Weihnachten
Leo
der Große, Predigt 21
Laßt
uns frohlocken, denn heute ist uns der Heiland geboren! Darf doch dort
keine Trauer aufkommen, wo das Leben selbst zur Welt kommt, das dir
Furcht
vor dem Tode kommt und uns durch die Verheißung ewigen Lebens
mit
Freude erfüllt. Niemand wird von der Teilnahme an dieser
Jubelfeier
ausgeschlossen, alle haben den gleichen Grund, in festlicher Stimmung
zu
sein. Denn da unser Herr, der die Sünde und den Tod vernichtet
hat,
niemand findet, der ohne Schuld ist, so kommt er, um alle zu befreien.
Es jauchze der Heilige, weil er sich der Siegespalme naht; es frohlocke
der Sünder, weil ihm Verzeihung winkt! Denn nachdem sich die
Zeit
erfüllt, welche die unerforschliche Tiefe des
göttlichen Ratschlusses
dazu bestimmte, nahm der Sohn Gottes die Natur des Menschengeschlechtes
an, das wieder mit seinem Schöpfer versöhnt werden
sollte, damit
der Teufel, der den Tod in die Welt brachte, gerade durch die
menschliche
Natur, die er bezwungen hatte, wieder bezwungen
würde.
In
diesem für uns unternommenen Kampfe wurde der Streit nach dem
erhabenen
und bewunderungswürdige Grundsatz der Gleichheit
geführt, indem
sich der allmächtige Herr mit dem so wütenden Feinde
nicht in
seiner Majestät, sondern in unserer Niedrigkeit
mißt. Er stellt
ihm den gleichen Leib entgegen und die gleiche Natur, die zwar wie die
unsrige sterblich, aber frei von jeder Sünde ist. Gilt doch
von seiner
Geburt nicht, was von der aller zu lesen steht: Niemand
ist rein vom
Schmutz der Sünde, nicht einmal das Kind, dessen Lebenshauch
nur einen
Tag auf Erden währt.
(Job 14, 4) Keinerlei Makel ist auf diese
Geburt, die nicht ihresgleichen hat, von der Begierlichkeit des
Fleisches
übergegangen, keinerlei Schuld vom Gesetz der Sünde
auf sie entfallen.
Eine königliche Jungfrau aus dem Stamme Davids wird dazu
auserwählt,
die heilige Frucht in sich aufzunehmen und Gottes und des Menschen Sohn
zunächst im Geiste und dann in ihrem Schoße zu
empfangen.
So
ist das Wort Gottes, Gott, Gottes Sohn, der im Anfang bei Gott war,
durch
den alles gemacht worden ist und ohne den nichts gemacht wurde, Mensch
geworden, um den Menschen vom ewigen Tode zu befreien. Dabei hat er
sich
ohne Minderung seiner Majestät in der Weise zur Annahme
unserer Niedrigkeit
herabgelassen, daß er die wahre Knechtsgestalt mit jener
verband,
worin er Gott dem Vater gleich ist. Er blieb, was er war, und nahm an,
was er nicht war. In der Weise hat er sich herabgelassen, daß
er
beide Naturen miteinander vereinte, daß weder die Erhebung
der niedrigen
Natur diese <in der göttlichen> aufgehen
ließ, noch ihre
Annahme der höheren Abbruch tat. Indem also die Eigenart
beider Wesenseinheiten
gewahrt bleibt und sich zu ein und derselben Person verbindet,
bekleidet
sich die Majestät mit Niedrigkeit, die Stärke mit
Schwachheit,
die Ewigkeit mit Sterblichkeit. Und um die Schuld unseres
Sündenzustandes
zu tilgen, hat sich die unversehrbare Natur mit der
leidensfähigen
vereint, sind wahrer Gott und wahrer Mensch zur Einheit des Herren
verbunden.
Dadurch sollte - wie dies unserer Erlösung entsprach - ein und
derselbe
Mittler zwischen Gott und den
Menschen einerseits sterben,
anderseits
auferstehen können. Billigerweise also brachte die Geburt des
Heils
der jungfräulichen Reinheit keinerlei Schaden; denn das
Erscheinen
der Wahrheit war ein Schutz der Keuschheit. Eine solche Geburt, durch
die
(unser Heiland) in seiner Menschlichkeit uns gleich, in seiner
Göttlichkeit
uns überlegen sein sollte, ziemte Christus, Gottes
Macht und Weisheit.
Wäre er nicht wahrer Gott, so brächte er keine
Erlösung;
wäre er nicht wahrer Mensch, so böte er uns kein
Beispiel Darum
wird auch von den jauchzenden Engeln bei der Geburt des Herrn gesungen:
Ehre sei Gott in der
Höhe! Darum wird auch den
Menschen
auf Erden, die guten Willens sind,
Friede verheißen. Sehen sie
doch, wie sich das himmlische Jerusalem aus allen Völkern der
Erde
erbaut. Wie sehr muß sich da menschliche Niedrigkeit
über dieses
unbeschreibliche Werk der göttlichen Liebe freuen, wenn die
hehren
Engel darüber in solchen Jubel ausbrechen!
