I. Grundlagen
1. These Ziel nicht Auflösung
der Bekenntnisses
2. These Das katholische
und das lutherische Bekenntnis schließen sich nicht gegenseitig aus.
Beispiele:
Wirkung
der Sakramente ex opere operato
Willensfreiheit
Bedeutung der 10-Gebote
3. These Ziel: gereinigte,
offene und positiv bestimmte konfessionelle Identität
II. Perspektiven
und Aufgaben
4. These Reinigung des
Gedächtnisses (Frage des Lutherbannes)
5. These
Zulassung von Mitgliedern lutherischer Kirchen
zur Mitfeier der Eucharistie
6. These Weg zur vollen
Kirchengemeinschaft (vgl.Dokument »Einheit vor uns« )
In dem wegweisenden und immer noch aktuellen Vortrag von Joseph Cardinal Ratzinger aus dem Jahre 1977 »Prognosen für die Zukunft des Ökumenismus« ist eine grundlegende Weichenstellung des katholisch-lutherischen Dialoges formuliert: »Die Suche nach Kircheneinheit muß von der Logik der Sache her an die gemeinschaftlich-kirchliche Gestalt anknüpfen, so sehr sie gerade das achten und schätzen wird, was an Quellen einer ganz persönlichen Frömmigkeit, an seelischer Kraft und Tiefe für den Einzelnen vorgegeben ist. Aber wenn nicht von einer Vereinigung zwischen Einzelnen und mit Einzelnen die Rede ist, sondern Kirchengemeinschaft gesucht wird, dann sind Bekenntnis und Glaube der Kirche angefordert, in der der Einzelne mitlebt und zu seiner persönlichen Begegnung mit Gott geöffnet wird. Das heißt: der Bezugspunkt solchen Mühens müssen die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche sein und Privattheologien unmittelbar nur in dem Maß, in dem sie auf solch Gemeinschaftliches hinführen.« Als Konsequenz ergibt sich daraus für die katholische Seite: »Es bedeutet, daß der Katholik nicht auf die Auflösung der Bekenntnisse und auf die Zersetzung des Kirchlichen im evangelischen Raum setzt, sondern ganz umgekehrt auf die Stärkung des Bekenntnisses und der ekklesialen Wirklichkeit hofft.« (2)
Damit ist eine entscheidende und vorher auf katholischer Seite noch nie so klar ausgesprochene Bejahung der Herausbildung lutherischen Kirchenwesens artikuliert. Damit verbunden ist eine Umwertung der Reformationsgeschichte und eine Korrektur der zuvor vorherrschenden Sicht auf katholischer Seite: Zu Beginn dieses Jahrhunderts sah Heinrich Denifle in Luther »einen Agitator, einen Umsturzmann, dem kein Trugschluß zu kühn, keine List zu arg, keine Lüge zu stark, keine Verleumdung zu groß war, um seinen Abfall von der Kirche und von seinen eigenen früheren Grundsätzen zu rechtfertigen.« (3) Im Unterschied dazu würdigte Joseph Lortz Luther als abgründig tiefe religiöse Persönlichkeit. Diese positivere Wertung der Reformation ist jedoch erkauft mit einer negativen Sicht von Erasmus, Melanchthon und der Confessio Augustana und damit auch des evangelischen Kirchenwesens: »Eine Wiedervereinigung der beiden Konfessionsgruppen - katholisch, evangelisch - wurde um so unmöglicher, je mehr die neue Religion ihrer tieferen Werte beraubt, das Dogmatische bagatellisiert und damit das Christliche relativiert, die Offenbarung zerstört wurde. Der Einbruch dieses Bagatellisierens und Relativierens in das lutherische Christentum ist aber mit gekennzeichnet durch die 'Confessio Augustana' Melanchthons, des Humanisten.« (4) In ihr sieht Lortz den Beleg für das Prinzip des Protestantismus, den Subjektivismus. (5)
Seine Sicht kann Lortz allerdings nur dadurch aufrecht erhalten, daß er Luthers Abgrenzung gegenüber Zwingli und den Täufern als »eine fatale Inkonsequenz Luthers« hinstellt (6) und Luthers testamentarische Aussagen in dessen Bekenntnis vom Abendmahl beiseite schiebt.
Im Unterschied zu dieser Sicht nimmt die katholische Seite im katholisch-lutherischen Dialog die Selbstaussagen Luthers und der lutherischen Kirche ernst und geht von den Bekenntnisgrundlagen aus, die die lutherischen Kirchen selbst in ihren Verfassungen anführen. Damit verbunden ist die Anerkennung einer geistlichen Realität lutherischen Kirchenwesens, das weder auf die besondere Persönlichkeitsstruktur eines einzelnen reduziert noch als bloßes Produkt von Fürstenreformation betrachtet werden kann. Die großen Annäherungen im katholisch-lutherischen Dialog, vor allem in der zweiten und dritten Gesprächsphase von 1973-1984 / 1985-1994 mit den Erklärungen »Das Herrenmahl« (1978); »Wege zur Gemeinschaft« (1980); »Alle unter einem Christus. Stellungnahme zum Augsburgischen Bekenntnis« (1980); »Das geistliche Amt in der Kirche« (1981); »Martin Luther - Zeuge Jesu Christi« (1983); »Einheit vor uns« (1984) beruhen auf dieser Voraussetzung. (7) Es geht hier nicht um Vereinnahmung der lutherischen Seite, sondern gerade um das Ernstnehmen der Artikulation lutherischer Kirche.
