[1] Brief der NSDAP, Gauleitung Hessen, 
an das Bischöfliche Ordinariat Mainz vom 27. 9. 1930
(Eccl., X. Jg., Nr. 43, 25.10.1930)





Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Gau Hessen)
Abt. Presse

Offenbach, den 27. September 1930
An das
Bischöfliche Ordinariat Mainz
 

Nach einem uns vorliegenden Bericht soll der Hochwürdige Herr Pfarrer Weber von Kirschhausen im Verlauf der Predigt, die er im Rahmen des feierlichen Hochamtes hielt und die sich lediglich gegen uns Nationalsozialisten richtete, gesagt haben, daß er auf seine Anfrage beim Bischof erklärt bekommen habe:
1. Jedem Katholiken ist es verboten, eingeschriebenes Mitglied der Hitlerpartei zu sein.
2. Jedem Mitglied der Hitlerpartei sei nicht gestattet, in korporativer Zusammensetzung an Beerdigungen oder sonstigen Veranstaltungen teilzunehmen. 
3. Solange ein Katholik eingeschriebenes Mitglied der HitlerPartei sei, könne er nicht zu den Sakramenten zugelassen werden.

Diese Behauptungen des Hochw. Herrn Pfarrers Weber sind so überaus merkwürdig, daß wir in aller Form anfragen müssen, ob der Bischof von Mainz tatsächlich das gesagt hat. Wegen der Dringlichkeit der Sache bitten wir um sofortigen Bescheid!
 

Mit deutschem Gruß!

gez. Erich Berger.
 

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[2] Antwort des Bischöflichen Ordinariates Mainz vom 30-9-1930
(Eccl., X. Jg., Nr. 43, 25.10.1930)





Bischöfliches Ordinariat 

Mainz, den 30. September 1930
An die Geschäftsstelle der Gauleitung der NSDAP (Abt. Presse) 
Offenbach a.M., Friedrichsring 30 (1)
 

Betr. Stellungnahme zur NSDAP
- Auf die Anfrage vom 27. September 1930
 

Wir haben dem Pfarrer von Kirschhausen auf seine Anfrage, welche Stellung er gegenüber der NSDAP einzunehmen habe, die in Ihrem Bericht enthaltenen Anweisungen gegeben. Wir mußten diese Anweisungen geben, da das Programm der NSDAP Sätze enthält, die sich mit katholischen Lehren und Grundsätzen nicht vereinigen lassen. Namentlich ist es der § 24, des Programms, den kein Katholik annehmen kann, ohne seinen Glauben in wichtigen Punkten zu verleugnen.

1. § 24 des Programms sagt in seinem ersten Teil: »Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden.« - Wir fragen: Welche religiösen Bekenntnisse gefährden den Bestand des Staates? Es hat eine Zeit gegeben, wo man in Deutschland die katholische Religion für staatsgefährdend hielt; es ist die Zeit des Kulturkampfes, in der sogenannte nationale Kreise die katholische Kirche mit allen Mitteln zu unterdrücken suchten. Daß auch anerkannte Führer der NSDAP die katholische Kirche zu den staatsgefährlichen Bekenntnissen rechnen, beweist ein Wort von Gottfried Feder, M.d.R.: »Leute, auch wenn sie deutsch geboren werden, die sich aber bewußt zerstörend gegen das deutsche Volk, gegen den Staat wenden, ihre politischen Befehle vom Ausland empfangen und befolgen (damit sind offenbar die Katholiken gemeint), gehören nicht zur deutschen Schicksalsgemeinschaft, sie können also auch nicht staatsbürgerliche Rechte ausüben, so wenig wie ein Jude, und manchen werden wir noch auszuschließen haben von der Ehre des deutschen Staatsbürgerrechtes.« (Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundlagen, S. 32.)

