Weihnachten
Leo der Große, Predigt 21
Augustinus, Predigt über das Glaubensbekenntnis 215, 4
Ephräm, der Syrer, Hymnus auf die Geburt Christi I
Maximus von Turin, Sermo LXI a
Weihnachtsbilder der christlichen Kunst 
Literaturhinweise
Wikipedia

Leo der Große, Predigt 21

Laßt uns frohlocken, denn heute ist uns der Heiland geboren! Darf doch dort keine Trauer aufkommen, wo das Leben selbst zur Welt kommt, das dir Furcht vor dem Tode kommt und uns durch die Verheißung ewigen Lebens mit Freude erfüllt. Niemand wird von der Teilnahme an dieser Jubelfeier ausgeschlossen, alle haben den gleichen Grund, in festlicher Stimmung zu sein. Denn da unser Herr, der die Sünde und den Tod vernichtet hat, niemand findet, der ohne Schuld ist, so kommt er, um alle zu befreien. Es jauchze der Heilige, weil er sich der Siegespalme naht; es frohlocke der Sünder, weil ihm Verzeihung winkt! Denn nachdem sich die Zeit erfüllt, welche die unerforschliche Tiefe des göttlichen Ratschlusses dazu bestimmte, nahm der Sohn Gottes die Natur des Menschengeschlechtes an, das wieder mit seinem Schöpfer versöhnt werden sollte, damit der Teufel, der den Tod in die Welt brachte, gerade durch die menschliche Natur, die er bezwungen hatte, wieder bezwungen würde. 
In diesem für uns unternommenen Kampfe wurde der Streit nach dem erhabenen und bewunderungswürdige Grundsatz der Gleichheit geführt, indem sich der allmächtige Herr mit dem so wütenden Feinde nicht in seiner Majestät, sondern in unserer Niedrigkeit mißt. Er stellt ihm den gleichen Leib entgegen und die gleiche Natur, die zwar wie die unsrige sterblich, aber frei von jeder Sünde ist. Gilt doch von seiner Geburt nicht, was von der aller zu lesen steht: Niemand ist rein vom Schmutz der Sünde, nicht einmal das Kind, dessen Lebenshauch nur einen Tag auf Erden währt. (Job 14, 4) Keinerlei Makel ist auf diese Geburt, die nicht ihresgleichen hat, von der Begierlichkeit des Fleisches übergegangen, keinerlei Schuld vom Gesetz der Sünde auf sie entfallen. Eine königliche Jungfrau aus dem Stamme Davids wird dazu auserwählt, die heilige Frucht in sich aufzunehmen und Gottes und des Menschen Sohn zunächst im Geiste und dann in ihrem Schoße zu empfangen. 
So ist das Wort Gottes, Gott, Gottes Sohn, der im Anfang bei Gott war, durch den alles gemacht worden ist und ohne den nichts gemacht wurde, Mensch geworden, um den Menschen vom ewigen Tode zu befreien. Dabei hat er sich ohne Minderung seiner Majestät in der Weise zur Annahme unserer Niedrigkeit herabgelassen, daß er die wahre Knechtsgestalt mit jener verband, worin er Gott dem Vater gleich ist. Er blieb, was er war, und nahm an, was er nicht war. In der Weise hat er sich herabgelassen, daß er beide Naturen miteinander vereinte, daß weder die Erhebung der niedrigen Natur diese <in der göttlichen> aufgehen ließ, noch ihre Annahme der höheren Abbruch tat. Indem also die Eigenart beider Wesens­einheiten gewahrt bleibt und sich zu ein und derselben Person verbindet, bekleidet sich die Majestät mit Niedrigkeit, die Stärke mit Schwachheit, die Ewigkeit mit Sterblichkeit. Und um die Schuld unseres Sündenzustandes zu tilgen, hat sich die unversehrbare Natur mit der leidensfähigen vereint, sind wahrer Gott und wahrer Mensch zur Einheit des Herren verbunden. Dadurch sollte - wie dies unserer Erlösung entsprach - ein und derselbe Mittler zwischen Gott und den Menschen einerseits sterben, anderseits auferstehen können. Billigerweise also brachte die Geburt des Heils der jungfräulichen Reinheit keinerlei Schaden; denn das Erscheinen der Wahrheit war ein Schutz der Keuschheit. Eine solche Geburt, durch die (unser Heiland) in seiner Menschlichkeit uns gleich, in seiner Göttlichkeit uns überlegen sein sollte, ziemte Christus, Gottes Macht und Weisheit. Wäre er nicht wahrer Gott, so brächte er keine Erlösung; wäre er nicht wahrer Mensch, so böte er uns kein Beispiel Darum wird auch von den jauchzenden Engeln bei der Geburt des Herrn gesungen: Ehre sei Gott in der Höhe! Darum wird auch den Menschen auf Erden, die guten Willens sind, Friede verheißen. Sehen sie doch, wie sich das himmlische Jerusalem aus allen Völkern der Erde erbaut. Wie sehr muß sich da menschliche Niedrigkeit über dieses unbeschreibliche Werk der göttlichen Liebe freuen, wenn die hehren Engel darüber in solchen Jubel ausbrechen!
Laßt uns Gott dem Vater durch seinen Sohn im Heiligen Geiste danken! Hat er doch um seiner reichen Barmherzigkeit willen, mit der er uns liebte, sich unser erbarmt, und obgleich wir tot waren durch Sünden, uns lebendig gemacht mit Christus [Eph. 2, 5]