Beispiele:
Konzil von
Trient, Can. 8 De sacramentis in genere:
Si
quis dixerit, per ipsa novae Legis sacramenta ex opere operato non conferri
gratiam,
sed solam fidem divinae
promissionis ad gratiam consequendam sufficere: an. s. (DS 1608)
Confessio Augustana,
Art. 13 (Ed. princeps, 1531):
Damnant
igitur illos, qui docent, quod sacramenta ex opere operato iustificent,
nec docent fidem requiri
in usu sacramentorum, quae credat remitti peccata . (BSLK 68)
Auf den ersten Blick scheinen sich beide Verwerfungen gegenseitig auszuschließen. Das Reizwort ex opere operato ist für die katholische Seite positiv besetzt, für die lutherische negativ, steht aber jeweils in einem unterschiedlichen Kontext. Die katholische Seite betont damit die Wirksamkeit der Sakramente unabhängig vomSakramentenspender, die evangelische Seite verwirft damit eine Rechtfertigung ohne gute Regung im Empfänger. Wenn jede Seite von ihrer Fragestellung her die andere liest, kommt es zu den typischen Fehlurteilen: die Katholiken schließen aus der negativen Bewertung des ex opere operato durch die Lutheraner, daß bei diesen die Sakramente nichts bewirken, sondern daß alles nur der Glaube mache. Die Lutheraner schließen aus der positiven Bewertung des ex opere operato durch die Katholiken, daß bei diesen die Sakramente magisch wirken. Die Gemeinsamkeit in der Sache selbst wird so nicht mehr zur Kenntnis genommen, obwohl sie im Bekenntnis eindeutig gegeben ist. So bekennt auch die Confessio Augustana: »So sind die Sakramente gleichwohl kräftig, obschon die Priester, dadurch sie gereicht werden, nicht fromm sind. / Et sacramenta et verbum propter ordinationem et mandatum Christi sunt efficacia, etiamsi per malos exhibeantur«.(12) In der Apologie der Confessio Augustana heißt es: »Es nimmt den Sakramenten nicht ihre Wirksamkeit, daß sie durch Unwürdige gehandelt werden, denn diese repräsentieren die Person Christi wegen ihrer Berufung durch die Kirche. Sie repräsentieren nicht ihre eigenen Personen, wie Christus bezeugt: Wer euch hört, hört mich. Wenn sie das Wort Christi, wenn sie die Sakramente darreichen, reichen sie sie in Stellvertretung Christi dar.«(13) Luther erläutert im Bild: »Ein König gibt dir ein Schloß. Nimmst du es nicht an, so hat der König deswegen nicht gelogen oder geirrt, sondern du hast dich betrogen, und es ist deine Schuld. Der König hat es gewiß gegeben.«(14) Umgekehrt ist auch für die katholische Seite der Glaube notwendig zum heilsamen Empfang. Zu recht hält so die internationale Gemeinsame römisch-katholische / evangelisch-lutherische Kommission fest: So »treffen die reformatorische Verurteilung "derer, die lehren, daß die Sakramente ex opere operato rechtfertigen" "ohne gute Regung im Empfänger", nicht die katholische Lehre, und umgekehrt die katholische Verwerfung derer, die sagen, "daß durch die Sakramente des Neuen Bundes ex opere operato keine Gnade mitgeteilt werde, sondern der Glaube allein zur Erlangung der Gnade der göttlichen Verheißung genüge", nicht das lutherische Bekenntnis.«(15)
Can. 5 und 6 des Dekrets des Konzils von Trient über die Rechtfertigung (DS 1555f) zielen auf überspitzte Äußerungen Luthers und Melanchthons aus dem Jahr 1520/1521, die in den Artikeln 18 und 19 der Confessio Augustana korrigiert sind, und treffen so nicht das lutherische Bekenntnis.(16)
Can. 19 (DS
1569) desselben Dekrets, verwirft den,
der sagt, »die Zehn
Gebote gehen die Christen nichts an«.
Im Hintergrund steht eine Äußerung Luthers gegen die Schwärmer(17) : Gegen eine direkte und buchstäbliche Übernahme des Dekalogs (etwa mit der Konsequenz des Bilderverbotes und der Einhaltung des Sabbat-Gebotes) sagt Luther zunächst, daß die Zehn Gebote unmittelbar an die Juden gerichtet sind. Im folgenden aber präzisiert Luther: Dennoch gelten sie auch für die Christen, sofern sie mit dem natürlichen Sittengesetz und mit dem NT übereinstimmen. Im Kontext gelesen hat der Satz einen guten Sinn. Aus dem Kontext genommen klingt er sehr anstößig. In diesem anstößigen Sinn ist er zurecht verurteilt, aber er trifft weder Luther noch das lutherische Bekenntnis. (18)
Die Lehrverurteilungen sind so in der Sache nicht aufgehoben, sie sind auch weiter heilsame Warnungen, aber sie warnen nicht vor dem Bekenntnis der anderen Kirche, sondern davor, den durch die beiderseitigen Warnschilder markierten gemeinsamen Bereich des Christlichen nicht zu verlassen.
