe bleibenden Sünde richtet sich gegen die Auffassung von Duns Scotus und Biel, daß »wenn der Akt der Sünde vorbei ist, nichts in der Seele zurückbleibt, was der Vergebung der Sünde im Wege steht . . . außer der Straf Verhaftung«. Die ohne diesen Hintergrund mißverständliche Formulierung Luthers war der katholischen Kontroverstheologie anstößig. Bei den Religionsgesprächen in Augsburg 1530 und Worms 1541 kam es in dieser Frage im Anschluß an die thomistische Auffassung zu einer Einigung: Das materielle peccati bleibt, das formale peccati, die Schuld, wird weggenommen durch die Taufe (35).

Die Rechtfertigung ist nach Luthers Auslegung des Glaubensbekenntnisses im Großen Katechismus und in der Schrift vom Abendmahl Christi (1528) dem Werk Christi und des Hl. Geistes zugeordnet. Christus hat »uns dem Vater versühnt«, »hat uns den Schatz erworben«. »Der Hl. Geist . . . lehrt uns diese uns erzeigte Wohltat Christi erkennen, hilft sie empfangen«, »macht uns teilhaftig dieses Schatzes. Deshalb ist Heiligen nichts anderes als uns zu Christus bringen, damit wir die durch Christus erworbenen Güter empfangen, zu denen wir durch uns selbst niemals gelangen könnten.« (36) Diese Hinordnung der Rechtfertigung auf Christi Versöhnungstat und das Wirken des Geistes, das nach CA III der Herrschaft des erhöhten Herrn zugeordnet wird und in CA V-XIV als Wirken des Geistes in der Kirche durch Amt, Wort und Sakrament näher ausgelegt wird, zeigt sich in dem in CA III vorgezeichneten heilsgeschichtlichen christologisch akzentuierten Aufriß der CA, in der Stellung von CA IV innerhalb dieses Aufrisses, wie auch in dem Verständnis von Rechtfertigung, die nach der CA »um Christi willen« und »durch Christus« geschieht und sowohl als »selig werden durch die Gnade unsers Herren Jesu Christi« (CA XXVI, 27) als auch als »empfangen der Verheißung des Geistes« (CA V, 3) beschrieben werden kann. Die »Gerechtigkeit, die vor Gott gilt«, wird gleichgesetzt mit der iustitia spiritualis, »der innerlichen geistlichen Gerechtigkeit« (CA XVIII; Na XVII). Nach Melanchthons Auslegung des Römer-Briefes (1529/30) »umfaßt die Schrift, wenn von Gnade die Rede ist, dies beides: Vergebung der Sünden und Gabe des Hl. Geistes ... Es irren also die, die disputieren, man könne in der Gnade sein und dennoch den Hl. Geist nicht haben.« (37) Die in der Sündenvergebung um Christi willen und in der Gabe des Hl. Geistes sich verwirklichende Rechtfertigung beinhaltet l. ein »Gerechtgemachtwerden« und »Neu-Geborenwerden durch den Hl. Geist«, das vor allem in Taufe und Absolution sich ereignet und dann in einer sittlichen Erneuerung sich auswirkt, und 2. ein damit eröffnetes »Gerechtgehaltenwerden« (iustum reputari), das solange gilt, bis man durch die Todsünde aus der Rechtfertigung fällt (38). CA XII werden die verworfen, die »lehren, daß diejenigen, so einst fromm worden (semel iustificatos), nicht wieder fallen mugen«. Im Unterschied zu den von den katholischen Luthergegnern verurteilten Äußerungen Luthers und Melanchthons, daß der Getaufte sein Heil nur durch Aufgeben des Fiduzialglaubens gefährden könne, verliert man nach der Ap den Geist und den Glauben durch ein Nachlassen in der Liebe und ein Unterlassen der Werke (39). Das Anliegen der recht verstandenen katholischen Lehre von der Verdienstlichkeit der guten Werke lehnt Melanchthon nicht ab, sondern mißt den guten Werken, die nach der CA und Ap als »Frucht« des Glaubens hervorgehen, »Werke Christi« sind, »wegen des Willens Gottes« und »Gott zu Lob« geschehen sollen und müssen und notwendig sind, »daß der Glaube dadurch geübt werde, wachse und zunehme«, Bedeutung zu für die »Unterschiede in der Herrlichkeit der Heiligen« (40).
 