Augustinus, Predigt über das Glaubensbekenntnis 215, 4
Diese Dinge sind wunderbar, weil göttlich, unaussprechlich, weil unerforschlich, von keines Menschen Mund zu erklären, weil von keines Menschen Herz zu ergründen. Maria hat geglaubt, und was sie geglaubt, ist in ihr geschehen. Glauben auch wir, damit auch uns zum Heile gereichen könne, was geschehen ist!Wiewohl also auch diese Geburt wunderbar ist, so bedenke doch, Mensch, was dein Gott für dich getan hat, der Schöpfer für das Geschöpf, das er, als Gott in Gott verbleibend, als Ewiger mit dem Ewigen lebend, als Sohn gleich dem Vater, für schuldige und für sündige Knechte Knechtsgestalt anzulegen sich nicht weigerte! Das war ja kein Lohn für menschliche Verdienste. Denn wir verdienten für unsere Missetaten vielmehr Strafen. Aber wenn er diese Missetaten angesehen hätte, wer würde ausgehalten haben? Für gottlose und sündige Knechte also ist Gott Mensch geworden, hat er sich gewürdigt, aus dem Heiligen Geiste und Maria der Jungfrau geboren zu werden.
 
Ephräm, der Syrer, Hymnus auf die Geburt Christi I
Ein neues Wunder hat Gott unter den Erdbewohnern bewirkt: Der den Himmel mit seiner Spanne mißt, liegt in der Krippe nur eine Spanne groß. Der das Meer mit seiner hohlen Hand faßt, dessen Geburt erfolgte in einer Höhle. Der Himmel ist voll seiner Herrlichkeit, und die Krippe ist voll seines Glanzes. 
Moses wünschte die Herrlichkeit Gottes zu sehen, vermochte ihn aber nicht so zu sehen, wie er wünschte. Er mag heute kommen und ihn sehen, denn er liegt in einer Krippe in Windeln. Damals wagte es kein Mensch zu hoffen, er könne Gott sehen und am Leben bleiben; heute sind alle, die ihn gesehen haben, vom zweiten Tod zum Leben erstanden. Moses bildete das Geheimnis vor, da er das Feuer im Dornenstrauch sah; Magier brachten das Geheimnis zur Erfüllung, da sie das Licht in den Windeln sahen. Gott rief im Dornstrauch mit lauter Stimme Moses zu, seine Schuhe von den Füßen zu lösen; der Stern lud die Magier schweigend ein, zu dem heiligen Ort zu kommen. Moses konnte Gott nicht sehen, wie er ist; die Magier jedoch traten ein und sahen den menschgewordenen Gott. Des Moses Angesicht leuchtete, weil Gott mit ihm gere­det hatte, und ein Schleier verhüllte sein Gesicht, weil das Volk ihn sonst nicht anschauen konnte: ebenso hat unser Herr sich im Mutterleib mit dem Schleier des Fleisches umhüllt und ist dann hervorgetreten und hat sich gezeigt, und die Magier sahen ihn und brachten ihre Geschenke dar. 
Groß ist das Wunder, das auf unserer Erde geschah: daß der Herr des Alls auf sie herabstieg, Gott Mensch ward, der Alte ein Kind ward. Der Herr machte sich den Knechten gleich, der Sohn des Königs ward wie ein Irrer. Das allerhöchste Wesen erniedrigte sich und ward in unserer Natur geboren; und was seiner Natur fremd war, nahm es auf sich um unser aller willen. Wer sollte nicht gern dem Wunder lauschen, daß Gott sich herabließ, geboren zu werden? Wer sollte nicht erstaunen, wenn er sieht, daß der Herr der Engel geboren ward? Glaube das ohne Grübeln und sei überzeugt, daß es sich in Wahrheit so verhält! 
 