Das lutherische
und das katholische Bekenntnis schließen sich so nicht gegenseitig
aus, sondern, sind füreinander offen. Im katholisch-lutherischen Dialog
wurde diese Beziehung durch die StichworteAnerkennung als Bejahung legitimer
Besonderheit und Rezeption als Annahme der anderen Kirche zur Korrektur
oder Ergänzung der eigenen Position. (19)
Dies ist in zweifacher Hinsicht von großer
Bedeutung: 1. Der im lutherisch-katholischen Dialog erreichte Konsens basiert
so nicht auf neu fabrizierten, komplizierten und mühsam zurecht gebastelten
Formeln, sondern auf der Vereinbarkeit des Bekenntnisses. 2. Die kirchlich
anerkannte Gemeinsamkeit bedeutet keinen Identitätsbruch, vielmehr
tritt auf beiden Seiten die in Gottesdienst und Leben gewahrte Kontinuität
des Glaubens in den Vordergrund, die im Wandel der theologischen Schulrichtungen
nicht immer zu erkennen ist.
Mit der Unterzeichnung
der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« haben
die katholische und die lutherische Kirche einen wichtigen gemeinsamen
Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung voller Kirchengemeinschaft gemacht.
Auf der Basis dieser Gemeinsamkeit ergeben sich m.E. zunächst im engeren
Umfeld des erreichten Konsenses zwei konkrete Aufgaben: die Reinigung des
Gedächtnisses und die Überprüfung der Möglichkeit der
Zulassung zur Mitfeier der Eucharistie in der katholischen Kirche. Daneben
bleibt die Aufgabe der Konkretisierung des weiteren Weges zur Kirchengemeinschaft.
Insbesondere
das Gedächtnis Luthers bedarf einer solchen Reinigung, daß es
nicht mehr Quelle der Vergiftung der katholisch-lutherischen Beziehungen
werden kann.
Von katholischer
Seite ist an erster Stelle die Frage des Lutherbannes zu klären. Dabei
ist zu berücksichtigen, daß entsprechend dem Text der Bulle
Exsurge Domine vom 15. Juni 1520 und der BulleDecet Romanum Pontificem
vom 3. Januar 1521, in der die Bulle Exsurge Domine rekapituliert wird,
unter Strafe der Exkommunikation die Lektüre aller Schriften Luthers
verboten wird, auch derer, »die die vorgenannten Irrtümer nicht
enthalten«, »damit sein Gedächtnis ganz aus der Gemeinschaft
der Gläubigen Christi getilgt wird«. (26)
Desgleichen verfällt der Exkommunikation, wer nach Verstreichung des
Termins weiterhin mit Luther und seinen Anhängern
(27) Gemeinschaft unterhält. (28)
Nun war es schon in der Reformationszeit so, daß diese Bestimmungen
der Bannbullen vielfach, insbesondere bei den Religionsgesprächen,
nicht rezipiert wurden. Auch war die Kirchenstrafe der Exkommunikation
in der Reformationszeit wegen ihrer häufigen und ungeistlichen Anwendung
»mehr verachtet als gefürchtet«
(29) Die Exkommunikation Luthers sticht zwar im Blick auf die
Öffentlichkeitswirksamkeit hervor, doch ist Luther kein Einzelfall.
U.a. wurden auch die Gründer des Kapuziner-Ordens Mateo de Bascio
und Ludovico de Fossombrone exkommuniziert und auch der päpstliche
Legat Aleander war zeitweilig wegen Finanzsachen im Bann.
(30) . Anderseits wird etwa in einem Schreiben von Papst Clemens
VII vom 15.1.1530 selbstverständlich voraussetzt, daß diejenigen,
die die Schriften Luthers lesen, der Exkommunikation verfallen sind
(31) . Vor allem aber werden in der sogenannten Gründonnerstagsbulle
(Bulla in coena Domini), angefangen vom Jahre 1521 bis zur Einstellung
der Verlesung im Jahre 1770 »Luther und seine Anhänger«
bzw. die »Lutheraner« explizit exkommuniziert wurden
(32) .
Das Gift dieses
Befundes liegt in dem Graubereich zwischen Geltung und Nichtgeltung der
Bannbullen. Insbesondere gibt es m.W. keine explizite kirchenamtliche Klärung,
die es verwehrt, sich auf die Bannbullen zu berufen, um damit das Gedächtnis
Luthers und Gemeinschaft mit Anhängern Luthers als unkatholisch und
kirchlich unerlaubt zu qualifizieren.
Die 1963 von
Dr. Wilhelm Michaelis angestoßene und bis in die Mitte der siebziger
Jahre geführte Diskussion um die Aufhebung des Lutherbannes verlief
ohne Ergebnis. Dies lag m.E. zum einen daran, daß Michaelis, veranlaßt
durch ein Gutachten von katholischer Seite, sich in seiner Argumentation
auf die Frage der rein formalen rechtlichen Geltung der Bulle Decet Romanum
Pontificem beschränkte und die dogmatische Seite und eine inhaltliche
Stellungnahme zu den in der Bulle Exsurge Domine aufgeführten 41 Sätzen
Luthers ausklammerte. Zum andern sah man im katholisch-lutherischen Dialog
Mitte der siebziger Jahre die Frage einer gemeinsamen Standortfindung,
wie sie mit der Diskussion um die Anerkennung der Confessio Augustana verknüpft
war, als vordringlicher an.