2. Der § 24 sagt in seinem zweiten Teil: »Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen.« - Wir fragen: Was ist Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse? Wie verhält sich dieses germanische Sittlichkeits- und Moralgefühl zur christlichen Moral? Das christliche Sittengesetz gründet sich auf die Nächstenliebe. Die nationalsozialistischen Schriftsteller anerkennen dieses Gebot nicht in dem von Christus gelehrten Sinn; sie predigen Überschätzung der germanischen Rasse und Geringschätzung alles Fremdrassigen (s. Programm § 4ff.). Diese Geringschätzung, die bei vielen zu vollendetem Haß der fremden Rassen führt, ist unchristlich und unkatholisch. - Das christliche Sittengesetz ist ferner allgemein, es gilt für alle Zeiten und für alle Rassen. Es ist deshalb ein großer Irrtum zu fordern, daß das christliche Bekenntnis dem Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse angepaßt werde. Übrigens entscheidet in Sachen der Religion nicht das Gefühl, sondern Verstand und Wille.

3. Der § 24 sagt in seinem dritten Teil: »Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, (2)
ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden.« - Wir fragen: Was ist hier unter positivem Christentum zu verstehen? Die Führer der NSDAP wollen einen deutschen Gott, ein deutsches Christentum und eine deutsche Kirche. Gottfried Feder sagt: »Gewiß wird dereinst auch das deutsche Volk eine Form finden für seine Gotteserkenntnis, sein Gotterleben, wie es sein nordisches Blutsteil verlangt, gewiß wird erst dann die Dreieinigkeit des Blutes, des Glaubens und des Staates vollkommen sein.« (A.a.0., S.49.) Was hier gefordert wird, ist nichts anderes als eine deutsche Nationalkirche. Klarer wird dies ausgesprochen von Rudolf Jung, dem Mitbegründer der NSDAP, Abgeordneter in Prag, der in seinem Buch 'Der nationale Sozialismus' folgendes ausführt: »Unser Streben fassen wir kurz unter dem Namen Volkskirche zusammen. Wir denken dabei aber keineswegs an die Gründung einer neuen Kirche, noch weniger an den Ersatz des Christentums, etwa durch einen erneuerten Wodansglauben. So groß und gewaltig dieser auch war und so sehr wir ihm in der Erinnerung nachhängen, hat er sich doch vor nahezu einem Jahrtausend auch im Norden, seiner letzten Zufluchtsstätte, überlebt und ist dort zum Götzendienst herabgesunken ... Wenn wir von einer deutschen Volkskirche reden, so denken wir dabei an eine Verschmelzung der beiden in deutschen Landen ausgebreiteten Kirchen. Sie müßte im Lossagen vom römischen Zentralismus, dem übernationalen Geist und dem Alten Testament, diesen wesentlich jüdischen Dingen, bestehen und das Werk deutscher Priester sein, die ihr Volk lieben und von seinem Geiste durchdrungen sind.« (S.105 ff.)

Durch diese Auffassung von Religion geraten die Nationalsozialisten in eine feindliche Stellung zur katholischen Kirche, weshalb auch von nationalsozialistischen Rednern in Volksversammlungen wiederholt der Gedanke ausgesprochen wurde: »Unser Kampf gilt Juda und Rom.« Wohl hat Hitler in seinem Buch 'Mein Kampf' einige anerkennende Worte über die christliche Religion und die katholischen Einrichtungen geschrieben, aber das täuscht uns nicht darüber hinweg, daß die Kulturpolitik des Nationalsozialismus mit dem katholischen Christentum in Widerspruch steht.

Vorstehende Ausführungen geben Antwort auf die Fragen: Kann ein Katholik eingeschriebenes Mitglied der Hitlerpartei sein? Kann ein katholischer Pfarrer gestatten, daß Mitglieder dieser Partei korporativ an kirchlichen Beerdigungen oder sonstigen Veranstaltungen teilnehmen? Kann ein Katholik, der sich zu den Grundsätzen dieser Partei bekennt, zu den hl. Sakramenten zugelassen werden? Wir müssen dies verneinen.

gez. Dr. Mayer
 
 
 

Müller, Hans: Katholische Kirche und Nationalsozialismus. Dokumente 1930-1935. - München 1963 (dtv dokumente 328), S.40-43

1.  Die Auseinandersetzung wurde fortgeführt. Vgl. Eccl., Nr. 51, 20.12.1930.

2.  Zum Begriff und seinem Bedeutungswandel: 0. Katann, Zur Geschichte des Schlagworts »Positives Christentum«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 7. Jg., 1956, S.103 ff.