Bei den Religionsverhandlungen auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 einigte man sich in der Rechtfertigungslehre:

Die Sündenvergebung geschieht »durch die gratia gratum faciens und den Glauben förmlich und eigentlich (formaliter) und durch Wort und Sakramente als durch Instrument und Werkzeug«.
Sowohl die Formulierung »Rechtfertigung allein durch den Glauben« (sola fide) wie auch »Rechtfertigung durch die durch die Liebe formierte Gnade« (gratia caritate formata) ist vermieden, weil man ein gegenseitiges Mißverständnis vermeiden wollte. Obwohl Eck eine sachliche Berechtigung der Redeweise von der Rechtfertigung durch den Glauben allein anerkennt, fordert er dennoch den Verzicht auf dieses Wort, weil dadurch das einfache Volk verleitet werde zu glauben, Liebe und Werke seien überflüssig. Umgekehrt argumentiert Melanchthon im Blick auf die abgelehnte nominalistische Position: »Wenn man caritatem oder anders setze, so weise man auf uns und nicht auf Gottes Gnade.« (41)
Wenngleich diese Einigungsformel das ein Jahrzehnt gewachsene gegenseitige Mißtrauen nicht mit einem Schlag beseitigte und auch bezüglich des Verhältnisses von Glaube und Liebe noch offene Fragen bleiben, so kommt dieser Einigung doch insofern Bedeutung zu, als hier dem reformatorischen Glaubensbegriff der katholische Gnadenbegriff zugeordnet wird.

Die Ap (IV, 116) übernimmt diese Einigungsformel:

»Und weil allein dieser Glaube die Sündenvergebung empfängt, uns vor Gott angenehm macht und den Heiligen Geist mit sich bringt, so sollte er besser gratia gratum faciens genannt werden als die nachfolgende Wirkung, nämlich die Liebe«, und schließt auch dadurch ein einseitiges forensisches Verständnis von Rechtfertigung aus.
Die 1530 »in der sach an jr selbs« (Eck) und nicht in einer Begriffskleisterei erzielte Einigung in der Rechtfertigungslehre hat ihre Berechtigung darin, daß die von Luther und Melanchthon bekämpfte Gegenposition weder von der Confutatio noch vom Konzil von Trient vertreten wird, und umgekehrt die in den Katalogen ketzerischer Sätze bis hin zum Konzil von Trient und in die Gegenwart abgelehnte reformatorische Position sich nicht mit der Lehre der CA und der Ap deckt.
 
 


Kirche, Amt

    »Wie Augustinus zwischen communio sanctorum und societas sanctorum und später Früh- und Hochscholastik . . . zwischen der Zugehörigkeit zur Gemeinsamkeit der Gnadenmitteln und der Zugehörigkeit zur Gnadengemeinschaft unterschieden« (42), so unterscheidet die CA bzw. Ap zwischen der »Versammlung aller Gläubigen und Heiligen«, die »die christliche Kirche eigentlich« (proprie) ist, und der »Gemeinschaft der äußeren Zeichen der Kirche, nämlich des Wortes, des Bekenntnisses und der Sakramente«, nach der auch die in diesem Leben beigemischten nicht exkommunizierten Heuchler und Bösen »Glieder der Kirche sind«, »Ämter in der Kirche haben«, die Sakramente »an Christus statt« (Christi vice et loco) spenden und »die Person Christi repräsentieren« (43). Verworfen werden »die Donatisten und dergleichen« (nach Ap VII, 29, »die Wiclifisten«), »die das Amt der Bösen für nicht nützlich und nicht wirksam hielten« (CA VIII). Die Auffassung von der Kirche als »platonischer Stadt«, als »erdichteter Kirche, die nirgends zu finden sei« weist die Ap zurück (44).

Der umstrittene Satz von CA VII: »Dann dies ist gnug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß da einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakrament dem gottlichen Wort gemäß gereicht werden«, ist von seiner negativen Entsprechung her zu interpretieren: »Und ist nicht not zu wahren Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Ceremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden.« Im Kontext der CA soll damit gesagt werden: Zur »einen heiligen christlichen Kirche«, die »alle Zeit sein und bleiben muß«, gehören auch die ecclesiae apud nos. Sie sind nicht »als Ketzer abzusondern«, da eine Übereinstimmung in der Lehre mit der Hl. Schrift und »gemeiner christlichen, ja auch romischer Kirchen so viel aus der Väter Schriften zu vermerken« gegeben ist und Uneinigkeit lediglich in den geänderten Traditionen und Mißbräuchen besteht.(45) Das Amt, als dessen Modell der Melanchthon von 1530 und die CA das katholische Bischofsamt verstehen (46), steht in Beziehung zu beiden Teilen, dem, worin man eins sein muß in der Kirche, und dem, worin es keine notwendige Gleichförmigkeit geben muß, wie sich aus CA XXVIII eindeutig ergibt: Im Blick auf den ersten Bereich (Wort und Sakrament) müssen den Bischöfen »die Kirchen notwendig und de iure divino Gehorsam leisten« (CA XXVIII, 21 f.). Im Blick auf den zweiten Bereich »der Kirchenordnungen und Ceremonien« gebührt es, solche Ordnung »um der Liebe und des Friedens willen zu halten und den Bischöfen und Pfarrern in diesen Fällen gehorsam zu sein . . . doch also, daß die Gewissen nicht beschwert werden, daß man's für solche Dinge halte, die not sein sollten zur Seligkeit« (CA XXVIII, 53. 55 f.).
CA VII schließt das Amt nicht aus (47), sondern im Kontext der CA implizieren die Ausdrücke »rein«, »nach reinem Verstand«, »pure« und »lauts des Evangelii«, »dem göttlichen Wort gemäß«, »recte« das Amt, denn nach CA XXVIII, 20 f. »ist das bischoflich Ambt nach gottlichen Rechten das Evangelium predigen, Sunde vergeben, Lehr urteilen und die Lehre, so dem Evangelio entgegen, verwerfen und die Gottlosen, dero gottlos Wesen offenbar ist, aus christlicher Gemein ausschließen«. Auf keinen Fall ist das Amt unter die »von den Menschen eingesetzten Ceremonien einzuordnen, denn nach CA V »hat Gott das Predigtamt eingesetzt«. Das Amt wird in der CA, wie überhaupt in den lutherischen Bekenntnisschriften nicht aus dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen abgeleitet, sondern aus der Sendung und Beauftragung durch Gott: »Wer euch hört, hört mich« (CA XXVIII, 22) (48). Als Modell für das »rite vocari« (CA XIV) sieht die Ausgabe der CA von 1540 die Einsetzung der Presbyter durch Titus (Tit 1,5). (49)
 