Nach den Ergebnissen
des katholisch-lutherischen Dialoges und nach Unterzeichnung der »Gemeinsamen
Erklärung zur Rechtfertigungslehre« ist eine neue Ausgangssituation
gegeben:
Von dem dort
gewonnenen gemeinsamen Standort her können die 41 verurteilten - z.T.
situationsgebundenen, mißverständlichen und und ungeschützten
- Sätze Luthers soweit in einem gemeinsamen Verständnis gewertet
werden, daß sie einer notwendigen Gemeinsamkeit im Bekenntnis nicht
entgegen stehen. (33)
Mit der Unterzeichnung
der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« hat
die katholische Kirche im Rahmen eines Gottesdienstes Gemeinsamkeit mit
einer Kirche bekundet, die sich in ihrer Bezeichnung bewußt auf Luther
beruft. Damit hat die katholische Kirche indirekt zum Ausdruck gebracht,
daß der Satz von der Auslöschung des Gedächtnisses Luthers
für sie der Vergangenheit anheimgegeben ist. Auch die Aufnahme von
Kirchenliedern Luthers im katholischen Gottesdienst ist ein Ausdruck dieser
Überzeugung.
Was die lutherische
Seite betrifft, so sind es vor allem die unterschiedlichen Luther-Bilder,
die die katholisch-lutherischen Beziehungen vergiften können. Grundlage
eines gemeinsamen Gedächtnisses Luthers sollte in erster Linie die
Luther-Rezeption der lutherischen Kirchen sein, wie sie auch der Selbstbezeichnung
lutherischer Kirchen zugrunde liegt. Im Blick auf die Wirkungsgeschichte
sind hier vor allem Luthers Bibelübersetzung, seine Katechismen, seine
Gebete und Kirchenlieder, die Schmalkaldischen Artikel (als Bekenntnisschrift)
und sein testamentarisches Bekenntnis vom Abendmahl (als meist zitierte
Lutherschrift in der Konkordienformel) hervorzuheben. Wenn »der Katholik
nicht auf die Auflösung der Bekenntnisse und auf die Zersetzung des
Kirchlichen im evangelischen Raum setzt, sondern ganz umgekehrt auf die
Stärkung des Bekenntnisses und der ekklesialen Wirklichkeit hofft«
(34) , so begrüßt er damit auch das Gedächtnis
Luthers, wie es Teil des Selbstverständnisses lutherischer Kirchen
ist. Hinzuweisen wäre von lutherischer Seite, daß Luthers polemische
Aussagen in den Schmalkaldischen Artikeln gegen den Papst als Antichrist
(35) und die Messe als »größtem und schrecklichstem
Greuel« (36) mit der Konsequenz ewiger
Trennung (37) im katholisch-lutherischen
Dialog einer Klärung zugeführt wurden. Hilfreich wäre auch
die Feststellung, daß Luther nicht, wie gelegentlich immer noch behauptet
wird, die erste deutsche Bibelübersetzung veröffentlicht hat
(sondern schon vorher 18 deutsche Vollbibeln im Druck erschienen) und daß
Luthers eigene Aussagen eine theatralische Szene des Thesenanschlages am
31. Oktober 1517 ausschließen. (38)
Um dem kommunikationsstörenden
Gift, das einem zwielichtigen Gedächtnis Luthers entströmt, entgegenzuwirken
wäre m.E. eine symbolische Handlung angebracht, in der die katholische
Kirche Luther in ihr Gedächtnis zurückholt und beide Seiten die
Grundstrukturen eines gemeinsamen Gedächtnisses Luthers aufzeigen.
Die Zulassung
von Mitgliedern lutherischen Kirchen zur Mitfeier der Eucharistie in der
katholischen Kirche ist von daher zu beurteilen. Da es nur den einen Christus,
nur den einen Leib Christi und nur die eineEucharistie gibt, und nicht
eucharistische Sonderbrote, verbietet sich eine Lösung des Problems
der Kommuniongemeinschaft, die auf den ersten Blick die wenigsten Irritationen
hervorzurufen scheint, nämlich daß jede Konfessionsgemeinschaft
in ihrem Konfessionsgehäuse bleibt und dort ihr eigenes Konfessionsmahl
feiert. Lutherische Christen, die mit ihrer Taufe Glieder des einen Leibes
Christi sind und die nicht exkommuniziert sind, können so von der
Gemeinschaft des einen Brotes auch nicht mit demArgument ausgeschlossen
werden, daß sie zu ihrer eigenen evangelischen Eucharistie gehen
sollen. Anderseits ist ein bloßes gemeinsames Tun ohne Gemeinsamkeit
im Verständnis dessen, was geschieht, auch keine glaubwürdige
Feier. So kann es m.E. nur in der Richtung eine Lösung geben, daß
die Bedingung für die Teilnahme an der Feier der Eucharistie in der
katholischen Kirche präzisiert wird, nämlich die Bereitschaft,
das mitzuvollziehen, was in der katholischen Eucharistiefeier geschieht.
Dies beinhaltet m.E. 1. die durch die eine Taufe gegebene Gemeinsamkeit
der Gliedschaft in dem einen Leib Christi; 2. die Gemeinsamkeit im grundlegenden
Verständnis von Erlösung, die mit der Bejahung der »Gemeinsamen
Erklärung zur Rechtfertigungslehre« ihren Ausdruck findet; 3.
das gemeinsame Verständnis der Eucharistie und der sakramentalen Gegenwart
Christi in der Eucharistie, wie sie etwa im katholisch-lutherischen Dialog
in der gemeinsamen Erklärung »Das Herrenmahl« formuliert
wurde; und 4. die grundsätzliche Bejahung der universalen ekklesiologischen
Dimension der Eucharistiefeier, wie sie mit der Nennung von Ortsbischof
und Papst zum Ausdruck kommt. Die ersten beiden Kriterien können bei
Mitgliedern lutherischer Kirchen, die der »Gemeinsamen Erklärung
zur Rechtfertigungslehre« ihre Zustimmung gegeben haben, vorausgesetzt
werden. Die beiden weiteren sind individuell abzuklären. Sind also
die genannten Voraussetzungen gegeben (40)
und bedenkt man noch die vielen Zeichen partieller Anerkennung zwischen
den Amtsträgern der katholischen und der lutherischen Kirche, dann
ist es m.E. für eine glaubwürdige Feier der Eucharistie als dem
einen Brot des einen Herrn abträglicher, solche Getaufte am gemeinsamen
Tisch des einen Herrn auszuschließen als sie im Bewußtsein
der damit akzeptierten Gemeinschaft teilhaben zu lassen.