Maximus von Turin, Sermo LXI a
Auch wenn ich schwiege, Brüder, gemahnte uns die Jahreszeit daran, daß der Geburtstag Christi des Herrn ganz nahe ist. Denn meiner Predigt kommt die äußerste Schrumpfung der Tage zuvor. Gerade durch den Engpaß, in dem die Welt sich befindet, bringt sie den Hinweis auf etwas Bevorstehendes zum Ausdruck, durch das sie wieder zum Bessern erneuert werden soll. In ungeduldiger Erwartung sehnt sie sich darnach, daß der Glanz einer helleren Sonne ihr Dunkel erleuchte. Denn während sie fürchtet, ihr Lauf gehe infolge der Kürze der Stunden seinem Ende entgegen, deutet sie doch in einer gewissen Hoffnung an, daß ihr Jahr erneuert werde. Diese Erwartung der Kreatur (vgl. Röm 8, 19) nun überredet auch uns zu der Hoffnung, das Kommen Christi als der neuen Sonne werde unser Sündendunkel erleuchten, die Sonne der Gerechtigkeit werde kraft ihrer Geburt die lange Finsternis unserer Verfehlungen verscheuchen und nicht dulden, daß unser Lebenslauf in häßlicher Kürze ende, sondern durch die Gnade ihrer Kraft verlängert werde. 
Weil wir also den Geburtstag des Herrn auch aus der Andeutung durch die Welt erkennen, wollen auch wir tun, was die Welt zu tun pflegt. Nämlich: Wie an jenem Tag die Welt ihre Helligkeitsdauer (wieder) ausdehnt, so wollen auch wir unsere Gerechtigkeit ausdehnen. Und wie die Erhellung an jenem Tag für reich und arm die gleiche ist, so soll auch unsere Freigebigkeit gegenüber fremden Gästen und Notleidenden die gleiche sein. Und wie dann die Welt die Finsternis ihrer Nächte überwunden hat, so wollen auch wir das Dunkel unserer Habsucht vermindern. Und wie, wenn zur Winterszeit auf den Saatfeldern die Kälte gebrochen ist, die Samen durch die Wärme der Sonne genährt werden, so soll auch in unserem Herzen die Härte gebrochen werden und der Same der Gerechtigkeit durch den Sonnenstrahl des Erlösers erwärmt werden und gedeihen.
(CChSL 23, 248-251; Frühchristliche Reden zur Weihnachtszeit. Ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von J.A. Fischer, Freiburg 1963, S. 37-39
 
Literaturhinweise
Weber, Hans-Ruedi / Margret Koch: Für uns ein Mensch geboren. Bibel- und Bildmeditationen zu Advent und Weihnachten. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984. 122 S.
Neubauer, Edith: Die Magier, die Tiere und der Mantel Mariens. Über die Bedeutungsgeschichte der weihnachtlichen Motive. - Freiburg: Herder 1995. 160 S.
Steinwede, Dietrich: Nun soll es werden Frieden auf Erden. Weihnachten, Geschichte, Glaube und Kultur. - Düsseldorf: Patmos 1999. 192 S.
Ristow, Günter: Zur spätantiken Ikonographie der Geburt Christi. - Spätantike und frühes Christentum, hg.v. Herbert Beck und Peter C. Bol / Dagmar Stutzinger Frankfurt/M.,: Liebinghaus 1983. 698 S., S. 347-359
Schaffer, Christa: Gott der Herr - er ist uns erschienen. Das Weihnachtsbild der frühen Kirche und seine Ausgestaltung in Ost und West Einführung und Bildteil von Klaus Gamber. - Regensburg: Pustet in Komm. 1982. 66 S. 8 Farbtaf. (Beiheft zu den Studia Patristica et Liturgica, 7 - Eikona, Liturgische Bildkunst in der Ost- und Westkirche, 1)
Gamber, Klaus / Schaffer, Christa / Thiermeyer, Abraham: Ein kleines Kind - der ewige Gott. Bild und Botschaft von Christi Geburt. - Regensburg: Pustet in Komm. 1980. 100 S. (Beiheft zu den Studia Patristica et Liturgica, 2)
Rahner, Hugo: Griechische Mythen in christlicher Deutung, hg. von Alfons Rosenberg. - Freiburg: Herder 1992. 396 S., 11 Abb. (Herder-Spektrum, 4152)
Gregor von Nazianz: Macht des Mysteriums. Sechs geistliche Reden an den Hochtagen der Kirche, hg. v. Eingeleitet und übersetzt von Thomas Michels. - Düsseldorf: Patmos 1956. 126 S. (Alte Quellen neuer Kraft, hg. v. E. von Seeverus OSB u. Th. Michels OSB)
Frühchristliche Reden zur Weihnachtszeit Joseph A. Fischer. - Freiburg: Seelsorge-Verlag 1963. 143 S.
Weihnacht im Gallus-Kloster, hg. v. Johannes Duft. - Zürich / Lindau und Konstanz: Verlag der Buchdruckerei v. Ostheim AG / Jan Thorbecke 1958. 84 S. XVI Bildtafeln (Bibliotheca Sangallensis, Bd 2)