 

Sakramente

    Die CA führt drei Sakramente auf: Taufe, Eucharistie, Buße (50). Daß diese Aufzählung nicht exklusiv zu verstehen ist, wird daran deutlich, daß die Ap und der späte Melanchthon auch die Ordinarien als Sakrament gewertet sehen möchten (51). Eine Anerkennung der CA würde deshalb einer offenen Erörterung der noch ungeklärten Fragen (vor allem der eines engeren oder weiteren Verständnisses der Einsetzung durch Jesus, sowie des Zeichen- und Gnadenbegriffes) nicht im Weg stehen.

    Die reformatorische Polemik gegen das »ex opere operato« will nicht die Wirksamkeit der Sakramente bestreiten, sondern richtet sich gegen eine ganz bestimmte Auffassung vom »opus operatum«, nämlich 1. in der stereotypen Verbindung mit dem Zusatz: »ohne gute Regung im Empfänger« gegen die im Anschluß an Biel interpretierte skotistische Sakramentenlehre, 2. gegen diesen Begriff im Zusammenhang der Verdienstlehre, etwa in der Verbindung: Gebet, Fasten, Almosen, Genugtuung ex opere operato (52).

Desgleichen ist das »sola fide« nicht gegen die Sakramente gerichtet: »Und durch das Wort SOLA, so wir sagen: allein der Glaub macht fromm, schließen wir nicht aus das Evangelium und die Sakramente, daß darum das Wort und Sakrament sollten vergeblich sein, so es der Glaub alles allein thut, wie die Widersacher uns alles gefährlich deuten; sondern unsern Verdienst daran schließen wir aus« (Ap IV 73).

Nach der CA sind die Sakramente gleichsam »Instrumente«, »Mittel«, durch die »Gnade angeboten wird«, »Gott den Geist gibt« und den »Glauben wirkt«, »erweckt und stärkt« und »seine Verheißungen austeilt«. Sie sind »wirksam«, »efficax«, auch wenn der Priester, durch den sie gereicht werden, schlecht ist (53).
In der Auseinandersetzung mit den Täufern und Zwingli betonen Luther und Melanchthon, daß Taufe, Eucharistie und Absolution »nicht auf Menschen Glauben oder Unglauben stehen«. »Ein König gibt dir ein Schloß. Nimmst du es nicht an, so hat der König darum nicht gelogen noch gefehlt, sondern du hast dich betrogen ... der, König hats gewiß gegeben.« (54)
 
 

Taufe

»Die Taufe ist notwendig zum Heil.« »Die Kinder sind zu taufen. Durch die Taufe Gott überantwortet, werden sie in die Gnade Gottes aufgenommen« (CA IX). »Die Kindertaufe ist nicht vergeblich, sondern notwendig und wirksam zum Heil« (Ap IX,1).
Damit sind in der Auseinandersetzung mit den Täufern frühere Aussagen (vgl. den von Cochläus und Fabri exzerpierten und vom Konzil von Trient verurteilten Satz Luthers, daß es besser sei für die Kinder, die Taufe zu unterlassen, als sie ohne eigenen Glauben zu taufen) revidiert bzw. modifiziert (55).
 
 

Eucharistie

    Nach CA X ist »wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestalt des Brots und Weins im Abendmahl gegenwärtig«.
Die Ap ergänzt im Anschluß an die Religionsverhandlungen von 1530 das Wörtchen »substantialiter« und verweist auf die gemeinsame Lehre der römischen und griechischen Kirche von der »Verwandlung« des Brotes in den Leib Christi (56).