Das Dokument
Einheit vor uns ist bisher wenig rezipiert und des öfteren in dem
Sinn mißgedeutet worden, als ob damit eine Einverleibung oder Angliederung
der lutherischen Kirche intendiert sei. Der Grundgedanke ist vielmehr:
Wenn es im katholisch-lutherischen Dialog zu einer wachsenden gegenseitigen
Anerkenntnis von Kirchesein gekommen ist, dann kann man nicht mehr gegeneinander
oder nebeneinander Kirche sein, ohne sich nicht zur Sonderkirche zu machen.
Auf dem Weg zur katholisch-lutherischen Kirchengemeinschaft kommt dabei
dem initialen Akt, in dem die verbindliche Übernahme des im theologischen
Dialog erreichten Konsenses erklärt wird, besondere Bedeutung zu,
insofern beide Seiten damit in einen ganzheitlichen Prozeß eintreten,
der bereits mit dem Beginn Kirchengemeinschaft eröffnet und die Frage
der Anerkennung der Ämter durch ihre gemeinsame Ausübung löst,
wobei die gemeinsame Rückbesinnung auf die Alte Kirche für beide
Seiten orientierender Bezugspunkt ist.
Fußnoten 2. Wieder abgedruckt
in: Joseph Kardinal Ratzinger, Vom Wiederauffinden der Mitte, Freiburg
1997, 191-193.
3. Denifle, Heinrich:
Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung, Bd I, Mainz 1904²,
298.
4. Lortz, Joseph:
Die Reformation in Deutschland, Freiburg 1948
3, II 53.
5. »Die
'Confessio Augustana' ist vielleicht das Schriftstück, das von den
unzähligen privaten und offiziellen Darstellungen am deutlichsten
macht, worum es in der religiösen Neuerung ging. Das scheint nach
dem Gesagten eine erstaunliche Behauptung gegenüber einer Schrift,
die in Leisetreterei, in Verschweigen und Verkleisterung sich so viel Mühe
gab, die Ecken und Härten des Luthertums zu verbergen, und klar die
Absicht verfolgt, zu beweisen, daß man noch innerhalb der alten christlichen
Gemeinschaft stehe! Aber eben hier liegt die Offenbarung... Das Wesen des
Neuen lag in einer neuen Art des Glaubens«, d.h. in einer »wesentlich
undogmatischen Glaubenshaltung« Ebd. II 56f.
6. Ebd. II 57;
vgl. ebd. I 402.
7. Vgl. Das Herrenmahl,
Nr.3: Verweis auf »die kirchlichen Traditionen«, insbesondere
»die liturgische Konkretgestalt«; Wege zur Gemeinschaft, Nr.7-9:
7. Der Dialog der letzten Zeit, die durch ihn erreichten theologischen
Verständigungen und der Grad gelebter Gemeinschaft führen uns
nach Augsburg und zum Augsburgischen Bekenntnis zurück. Denn dieses
Bekenntnis, das Basis und Bezugspunkt der anderen lutherischen Bekenntnisschriften
ist, spiegelt wie kein anderes in Inhalt und Struktur den ökumenischen
Willen und die katholische Intention der Reformation. 8. Es ist dabei von
großem Gewicht, daß dieses ökumenische Wille und diese
katholische Intention in einem Bekenntnisdokument zum Ausdruck kommen,
das auch heute noch - unter und zusammen mit der Heiligen Schrift - Lehrgrundlage
der lutherischen Kirchen ist und für sie Verbindlichkeit besitzt.
Diese Tatsache hat gerade für die gegenwärtige Phase der Verständigung
und Annäherung zwischen unseren Kirchen besondere Bedeutung. Denn
der nachkonziliare Dialog, wie er z.B. in unserer gemeinsamen Römisch-katholischen
/ Evangelisch-lutherischen Kommission seit 1067 geführt wird, hat
nicht mehr den Charakter privater und unverbindlicher Begegnungen. Er vollzieht
sich vielmehr im offiziellen Auftrag unserer Kirchen. In dem maße,
wie es diesem offiziellen Dialog gelungen ist, in grundlegenden Fragen
Annäherungen und Übereinstimmungen zu erzielen, drängt er
zu verbindlicher Annahme seiner Ergebnisse in unseren Kirchen und stellt
vor die Frage nach Verwirklichung kirchlicher Gemeinschaft. 9. Dieser Dynamik
eines kirchlich verantworteten und auf Verwirklichung kirchlicher Gemeinschaft
drängenden Dialogs entspricht es zutiefst, daß das für
Leben, Lehre und Gemeinschaft der Kirche verbindliche Bekenntnis in besonderem
Maße Gegenstand gemeinsamer Aufmerksamkeit und Beschäftigung
wird«; Kirche und Rechtfertigung, Vorwort: »Auf der Grundlage
der Bekenntnisschriften ...«.