Laßt
uns Gott dem Vater durch seinen Sohn im Heiligen Geiste danken! Hat er
doch um seiner reichen Barmherzigkeit willen, mit der er uns liebte,
sich
unser erbarmt, und obgleich
wir tot waren durch Sünden, uns lebendig
gemacht mit Christus [Eph. 2,
5]
Augustinus,
Predigt über das Glaubensbekenntnis 215, 4
Diese
Dinge sind wunderbar, weil göttlich, unaussprechlich, weil
unerforschlich,
von keines Menschen Mund zu erklären, weil von keines Menschen
Herz
zu ergründen. Maria hat geglaubt, und was sie geglaubt, ist in
ihr
geschehen. Glauben auch wir, damit auch uns zum Heile gereichen
könne,
was geschehen ist!Wiewohl also auch diese Geburt wunderbar ist, so
bedenke
doch, Mensch, was dein Gott für dich getan hat, der
Schöpfer
für das Geschöpf, das er, als Gott in Gott
verbleibend, als Ewiger
mit dem Ewigen lebend, als Sohn gleich dem Vater, für
schuldige und
für sündige Knechte Knechtsgestalt anzulegen sich
nicht weigerte!
Das war ja kein Lohn für menschliche Verdienste. Denn wir
verdienten
für unsere Missetaten vielmehr Strafen. Aber wenn er diese
Missetaten
angesehen hätte, wer würde ausgehalten haben?
Für gottlose
und sündige Knechte also ist Gott Mensch geworden, hat er sich
gewürdigt,
aus dem Heiligen Geiste und Maria der Jungfrau geboren zu werden.
Ephräm,
der Syrer, Hymnus auf die Geburt Christi I
Ein
neues Wunder hat Gott unter den Erdbewohnern bewirkt: Der den Himmel
mit
seiner Spanne mißt, liegt in der Krippe nur eine Spanne
groß.
Der das Meer mit seiner hohlen Hand faßt, dessen Geburt
erfolgte
in einer Höhle. Der Himmel ist voll seiner Herrlichkeit, und
die Krippe
ist voll seines Glanzes.
Moses
wünschte die Herrlichkeit Gottes zu sehen, vermochte ihn aber
nicht
so zu sehen, wie er wünschte. Er mag heute kommen und ihn
sehen, denn
er liegt in einer Krippe in Windeln. Damals wagte es kein Mensch zu
hoffen,
er könne Gott sehen und am Leben bleiben; heute sind alle, die
ihn
gesehen haben, vom zweiten Tod zum Leben erstanden. Moses bildete das
Geheimnis
vor, da er das Feuer im Dornenstrauch sah; Magier brachten das
Geheimnis
zur Erfüllung, da sie das Licht in den Windeln sahen. Gott
rief im
Dornstrauch mit lauter Stimme Moses zu, seine Schuhe von den
Füßen
zu lösen; der Stern lud die Magier schweigend ein, zu dem
heiligen
Ort zu kommen. Moses konnte Gott nicht sehen, wie er ist; die Magier
jedoch
traten ein und sahen den menschgewordenen Gott. Des Moses Angesicht
leuchtete,
weil Gott mit ihm geredet hatte, und ein Schleier
verhüllte sein
Gesicht, weil das Volk ihn sonst nicht anschauen konnte: ebenso hat
unser
Herr sich im Mutterleib mit dem Schleier des Fleisches umhüllt
und
ist dann hervorgetreten und hat sich gezeigt, und die Magier sahen ihn
und brachten ihre Geschenke dar.
Groß
ist das Wunder, das auf unserer Erde geschah: daß der Herr
des Alls
auf sie herabstieg, Gott Mensch ward, der Alte ein Kind ward. Der Herr
machte sich den Knechten gleich, der Sohn des Königs ward wie
ein
Irrer. Das allerhöchste Wesen erniedrigte sich und ward in
unserer
Natur geboren; und was seiner Natur fremd war, nahm es auf sich um
unser
aller willen. Wer sollte nicht gern dem Wunder lauschen, daß
Gott
sich herabließ, geboren zu werden? Wer sollte nicht
erstaunen, wenn
er sieht, daß der Herr der Engel geboren ward? Glaube das
ohne Grübeln
und sei überzeugt, daß es sich in Wahrheit so
verhält!