Nicht das in der CA von Melanchthon bewußt vermiedene Wort »Opfer« (Ap XXIV, 14. 35) ist der zentrale Kontroverspunkt, sondern die Auffassung von der Messe als Werk ex opere operato. Die Ap verweist dabei ausdrücklich auf Gabriel Biel (Ap IV, 210), für den die Messe ex opere operato im Unterschied zum Kreuzesopfer einen endlichen Wert hat, sowohl aufgrund der Einsetzung durch Christus, wie auch aufgrund der Aufopferung durch die Kirche (57).
Beachtet man diesen Hintergrund, so ist eine Klärung der Sachfragen möglich und im katholisch-lutherischen Dialog bereits weitgehend erreicht (58).
 
 

Buße, Beichte

    Gegenüber Gabriel Biel (59), der die Wirkung der Sündenvergebung der Vollreue (contritio) zuspricht und der Absolution lediglich deklarative Funktion zuteilt, wendet sich die Ap gegen eine »Schmälerung der Schlüsselgewalt« und betont mit der CA und dem Luther von 1530 die »Kraft« der Absolution, die nach Ap XII, 41 »eigentlich das Sakrament der Buße genannt werden kann« (vgl. Ap XIII, 4). Entgegen dem »verderblichen Irrtum«, »daß die Schlüsselgewalt Vergebung der Sünde nicht vor Gott, sondern vor der Kirche gewähre«, ist nach CA XXV, 3 f. und dem Luther von 1530 der »Absolution zu glauben, nicht weniger, als wenn Gottes Stimme von Himmel erschölle«. Sie ist »nicht des gegenwärtigen Menschen Stimme oder Wort, sondern Gottes Wort, der die Sünde vergibt. Denn sie wird an Gottes Statt und aus Gottes Befehl gesprochen.« (60) »Was Sündenvergebung oder Schlüsselgewalt ist, versteht man nicht, wenn man die Privatabsolution verachtet« (Ap XII, 101). Sie aus der Kirche fortzutun, wäre gottlos (Ap XII, 101), »vielmehr soll man sie in der Kirche erhalten und nicht fallen lassen« (CA XI).

Die Betonung der zwei Teile der »wahren rechten Buße«, nämlich »Reue und Leid oder Schrecken haben über die Sünde« und »glauben an das Evangelium und Absolution« ist auf dem Hintergrund der Kontroverse von 1527 zwischen Melanchthon und Agricola um die Wertung der Buß- und Gesetzespredigt zu sehen und gegen die gerichtet, die »den Glauben ohne Buße . . . verkündigen« (61).

»Danach soll auch Besserung folgen« (CA XII, 5 f.).
Bei den Religionsverhandlungen 1530 war die lutherische Seite ähnlich wie Melanchthon schon in den Visitationsartikeln und im Unterricht der Visitatoren bereit, »daß drei Teile der Buße oder Pönitenz gesetzt werden« (62).
 
 

Einwände und Befürchtungen
bezüglich einer Anerkennung der Confessio Augustana (63)

Zunächst danke ich Herrn P. Hacker und Herrn Th. Beer, daß sie durch ihre Beiträge auf Fragen, die sich mit einer möglichen Anerkennung der Confessio Augustana stellen, hingewiesen und dadurch zu einer weiteren Klärung aufgerufen haben.
Th. Beer gegenüber ist sodann ein mögliches Mißverständnis klarzustellen:
Mit einer Anerkennung der CA geht es nicht um ein Votum für Melanchthon gegen Luther, sondern um ein Votum für die offiziell von den evangelisch-lutherischen Kirchen angenommenen Bekenntnisse, unter denen Luthers Kleinem Katechismus und der CA als Bekenntnisgrundlagen nach der Verfassung des Lutherischen Weltbundes besondere Bedeutung zukommt.

Zur Interpretation der CA ist, und darin ist P. Hacker voll zuzustimmen, Melanchthons »Apologia Confessionis Augustanae" ein »unentbehrlicher Kommentar«. Melanchthon verfällt darin im Unterschied zur CA in der Wertung seiner katholischen Gesprächspartner in einen äußerst polemischen Ton (vgl. CA XX, 5 ff. mit Ap XVIII, 2; Ap XX, 3), in den Sachfragen selbst jedoch - dies wird vielfach übersehen - festigt er, auch unter Einbeziehung der 1530 in Augsburg erzielten Einigung die gemeinsame katholisch-lutherische Basis (vgl. Sündenbegriff: Todsünde, Wertung der guten Werke, Gegenwart Christi im Abendmahl, Buße und Ordination als Sakrament, gratia gratum faciens u.a.). Diese in der CA und Ap - und weitgehend auch von Luther in dieser Zeit - bezogene Position ist nicht identisch mit der Position Luthers wie Melanchthons von 1520/21, wie an der Frage der Willensfreiheit, des Sündenbegriffs, der Wertung der alten Konzilien, des Amts- und Kirchenbegriffs noch eingehender aufzuweisen wäre.