8. Ökumenischer
Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen: Lehrverurteilungen
- kirchentrennend? I Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der
Reformation und heute, hg. v. Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg, Freiburg
/ Göttingen 1986. (Dialog der Kirchen, Bd 4), 26,4-7.
9. Pfnür,
Vinzenz: Verwirft das Konzil von Trient in der Lehre von den Sakramenten
die reformatorische Bekenntnisposition? Zur Frage der Kenntnis der reformatorischen
Theologie auf dem Konzil von Trient. Untersuchung der Irrtumslisten über
die Sakramente, in: Lehrverurteilungen - kirchentrennend? III Materialien
zur Lehre von den Sakramenten und vom kirchlichen Amt, hg. v. Wolfhart
Pannenberg (Dialog der Kirchen, 6), Freiburg / Göttingen 1989, 159-186,
184f.
11. Stellungnahme
der Deutschen Bischofskonferenz zur Studie "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?
Die deutschen Bischöfe, Nr.52, Bonn 1994, S. 3f.
13. Ap 7,28:
»Nec adimit sacramentis efficaciam, quod per indignos tractantur,
quia repraesentant Christi personam propter vocationem ecclesiae, non repraesentant
proprias personas, ut testatur Christus, Qui vos audit, me audit. Cum verbum
Christi, cum sacramenta porrigunt, Christi vice et loco porrigunt.«
(BSLK 240,40ff)
15. Einheit vor
uns, Nr. 68. Für die Einzelbelege vgl. Pfnür, Vinzenz: Die Wirksamkeit
der Sakramente sola fide und ex opere operato, in: Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische
Kommission: Das Herrenmahl, Paderborn / Frankfurt am Main 1978, 93-100;
ders, Excommunicatio und amicum colloquium. Das Religionsgespräch
auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 auf dem Hintergrund der Frage des Lutherbannes,
in: Unterwegs zum einen Glauben. Festschrift für Lothar Ullrich zum
65. Geburtstag, hg. von Wolfgang Beimert, Konrad Feiereis und Hermann Josef
Röhrig, Leipzig 1997, 448-460, hier 453-456.
16. Vgl. Pfnür,
Vinzenz: Zur Verurteilung der reformatorischen Rechtfertigungslehre auf
dem Konzil von Trient, in: Festschrift für Hubert Jedin, Annuarium
Historiae Conciliorum 8, 1976, 407-428, hier 424-426.
18. Vgl. Gemeinsame
römisch-katholische / evangelisch-lutherische Kommission, Einheit
vor uns, Nr. 68. Für die Einzelbelege siehe Pfnür, Vinzenz: Zur
Verurteilung der reformatorischen Rechtfertigungslehre auf dem Konzil von
Trient, in: Festschrift für Hubert Jedin, Annuarium Historiae Conciliorum
8, 1976, 407-428, hier 417.422; Lehrverurteilungen - kirchentrennend? IV,
Freiburg / Göttingen 1994, 40.
19. Gemeinsame
römisch-katholische / evangelisch-lutherische Kommission, Einheit
vor uns, Nr.49.
20. Vgl. Ratzinger,
Joseph: Prognosen für die Zukunft des Ökumenismus, (s.o. Anm.
2)
21. Vgl. Pfnür,
Vinzenz: Konkordienformel, Konkordienbuch, in: LThK³ Sp., 268-270.
22. Im Blick
auf die Reaktionen auf die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre«
fällt auf, daß in Ländern mit einer gewachsenen positiven
lutherischen Bekenntnisidentität (z.B. USA, Schweden, Norwegen, Finnland)
eine breite Zustimmung zu verzeichnen ist, in Unterschied etwa zu Deutschland,
wo im Blick auf die unierten Kirchen und das Verhältnis von lutherischer
und reformierter Position die bewußte Berufung auf das konfessionelle
Bekenntnis eher als störend empfunden wird.
23. So schreibt
die Konkordienformel auf dem Hintergrund innerlutherischer Kontroversen
die terminologische Trennung zwischen Rechtfertigung auf der einen und
Wiedergeburt, Erneuerung, Heiligung auf der anderen Seite fest. Dabei ist
sie sich jedoch bewußt, daß in der Apologie der Confessio Augustana
und in der Schrift (Verweis auf Tit 3,5) iustificatio und regeneratio gleich
gesetzt werden. (Vgl. BSLK 920).
24. Sowohl bei
den Religionsgesprächen der Reformationszeit (vgl. Pfnür, Vinzenz:
Johannes Ecks Verständnis der Religionsgespräche, sein theologischer
Beitrag in ihnen und seine Sicht der Konfessionsgegensätze, in: Johannes
Eck (1483-1543) im Streit der Jahrhunderte, Münster 1988, 223-249)
wie im gegenwärtigen katholisch-lutherischen Dialog wurde dieser Aspekt
beachtet. Vgl. Lehrverurteilungen - kirchentrennend? S.59: Ȇbersetzt
man von einer Sprache in die andere, dann entspricht einerseits die reformatorische
Rede von der Rechtfertigung durch den Glauben der katholischen Rede von
der Rechtfertigung durch die Gnade, und dann begreift anderseits die reformatorische
Lehre unter dem einen Wort Glaube der Sache nach, was die katholische Lehre
im Anschluß an 1 Kor 13,13 in der Dreiheit von „Glaube, Hoffnung
und Liebe" zusammenfaßt.«
25. Vgl. Joseph
Kardinal Ratzinger, Vom Wiederauffinden der Mitte, Freiburg 1997, 195f;
S. auch UT UNUM SINT. Enzyklika von Papst Johannes Paul II. über den
Einsatz für die Ökumene. 25. Mai 1995, Nr. 52.
