Clemens von Alexandrien

                                          Teppiche (Stromata, Stromateis)

                                                      geistlicher Erinnerungspunkte

                                              emtsprechend der wahren Philosophie

                                                                              ΤΩΝ

                                                      ΚΑΤΑ ΤΗΝ ΑΛΗΘΗΝ ΦIΛΟΣΟΦIΑΝ

                                                           ΓΝΩΣΤIΚΩΝ ΥΠΟΜΝΗΜΑΤΩΝ

                                                                      ΣΤΡΩΜΑΤΕIΣ

                                                                                

[I, 11] Diese Schrift wurde nicht angefertigt, um damit Eindruck zu machen. Sie soll mir vielmehr Erinnerungspunkte für das Alter aufbewahren, als Heilmittel gegen das Vergessen, als Bild und Aufzeichnung jener klaren und lebendi­gen Reden, die ich hören durfte, jener seligen und wirklich redenswerten Männer. Einer von ihnen war ein Grieche, einer ein Jonier, einige aus Groß-­Griechenland (von diesen beiden war einer aus Köle­syrien, der andere aus Ägypten); einige stammten aus dem Osten, von ihnen war einer Assyrer, einer war aus Palästina, ein Hebräer seiner Abstammung nach. Als ich aber den letzten angetroffen hatte C seiner Vollmacht nach war er der erste C, hörte ich auf zu suchen. Ich fand ihn [Pantainos] in Ägypten, wo er verborgen lebte. Er stammte aus Sizilien und wahrlich als eine Biene besuchte er die Blüten auf der prophetischen und apostolischen Wiese und wurde stachelloses Mittel der Erkenntnis für seine Zuhörer. Die Lehrer aber, die die wahre heilbrin­gende Lehre, die von Petrus, Jakobus, Johannes, Paulus und den heiligen Aposteln ausging, jeweils von ihren Vätern übernahmen ... sind mit Gottes Hilfe auch zu uns gelangt. Sie wollten jene überkommenen, von den Aposteln stammenden Samenkörner auch bei uns ein­pflanzen.

[I, 19] Denen, die es tadeln, daß meine Schrift, soweit es notwendig ist, auch die Meinungen der Griechen her­anzieht, erwidere ich: Zunächst wäre es gut, falls die Philosophie wirklich wertlos wäre, diese Wertlosig­keit auch zu beweisen. Weiter, daß es unmöglich ist, die Griechen allein unter Heranziehung des Wortlauts ihrer Ansichten zu verurteilen, ohne dabei von den Teilmeinungen zur Erkenntnis der Zusammenhänge zu gelangen. Nur auf Grund eigener Erfahrung ist eine zuverlässige Widerlegung möglich. Die Kenntnis dessen, was man verurteilt, ermöglicht den zuverlässig­sten Beweis hierbei. Den Künstler zeichnet auch das aus, was zur Erreichung des eigentlichen Ziels nicht hilft. Gute Kenntnisse sind eine Empfehlung für den, der die entscheidenden Stücke aus den Lehrsätzen entwickeln soll. Das macht ihn bei den Hörern glaub­würdig. Es setzt die Hörer in Erstaunen und ist eine gute Empfehlung für die Wahrheit.

[I, 28] Vor der Erscheinung des Herrn war die Philosophie für die Griechen notwendig, um Gerechtigkeit zu er­langen. Jetzt aber ist sie zur Gottesverehrung nützlich. Sie ist eine Art von Vorschule für diejenigen, die durch Beweise zum Glauben gelangen wollen. Es heißt nämlich: "Dein Fuß soll nicht anstoßen." Das gilt dann, wenn du alles Schöne auf die Vorsorge zurückführst, bei den Griechen genauso wie bei uns. Gott ist der Urheber alles Schönen. Bei den einen ist er es, indem er vorangeht ‑ so im Alten und Neuen Testament C, bei den anderen ist er es als Folge­erscheinungC so bei der Philosophie. Vielleicht wurde sie besonders deswegen den Griechen gegeben, ehe sie den Herren angerufen haben. Sie hat die Griechen auf Christus hin erzogen, so wie es das Gesetz bei den Hebräern getan hat. Die Philosophie ist also eine Vor­bereitung für den, der durch Christus vollendet wer­den soll. Salomon sagt: Befestige die Weisheit, dann wird sie dich erhöhen, mit einem prächtigen Kranz wird sie dich bekränzen". ...

[I, 38] Wenn ich von Philosophie rede, dann meine ich nicht nur die Stoiker oder Platoniker, die Epikuräer oder Aristoteliker; ich meine das, was in allen diesen verschiedenen Schulen gut ausgedrückt ist, das, wodurch sie Gerechtigkeit und gottgefälliges Wissen lehren. Das alles bezeichne ich als ausgewählte Philosophie. Was sie aber aus menschlichen Vorstellungen genommen und nieder­geschrieben haben, das würde ich niemals als göttlich bezeichnen.


[IV, 156] Gott ist unbeweisbar, unerreichbar für die Forschung. Der Sohn aber ist Weisheit und Wissen und Wahrheit und was dem nahesteht. ... Von ihm stammt alles. Er ist der Kreis, der alle Kräfte zusammenfaßt und vereinigt. Deshalb heißt der Logos, "A und 0". Bei ihm allein wird das Ende zum Anfang und kehrt endlich zum Uranfang zurück, ohne irgendwo eine Trennung zu erfahren. Deshalb bedeutet, an ihn und durch ihn zu glauben, zu einer Einheit zu werden; ohne Abl­enkung ist man ihm geeint. An ihn nicht zu glau­ben führt zu Entzweiung, Trennung und Zerteilung.

[IV, 162] Gott ist ohne Anfang, der Uranfang aller Dinge; er ist Schöpfer des Anfangs. Weil er das Sein ist, ist er Anfang der Natur; weil er das Gute ist, Anfang der Ethik; weil er Geist ist, Anfang des Denkens und des Urteilens. Daher ist der Logos der einzige Lehrer, Sohn des Geistes, also des Vaters; er ist Erzieher des Menschen.

[VI, 95] Versteht das Geheimnis der Wahrheit und verzeiht, wenn ich hier zögere, in der Ausführung noch weiter fortzufahren. Ich möchte nur noch diese eine Verkündigung wiederholen: "Alles ist durch Ihn geworden, und ohne Ihn ist auch nicht eines geworden" (Joh 1,3). Darum wird Er ja auch der "Eckstein" genannt, "auf dem jeder Bau - fest zusammengefügt - zu einem heiligen Tempel emporwächst" (Eph 2,20f).


[VII,86] Unrecht aber tut, wer Böses mit Bösem vergilt, sei es nun mit einer Tat oder auch mit einem Wort oder auch nur mit dem gedachten Wunsch, etwas vergelten zu können. Dies letztere verbiete das Evangelium... ihr habt die Leidenschaften der Seele mit Erkenntnis von euch abgewaschen, so daß ihr, soweit es möglich ist, durch eure Bereitwilligkeit, Böses zu ertragen und Kränkungen zu vergessen, der Güte der göttlichen Fürsorge ähnlich wurdet, indem ihr in Worten und Taten euere Freundlichkeit "über Gerechte und Ungerechte" (Mt 5,45) wie die Sonne leuchten lasset.

[VII,88] "Werdet vollkommen, wie euer Vater!" (Mt 5,48), indem ihr die Sünden völlig vergebt und Kränkungen nicht nachtragt und euer Leben in dem dauernden Zustand der Leidenschaftslosigkeit führt.