Die Befürchtungen von Beer bezüglich 1. einer unannehmbaren »forensischen Gerechtigkeit Melanchthons«, die »in einer unausgeglichenen Spannung zur effektiven Gerechtsprechung« (!) stehe, und 2. eines »Übergehens des Verdienstes« beruhen auf falschen Voraussetzungen und betreffen weder die CA noch die Ap. (64) Das theologische Anliegen der Unterscheidung Luthers von gratia und donum ist in der CA und Ap in der Sache voll aufgenommen. Lediglich Luthers christologische Hilfskonstruktion ging in dieser Frage (wie auch in der Abendmahlslehre: vgl. Luthers Ubiquitätslehre) in die CA, aber auch in Luthers Katechismen und Schmalkaldische Artikel, nicht ein. Demgegenüber kommen in der CA und Ap das heilsgeschichtliche Denken und die Aussagen der Schrift stärker zum Tragen, wie etwa in der Einbeziehung der Gabe des Hl. Geistes in die Rechtfertigungslehre sich zeigt. Doch können Melanchthon und die CA auch hier auf Aussagereihen Luthers zurückgreifen, wie in der Frage der Heiligung durch den Hl. Geist deutlich wird. (65)

P. Hacker sieht mit Verweis auf Luthers Brief an Jonas vom 21.7. 1530 »die verbreitete Beurteilung der Augustana als Vertuschung .... durch ein Urteil Luthers buchstäblich gerechtfertigt«. Abgesehen davon, daß die grundsätzlich methodische Frage nach dem Maßstab, der das Urteil »Vertuschung« »rechtfertigt«, nicht durch einen Verweis auf eine Äußerung Luthers zu lösen ist, läßt sich aus der angezogenen Stelle - auch unabhängig von der Reihe positiver Aussagen Luthers zur CA - keine allgemeine Abwertung der Lehraussagen der CA herauslesen (vgl. auch die am selben Tag geschriebenen Briefe Luthers an Melanchthon und Kurfürst Joh. v. Sachsen). Nach dem Kontext des Briefes und der historischen Situation greift Luther mit dem Stichwort »verschweigen« die Argumentation »Satans«, gemeint sind der katholischen Gegner, auf. Was Luther mit den drei genannten Punkten vermißt, ist die polemische Abrechnung mit dem Gegner, wie sein in dieser Zeit verfaßter »Widerruf vom Fegfeuer« zeigt: Gegenüber den »Sophisten«, die jetzt ihre Greuel »durch viel Geplärr und Geschrei zu verbergen sich unterstehen und sich herausputzen«, »aus ihrem Schandloch sich hervormachen, daß man all ihr lästerliches Lehren und Wesen vergessen sollte«, will er »wieder das alte Register hervorziehen« (WA 30 II, 367). Die Formulierung »Artikel ... vom Antichrist Papst« weist in dieselbe Richtung. Melanchthon reiht demgegenüber diesen Artikel nicht ein in die für die Predigt vor dem Volk nötigen Lehrartikel, sondern in die »gehässigen« Artikel, »die mehr in die Schul als in die Predigten in der Kirchen gehören« (CR 2, 182 f.). Auf diesem Hintergrund ist das Fehlen dieses Artikels in der CA keine kirchentrennende Lehre, sondern ermöglicht umgekehrt eine unpolemische, sachliche Diskussion dieser Frage des päpstlichen Amtes im gegenwärtigen katholisch-lutherischen Dialog (vgl. USA-Dialog 1974 ff.).

Wenngleich eine genaue Untersuchung des Verhältnisses von CA und Konzil von Trient noch aussteht, so ist andererseits nachzuweisen, daß den Einstieg für das Luther-Verständnis der Konzilsväter die Sammlungen ketzerischer reformatorischer Sätze bilden, die 1530 der katholischen Kontroverstheologie dazu dienten, den Unterschied der CA zur früheren Lehre der Lutherischen aufzuzeigen. (66)
 
 

Zusammenfassung und Ergebnis

Mit der Anerkennung der CA als Zeugnis kirchlichen Glaubens geht es darum, die CA so zu verstehen, wie sie sich selbst versteht, nämlich
    1. als Zeugnis, in dem Kirchen ihren Glauben zum Ausdruck bringen (Ecclesiae magno consensu apud nos docent, CA 1),
und
    2. als Zeugnis, in dem der mit der Gesamtkirche übereinstimmende Glaube seinen Niederschlag findet (nihil esse receptum contra scripturam aut ecclesiam catholicam, Beschluß des 2.Teils, vgl. Beschluß des 1.Teils).