Maximus
von Turin, Sermo LXI a
Auch
wenn ich schwiege, Brüder, gemahnte uns die Jahreszeit daran,
daß
der Geburtstag Christi des Herrn ganz nahe ist. Denn meiner Predigt
kommt
die äußerste Schrumpfung der Tage zuvor. Gerade
durch den Engpaß,
in dem die Welt sich befindet, bringt sie den Hinweis auf etwas
Bevorstehendes
zum Ausdruck, durch das sie wieder zum Bessern erneuert werden soll. In
ungeduldiger Erwartung sehnt sie sich darnach, daß der Glanz
einer
helleren Sonne ihr Dunkel erleuchte. Denn während sie
fürchtet,
ihr Lauf gehe infolge der Kürze der Stunden seinem Ende
entgegen,
deutet sie doch in einer gewissen Hoffnung an, daß ihr Jahr
erneuert
werde. Diese Erwartung der Kreatur (vgl. Röm 8, 19) nun
überredet
auch uns zu der Hoffnung, das Kommen Christi als der neuen Sonne werde
unser Sündendunkel erleuchten, die Sonne der Gerechtigkeit
werde kraft
ihrer Geburt die lange Finsternis unserer Verfehlungen verscheuchen und
nicht dulden, daß unser Lebenslauf in
häßlicher Kürze
ende, sondern durch die Gnade ihrer Kraft verlängert
werde.
Weil
wir also den Geburtstag des Herrn auch aus der Andeutung durch die Welt
erkennen, wollen auch wir tun, was die Welt zu tun pflegt.
Nämlich:
Wie an jenem Tag die Welt ihre Helligkeitsdauer (wieder) ausdehnt, so
wollen
auch wir unsere Gerechtigkeit ausdehnen. Und wie die Erhellung an jenem
Tag für reich und arm die gleiche ist, so soll auch unsere
Freigebigkeit
gegenüber fremden Gästen und Notleidenden die gleiche
sein. Und
wie dann die Welt die Finsternis ihrer Nächte
überwunden hat,
so wollen auch wir das Dunkel unserer Habsucht vermindern. Und wie,
wenn
zur Winterszeit auf den Saatfeldern die Kälte gebrochen ist,
die Samen
durch die Wärme der Sonne genährt werden, so soll
auch in unserem
Herzen die Härte gebrochen werden und der Same der
Gerechtigkeit durch
den Sonnenstrahl des Erlösers erwärmt werden und
gedeihen.
(CChSL
23, 248-251; Frühchristliche Reden zur Weihnachtszeit.
Ausgewählt,
übersetzt und eingeleitet von J.A. Fischer, Freiburg 1963, S.
37-39
Literaturhinweise
Weber,
Hans-Ruedi / Margret
Koch: Für uns ein Mensch geboren. Bibel- und Bildmeditationen
zu Advent
und Weihnachten. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1984. 122
S.
Neubauer,
Edith: Die Magier,
die Tiere und der Mantel Mariens. Über die
Bedeutungsgeschichte der
weihnachtlichen Motive. - Freiburg: Herder 1995. 160 S.
Steinwede,
Dietrich: Nun
soll es werden Frieden auf Erden. Weihnachten, Geschichte, Glaube und
Kultur.
- Düsseldorf: Patmos 1999. 192 S.
Ristow,
Günter: Zur
spätantiken Ikonographie der Geburt Christi. -
Spätantike und
frühes Christentum, hg.v. Herbert Beck und Peter C. Bol /
Dagmar Stutzinger
Frankfurt/M.,: Liebinghaus 1983. 698 S., S. 347-359
Schaffer,
Christa: Gott
der Herr - er ist uns erschienen. Das Weihnachtsbild der
frühen Kirche
und seine Ausgestaltung in Ost und West Einführung und
Bildteil von
Klaus Gamber. - Regensburg: Pustet in Komm. 1982. 66 S. 8 Farbtaf.
(Beiheft
zu den Studia Patristica et Liturgica, 7 - Eikona, Liturgische
Bildkunst
in der Ost- und Westkirche, 1)
Gamber,
Klaus / Schaffer,
Christa / Thiermeyer, Abraham: Ein kleines Kind - der ewige Gott. Bild
und Botschaft von Christi Geburt. - Regensburg: Pustet in Komm. 1980.
100
S. (Beiheft zu den Studia Patristica et Liturgica, 2)
Rahner,
Hugo: Griechische
Mythen in christlicher Deutung, hg. von Alfons Rosenberg. - Freiburg:
Herder
1992. 396 S., 11 Abb. (Herder-Spektrum, 4152)
Gregor
von Nazianz: Macht
des Mysteriums. Sechs geistliche Reden an den Hochtagen der Kirche, hg.
v. Eingeleitet und übersetzt von Thomas Michels. -
Düsseldorf:
Patmos 1956. 126 S. (Alte Quellen neuer Kraft, hg. v. E. von Seeverus
OSB
u. Th. Michels OSB)
Frühchristliche
Reden
zur Weihnachtszeit Joseph A. Fischer. - Freiburg: Seelsorge-Verlag
1963.
143 S.
Weihnacht
im Gallus-Kloster,
hg. v. Johannes Duft. - Zürich / Lindau und Konstanz: Verlag
der Buchdruckerei
v. Ostheim AG / Jan Thorbecke 1958. 84 S. XVI Bildtafeln (Bibliotheca
Sangallensis,
Bd 2)