26. Leo X., Bulle
Exsurge Domine: »Inhibemus preterea sub omnibus et singulis premissis
penis eo ipso incurrendis, omnibus et singulis Christi fidelibus superius
nominatis, ne scripta etiam prefatos errores non continentia, ab eodem
Martino quomodolibet condita vel edita aut condenda vel edenda seu eorum
aliqua tanquam ab homine Orthodoxe fidei Inimico atque ideo vehementer
suspecta et ut eius memoria omnino deleatur de Christi fidelium consortiolegere,
asserere, predicare, laudare, imprimere, publicare, sive defendere per
se vel alium seu alios, directe vel indirecte, tacite vel expresse, publice
vel occulte, seu in domibus suis sive aliis locis, publicis vel privatis
tenere quoquo modo presumant, quinimmo illa comburant, ut prefertur.«
(Dokumente zur Causa Lutheri, hg. und kommentiert von Peter Fabisch und
Erwin Iserloh, Teil II, Münster 1991, 402).
27. ... Martinum,
complices, adherentes, fautores et receptatores praefatos et eorum quemlibet
tamquam aridos palmites in Christo non manentes, sed doctrinam contrariam
Catholice fidei inimicam sive scandalosam seu damnatam in non modicam offensam
divinae maiestatis ac universalis Ecclesiae et fidei Catholice detrimentum
et scandalum dogmatizantes et predicantes... (ebd. 400)
28. »Monemus
insuper omnes et singulos Christi fideles supradictos sub eadem excommunicationis
late sententie pena, ut hereticos predictos declaratos et condemnatos mandatis
nostris non obtemperantes post lapsum termini supradicti evitent et, quantum
in eis est, evitari faciant nec cum eisdem vel eorum aliquo commertium
aut aliquam conversationem seu communionem habeant nec eis necessaria ministrent«.
(Ebd. 402).
29. Vgl. Konzil
von Trient, Decretum de reformatione, c.3 (COD 785f); Johannes Eck, Enchiridion,
c. XXI (CCath 34,238).
30. Vgl. TRE
XVII 619-625; Müller, Gerhard: Causa reformationis. Beiträge
zur Reformationsgeschichte und zur Theologie Martin Luthers, Gütersloh
1989.
31. Magnum Bullarium
Romanum I, Luxemburg 1792, p. 682.
32. »Excommunicamus
et anathematizamus ... et nuper ob similitudinem impietatis per nos damnatum
Martinum Lutherum et eius sequaces ac illi, quominus puniri possit, quomodolibet
faventes, ... ac omnes fautores, receptatores et defensores eorumdem«
(Ebd. II 477). Vgl. Pfaff, Karl: Beiträge zur Geschichte der Abendmahlsbulle
vom 16.-18.Jahrhundert, in: RömQu 38, 1930, 23-76.
33. Generell
sind dabei folgende Aspekte zu brücksichtigen:
- der schultheologische Hintergrund,
nämlich Luthers Auseinandersetzung mit dem Contritionismus von Gabriel
Biel und dem Attritionismus von Duns Scotus,
- die formalen Vorgaben für
eine Disputation im theologischen Schulbetrieb,
- die weitere Entwicklung im Verlauf
der Reformation, insbesondere die Abgrenzungen Luthers gegenüber den
Schwärmern,
- die Sachposition der lutherischen
Bekenntnisschriften,
- die theologische Abklärung
in den Religionsgesprächen der Reformationszeit,
- die Rezeption Luthers durch die
lutherische Kirche,
Für die Bewertung der in der
Bulle Exsurge Domine aufgeführten Artikel 1, 2-3, 5, 14, 35, 36 der
Bulle vgl. Pfnür, Vinzenz: Excommunicatio und amicum colloquium. Das
Religionsgespräch auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 auf dem Hintergrund
der Frage des Lutherbannes, in: Unterwegs zum einen Glauben. Festschrift
für Lothar Ullrich zum 65. Geburtstag, hg. von Wolfgang Beimert, Konrad
Feiereis und Hermann Josef Röhrig, Leipzig 1997, 448-460.
Was die Autorität der Konzilien
betrifft (vgl. Art. 29f = DS 1479f) so beruft sich Luther in der Leipziger
Disputation für die Aussage, daß Konzilien irren können,
auf Panormitanus (WA 59,479f; vgl. Nicolaus de Tudeschis, Super primo decretalium,
Lyon 1516/7, fol.91). Gegenüber Eck beteuert er aber sogleich: »Ich
stimme dem Herrn Doktor zu, daß die Bestimmungen der Konzilien in
Glaubensfragen auf jede Weise festzuhalten sind. Allein dies behalte ich
mir vor, was auch vorzubehalten ist, daß ein Konzil irgenwann geirrt
hat und irren kann, zumal in den Dingen, die keine Glaubensfragen betreffen«
(WA 59,500: Consentio cum domino doctore quod conciliorum statuta in his
quae fidei sunt omni modo amplectenda. Hoc solum mihi reservo quod et reservandum
est, concilium aliquando errasse et posse errare, praesertim in his quae
non sint fidei.) Im weiteren Verlauf der Disputation sagt Luther ausdrücklich:
»Ich glaube, daß ein Konzil und die Kirche niemals irren in
Glaubensfragen; in den übrigen Dingen ist es nicht nötig, nicht
zu irren.« (WA 59, 547). Melanchthon schreibt an Ökolampad:
»Auf Luther war man deshalb nicht gut zu sprechen, weil es das Ansehen
hatte als rede er gegen die Konzilien, wobei doch jener nichts mit größerem
Bedacht betrieb, als daß den Konzilien ihre Autorität zukomme«
(MBW T1 Nr.59, S.139) Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 beteuern die Vertreter
der lutherischen Seite: »Und wär zum höchsten wider unser
Gewissen, daß wir einen Artikel des Glaubens entgegen der Hl. Schrift
oder den christlichen Konzilien der Väter halten oder predigen lassen
wollten« (FU II 212f.). »Und was aber etliche von Konziliis
geschrieben oder gelehrt, lassen wir zu eines jeden Verantwortung stehen.