Wenngleich bei der gebotenen Kürze die wichtigsten Fragen nur kurz angerissen werden konnten, so ergeben sich doch m.E. keine gravierenden Gründe, der CA diesen Anspruch zu bestreiten.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
zurück zum Anfang des Textes
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------








Fußnoten

* Veröff. in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 4,1974, 298-307; 5, 1976, 374-381 / Antwort an Paul Hacker und Theobald Beer: ebd. 5, 1976, 477-478. Wieder abgedruckt, in: Katholische Anerkennung des Augsburgischen Bekenntnisses, hg. von Harding Meyer, Heinz Schütte und Hans-Joachim Mund, Frankfurt: Lembeck / Knecht 1977, 60-81 -  Übersetzung ins Amerikanische: Recognition of the Augsburg Confession by the Catholic Church?, in: The Role of the Augsburg Confession. Catholic and Lutheran Views, ed. by Joseph A. Burgess, Philadelphia: Fortress Press 1980 (ISBN 0-8006-0549-7 / ISSN 79-7373), p. 27-45; vgl. Theology Digest 24, 1976, 65-70.

1. Vgl. zu den einzelnen Gruppen: Kirche und Amt. Neuere Literatur zur ökumenischen Diskussion um die Amtsfrage. Zusammengestellt von V. Pfnür, Münster 1975 (Beiheft 1 zu Catholica), S. 24-32.

2. Accra 1974. Sitzung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Berichte, Reden, Dokumente. Hrsg. von G. Müller-Fahrenholz. Korntal 1975 (Beiheft zur »ökumenischen Rundschau« Nr. 27), S. 94-136.

3. Ebd., S. 139.

4. Vgl. Lutherans and Catholics in Dialogue I-V. Washington/NewYork 1965-1974; vgl. H. Meyer, Luthertum und Katholizismus im Gespräch. Frankfurt 1973.

5. H. Stirnimann /L. Vischer, Papsttum und Petrusdienst. Frankfurt 1975, S. 109 f.

6. H. Meyer, Luthertum und Katholizismus im Gespräch, S. 143-174.

7. Mitglieder: Katholische Seite: Bischof H.L. Martensen (kath. Vorsitzender), Kardinal H. Volk, J.F. Hotchkin, J. Hoffmann, St. Nagy, V. Pfnür, Ch. Moeller, B. Kloppenburg. Lutherische Seite: G.A. Lindbeck (Lutherischer Vorsitzender), Landesbischof H. Dietzfelbinger, K.E. Skydsgaard, K. Hafenscher, B. Weber, P. Nasution, A. Appel, P. Ho/jen, V. Vajta, H. Meyer.

8. Vgl. KNA, Ök.Inf. 1974, Nr. 6 (6. Febr.), S. 10 f.; Catholica 28, 1974, S. 126.

9. W. Blasig/W. Bohusch, Von Jesus bis heute. 46 Kapitel aus der Geschichte des Christentums. München 1973.

10. Vgl. V. Pfnür, Einig in der Rechtfertigungslehre? Die Rechtfertigungslehre der Confessio Augustana (1530) und die Stellungnahme der katholischen Kontroverstheologie zwischen 1530 und 1535. Wiesbaden 1970, S. 285-292, 302.

11. Ebd., S. 311, 118.

12. J.Lortz, Die Reformation in Deutschland. Freiburg ³1948, II, S. 53; vgl. H. Tüchle, Reformation und Gegenreformation. Einsiedeln 1965 (Geschichte der Kirche III), S. 80.

13. V. Pfnür, a.a.0., S. 136.

14. Ebd., S. 133.

15. Ebd., S. 132 f.

16. BSLK 73.

17. J. Lortz, a.a.O., II, S.53.

18. CR 2, 433; vgl. V. Pfnür, a. a. 0., S. 21-27.

19. Schmidt-Schornbaum, Die fränkischen Bekenntnisse. München 1930, S. 528.

20. F.W. Kantzenbach, Die Reformation in Deutschland und Europa. Gütersloh 1965, S. 19.

21. WA Br 5, 319, 5-9.

22. Vgl. den Antwortbrief des sächsischen Kurfürsten vom 22. Mai: »Und dieweil wir auß ewerm schrieben vorstanden haben, das euch die artigkell, dauon alhie auff diesem reichstag gehandelt werden soll, so M. Philippus Melanchthon auff ewer vorigs bedencken zu samen gezogen, gefallen« (ARG 53, 1962, S. 193; vgl. ebd. S. 194).

23. Vgl. WA 30 II 68,6-69,1; WA Tr 3, 460,39f.: »Res et verba Philippus, verba sine re Erasmus, res sine verbis Lutherus ...«.

24. Vgl. Luther am 6. Juli 1530 an Cordatus: »Impletur illud: `Loquebar de testimoniis tuis in conspectu regum' ...« (WA Br 5, 442,14).

25. Vgl. 0.H. Pesch, Theologie der Rechtfertigung. Mainz 1967, S. 18 f.

26. Vgl. die Zusammenstellung bei Pfnür, a. a. 0., S. 226 f. Anm. 54.

27. DS 1556 ist z.B. im Anschluß an Ecks Vierhundertundvier Artikel, Art. 86, formuliert. Vgl. Pfnür, a. a. 0., S. 115, 117.

28. Vgl. Pfnür, a. a. 0, S. 328 f.

29. J. Ratzinger, Was eint und was trennt die Konfessionen?, in: Int. kath. Zeitschrift Communio  2, 1972, S. 176.

30. Vgl. V. Pfnür, Einig in der Rechtfertigungslehre. Wiesbaden 1970, S. 101 f., 90.

31. St.A. II 57, 18 ff.; St.A. I 281, 28 f.; CR XV 1008.

32. Vgl. Pfnür, a.a.O., S. 14-20; S. Wiedenhofer, Formalstrukturen humanistischer und reformatorischer Theologie bei Philipp Melanchthon. Diss. Masch. Regensburg 1973.

33. FU [Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg, hrsg von K. E. Förstemann] II, S. 488, 534 f.; Ap [Melanchthon, Apologia Confessionis Augustanae. 1531] XVIII, 10.

34. WA 8,55,1 f.; Vgl. Pfnür, a.a.O., S. 64-84; E. Iserloh, Luther und die Reformation. Aschaffenburg 1974, S. 28-43. 88 ff. Ob Luther oder Melanchthon der Theologie Biels insgesamt gerecht werden, kann hier offenbleiben.

35. Vgl. Pfnür, a.a.O., S. 90, 187 ff., 228 ff., 254 ff., 391 ff.; Iserloh, a.a.O., S. 90 f.; H. Immenkötter. Um die Einheit im Glauben. Münster 1973, S. 36 f. Vgl. auch Ap II 35.

36. WA 26, 506; BSLK 654. Für Luther ist der Begriff Heiligen nicht auf die »zweite Rechtfertigung« (vgl. Th. Beer, in dieser Zeitschrift 2/76, S. 190 ff.) eingeengt, wie diese Stelle aus Luthers Großem Katechismus und eine Reihe weiterer Stellen zeigen. (Vgl. WA 30 l, 91, 94; WA 30 II 505; WA 45, 614.) Auch Luther gibt im Großen Katechismus »Sola fides vere iustificat« wieder durch: »Denn für Gott eigentlich der Glaube heilig machet«, vgl. Ap III. Vgl. Pfnür, a. a. 0, S. 165 f.

37. CR XV, 459; vgl. Ap VII, 15: »Evangelium affert ... spiritum sanctum et iustitiam, qua coram Deo iusti sumus«; Ap VII, 31: »fides in corde seu iustitia cordis coram Deo«; Ap VII, 13: »regnum Christi esse iustitiam cordis et donationem Spiritus sancti«; Ap IV, 99: »fides .... res accipiens spiritum sanctum et iustificans nos«.

38. Vgl. Pfnür, a. a. 0., S. 155-197. Vgl. WA 40 I 364, 11 f.: iustitia enim christiana in his duobus constat, scilicet fide cordis et imputatione. Vgl. Melanchthon (1535): »Die, die diese (Todsünden) zulassen, fallen aus der Gnade Gottes, d. h. sie hören auf, gerecht gehalten zu werden« (CR XXI, 448).

39. Vgl. Pfnür, a.a.O., S. 185 ff.

40. Ebd., S. 198-208. Vgl. Ap IV 355; »Opera . . . merentur alia praemia corporalia et spiritualia. Erunt enim discrimina gloriae sanctorum«; Ap IV 366: . .. »bona opera mereantur alia praemia corporalia spiritualia et gradus praemiorum«; ebd. dT: »Weiter sagen wir, daß die guten Werke wahrlich verdienstlich und meritoria sein . . . Denn die Seligen werden Belohnung haben, einer höher denn der ander. Solch Unterschied macht den Verdienst«. Vgl. Ap Ed. 1531. 8: »Cum igitur opera sint quaedam impletio legis, recte dicuntur meritoria, recte dicitur eis debere merces. Et haec merces parit gradus premiorum.« CR XXVII, 423.

41. Vgl. Immenkötter, a.a.O., S. 37-39; Pfnür, a.a.O., S.152ff.; 256-264; 394-399.

42. Wiedenhofer, a. a. 0., S. 261.

43. CA VIII,1; Ap VII,3.28.

44. Ap VII, 20; vgl. WA 7, 683, 8 ff. Die in diesem Zusammenhang von Luther aufgeführte Stelle Lk 17, 20 f. ersetzt Melanchthon in der Endredaktion von CA VII durch Eph 4, 5 f.

45. CA, Beschluß des ersten Teiles.

46. Vgl. CA XXVIII, 69; St.A. VI/2 277 Anm. 7.

47. Vgl. Wiedenhofer, a.a.O., S. 263; Pfnür, in: K. Algermissen, Konfessionskunde. Paderborn 19668, S. 361-367; ders., in: Catholica 28, 1974, 118 ff.