Denn wir geben den christlichen Konzilien ihre gebührende Ehre, wie
die alten Canones davon halten« (FU II 213-216). Ausdrücklich
bekennt die CA: »Ecclesiae magno consensu apud nos docent, decretum
Nicaenae synodi ... verum et sine ulla dubitatione credendum esse«
(BSLK 50).
37. SA II,2:
»Also sind und bleiben wir ewiglich geschieden und widereinander«
/ »Sic scilicet in aeternum disjungimur et contrarii invicem sumus«
(BSLK 419).
38. Luther schreibt
am 21.11.1518 an den Kurfürsten Friedrich den Weisen: »Dabei
hat von dieser Disputation niemand daselbst von den engsten Freunden gewußt
außer der ehrwürdige Herr Erzbischof von Magdeburg und der Herr
Hieronymus, Bischof von Brandenburg: denn weil ihnen ja daran gelegen sein
mußte, derartige Ungereimtheiten zu unterbinden habe ich sie in Privatschreiben
- und zwar bevor ich die Disputationsthesen veröffentlichte - in demütiger
und ehrerbietiger Weise aufgefordert, die Herde Christi vor diesen Wölfen
zu behüten« (WABr 1,245). Der im Original erhaltene Brief Luthers
an Erzbischof Albrecht von Mainz, dem er die Ablaßthesen beilegt,
trägt das Datum vom 31.10. (Vigil von Allerheiligen) 1517. Da für
die Beförderung des Briefes mindestens einige Tage zu veranschlagen
sind, wußten nach Luthers Worten der Erzbischof und somit auch Luthers
engste Freunde am 31.10. nichts von der Disputation über den Ablaß.
39. Pfnür,
Vinzenz: Communio und excommunicatio, in: Vorgeschmack. Ökumenische
Bemühungen um die Eucharistie. Festschrift für Theodor Schneider,
hg. von Bernd Jochen Hilberath / Dorothea Sattler, Mainz 1995, 277-292,
hier 292.
40. Was man über
die genannten vier Punkte hinaus noch fordern könnte, wäre die
Aufgabe des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses. Doch dies verbietet
sich, wenn die katholische Seite nicht auf die Auflösung, sondern
die Stärkung des Bekenntnisses setzt. Die - weniger im Blick auf das
lutherische Bekenntnis und den katholisch-lutherischen Dialog (vgl. Gemeinsame
römisch-katholische / evangelisch-lutherische Kommission, »Das
geistliche Amt in der Kirche«), sondern auf die ekklesiale Realität
- noch nicht geklärte Amtsfrage ermöglicht noch keine volle gegenseitige
Eucharistiegemeinschaft, kann aber m.E. nicht in der Weise dem lutherischen
Laien angelastet werden, daß er deswegen nicht zur Eucharistie in
der katholischen Kirche zugelassen wird.
Die Aufgabe der
Reinigung und Erneuerung des Gedächtnisses, wie sie etwa Cardinal
Ratzinger im Blick auf die Aufhebung des Anathems von 1054 klar formulierte
(25) , stellt sich auch als unumgängliche Aufgabe im Verhältnis
von katholischer und lutherischer Kirche.
»Ein Brot
ist es. Darum sind wir viele ein Leib, den wir alle haben teil an dem einen
Brot.« (1 Kor 10,17). Die Glaubwürdigkeit der Feier der Eucharistie
kann in zwei Richtungen gefährdet werden: zum einen, wenn die communio
durch eine beliebige und voraussetzungslose Zulassung zur nichtssagenden
Allerweltsgemeinschaft wird, in der der Leib der Herrn nicht mehr unterschieden
wird und auch noch so sehr christliche Gemeinschaft zerstörendes Verhalten
irrelevant ist oder indirekt gebilligt wird; zum andern wenn die eine communio
zum exklusiven Gruppenmahl und das eine Brot zum Gruppen-Sonderbrot wird.
(39)
In der Stellungnahme
der Deutschen Bischofskonferenz zur Studie Lehrverurteilungen - kirchentrennend?
heißt es: »Wir bitten die evangelische Seite, mit uns weitere
konkrete Schritte zu diesem Ziel [nämlich der Wiederherstellung der
Gemeinschaft in der Ausübung des kirchlichen Amtes], wie sie etwa
in der Erklärung „Einheit vor uns" von der internationalen „Gemeinsamen
römisch-katholischen/evangelisch-lutherischen Kommission" aufgezeigt
wurden, zu prüfen.«