48. Vgl. Ap VIl, 28.47f.; Ap XII, 40; Ap XXVIII, 18 f. Vgl. auch H. Fagerberg, Die Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften von 1529-1537. Göttingen 1965, S. 247.

49. St.A. VI 21,33f. Vgl. auch P. Brunner, Beiträge zur Lehre von der Ordination unter Bezug auf die geltenden Ordinationsformulare, in: Ordination und kirchliches Amt, hg. von R. Mumm, Paderborn/Bielefeld 1976, S.56

50. Vgl. die Anordnung vor CA XIII, 4; Ap XIII: »Vere igitur sunt sacramenta Baptismus, coena Domini, absolutio, quae est sacramentum poenitentiae.«

51. Vgl. Ap XIII, 11; St.A. II 501, 16 ff.

52. Vgl. Pfnür, Einig, S. 45-64.

53. Vgl. CA V, VIII, IX, XIII.

54. WA 30 II, 499; vgl. dagegen WA 5, 125. vgl. Pfnür, a.a.O., S. 213-221.

55. Cochlaeus, Septiceps Lutherus, c. 18; Fabri, Antilogiarum Babylonia, c; 3; Concilium Tridentinum, De sacramento baptismi, can. 13. Vgl. Luther: WA 7, 321, 9 f.

56. Vgl. Pfnür. In: Algermissen, a. a. 0., S. 373 f.

57. Vgl. Pfnür, Einig, S. 51-62.

58. Vgl. USA-Dialog: Die Eucharistie als Opfer, 1967; Dialog auf Weltebene: Das Herrenmahl. Liebfrauenberg 1976.

59. Ebd., S. 77-82.

60. Ap XII, 7. 21; WA 30 II, 485.6ff.-Ap XII, 39 ff.; WA II, 454f. Vgl. dagegen WA 1, 233, 20 f.

61. CR XXVI 9; vgl. E.Iserloh, in: Handbuch der Kirchengeschichte (Jedin) IV, S. 357 f.

62. Vgl. Immenkötter, a. a. 0., S. 31; Pfnür, a. a. 0., S. 264 ff., 268 f.

63. Vgl. P. Hacker, in: Int. kath. Zeitschrift "Communio" 5, 1976, 95ff; Th. Beer / M. Habitzky, in: Int. kath. Zeitschrift "Communio" 5, 1976, 189-192 = Catholica 30, 1976, 77-80

64. Vgl. Th. Beer, Der fröhliche Wechsel. Grundzüge der Theologie Martin Luthers. Leipzig 1974 I, S. 106: »Melanchthon erwähnt in der Apologie der Konfession IV, 73 (BSLK, S. 198) Lohn und Verdienst im lateinischen Text, Im deutschen Text läßt er sie weg.« Abgesehen davon, daß in dem Urteil »Übergehen des Verdienstes« der für die Ap maßgebliche lt. Text unter der Hand verschwindet, wird Th. Beer auch dem von Justus Jonas (!) übersetzten und etwas umgeordneten deutschen Text nicht gerecht, da hier - weiter unten - eindeutig gesagt wird, »daß die guten Werke wahrlich verdienstlich« sind und daß dieses Verdienst den Unterschied in der Belohnung der Seligen ausmacht: »So haben sie denn eigen und sonderlichen Verdienst, wie ein Kind für den andern« (BSLK 229,42.60 - 230,7) S.o. Anm.##40. Daß die »forensische Gerechtigkeit Melanchthons« »nicht einmal die erste Gerechtigkeit Luthers« wiedergibt, ist nicht verwunderlich, da Melanchthon in Ap IV 252 diesen Ausdruck »nach richterlichem Gebrauch für gerecht erklären« (usu forensi iustum pronuntiari) gerade von der vorausgegangenen ersten Rechtfertigung (ex impio iustum effici) unterscheidet, um damit (im Unterschied zum frühen Luther) mit der Stelle Jak 2,24 ins reine zu kommen. An der zweiten Stelle, an der in der Ap dieser Ausdruck begegnet (Ap IV 305), ist die Voraussetzung des forensischen Gerechterklärens die uns durch den Glauben mitgeteilte und geschenkte fremde Gerechtigkeit Christi (vgl. die Belegstellen 1 Kor 1,30 und 2 Kor 5,21!) (vgl. V. Pfnür, Einig in der Rechtfertigungslehre. Wiesbaden 1970, S. 155-181, bes. 174-178; s.o. Anm. 38)

65. s.o. Anm.36

66. Vgl. V. Pfnür, Zur Verurteilung der reformatorischen Rechtfertigungslehre auf dem Konzil von Trient; in: Festschrift für Hubert Jedin, Annuarium Historiae Conciliorum 8, 1976, 407-428
 
 

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
zurück zum Anfang des Textes
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------