Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 122

Eck an Bischof Georg von Bamberg

Ingolstadt
12-11-1520

Nürnberg StB, Pirckheimerpapiere 400,1
RIEDERER, Beytrag, 79-83
[F 213.f]

Eck hat am 12-11-1520 einen Brief des Bischofs zusammen mit Kopien von Anschreiben des Bürgermeisters und des Rates von Nürnberg sowie Pirckheimers und Spenglers erhalten. Dort war behauptet worden, daß Eck keine Vollmacht besitze, im Zusammenhang mit der Publikation der Bulle »Exsurge Domine« die Namen einzelner Sympathisanten Luthers zu nennen. Der Bischof müßte eigentlich noch eine Kopie des päpstlichen Kommissionsbriefes für Eck in Händen haben. Außerdem hat Eck vom Papst eine besondere »Instruktion« erhalten, auf deren 6. Artikel er seine Sondervollmacht zurückführt, im Publikationsinstrument der Bulle Namen zu nennen. Eck verteidigt gegen Einwände Pirckheimers und Spenglers die Berechtigung der Nennung ihrer Namen sowie ihre Information darüber durch den Bischof von Bamberg als ihrem Ordinarius. Er richtet seinen Hauptvorwurf gegen Spenglers »Schutzrede«. Nur ein Erscheinen vor dem Papst oder seinem Kommissar und Abschwören der irrigen Artikel kann ihnen Befreiung von den Vorwürfen bringen. Sie hatten als Laien kein Recht, über Glaubensdinge zu disputieren. Eck geht näher auf die vier Artikel in dem schriftlichen »Erbieten« der beiden Nürnberger ein. Er will diese nicht gelten lassen, da sie unzulänglich sind. Er will den Rechtsweg einhalten und fordert die in der Bulle vorgesehene Einhaltung der Widerrufsfrist. Im übrigen ist der Papst bereits informiert, da Eck ihm von Leipzig aus das Pergamentoriginal der Bulle mit dem Publikationsinstrument zugesandt hat. Eine Berufung der Nürnberger auf den Bamberger Bischof als ihren Ordinarius ist unwirksam, da der Papst sich den Fall selbst allein und seinen Kommissaren vorbehalten hat. Der Papst soll über das »Erbieten« entscheiden.



Dem hochwürdigen Fürsten und Herrn, Herrn Georgen, Bischofen zu Bamberg, meinem gnedigen Herrn.

Hochwirdiger Fürst und Herr, E.F.G. sein mein underthenig willig Diennst mit Vleys zuvoran berayt.

Gnediger Herr:

Uff dat[um] dits briefs hab ich E.F.G. schreyben mit Einligenden copien der Erberigen fürsichtigen Herren Burgermeisters und Rats der Stat Nurnnberg schreyben unnd auch Herrn Wilbalden Pirckhamers, Burgers, und Lazarus Spenglers, Ratschreybers, empfangen, und Inhalts vernommen. (1)

Uf solichs bite ich E.F.G. in aller underthenigkeit, wollen gnediglich dits mein Unnterricht vernemen, nach notturft der sachen,

und zum allerersten, so die obgemeldten Herren furwenden, das in des Ecken macht nit stee, auch des keinen bevelich oder facultet hab, etliche personen zu ernennen in Publicatione, so die bull allein in gemein meldung thue, und befrembt mich nit clein, an disem furbringen, kan auch nit außrechnen, warfür sie mich angesehen haben, das ich der vermessenheit sein soll, fines mandati ubertrit, dermassen treffennlich besonder personen on bevelich zu ernennen. Hetten sie aber des einen zweyffel gegen mir getragen, das doch on not wär, hab ich sie diser hanndlung zeitlich erynnert, das sie muß hetten, sollichs an mir zu erfarn, das ich auff ir begern gutlich gethan wolt haben.

Ich versiht mich, E.F.G. hab noch beyhändig Copien Bäbstlicher Commission, (2) an mich gestellt, auff dieselben hat mir sein heiligkeit Instruction (3) geben, annulo piscatoris obsignirt, darynnen unter andern artickeln verleybt ist:

»Sexto si vobis videtur oportunum, in instrumento publicationis bullarum nominare aliquos tanquam Martini fautores vel adherentes, dicendo verbi gratia talem bullam legimus et publicavimus contra Martinum ac talem et talem, nec non reliquos fautores et adherentes, prout in bulla, prudentiae vestrae relinquitur.« (4)

Darumb ich unbillich angetast werde, alls ob ich mich vil unnterwindt, des ich nit bevelich het empfanngen.

Es beschweren sich zu dem andern die zween obgemelten, (5) das man sie in frembden Bistumben publicirt hab, so ich doch wol gewust hab ir pfleglich Ainwonung etc. (6) Kan E.F.G. nach irem grossen verstand wol abnehmen, das solichs ein uncrefftig aussrede ist. Dann die Bullen hat man allein in den dreyen Stifften sollen Publicirn unnd originalem copiam affigiren etc. (7) laut meiner Instruction und Commission. Und so Birckhamer und Lazarus Spengler der bösenn puchlein unnd anders durch ir gut freund zu aller Zeit bald und anvertzug auß Meichsenn und Sachsen sind theilhafftig worden (8), ist nit zu vermuten, das Ine diese Publication verhalten bleyb von iren guten Freunden, so doch Publication darumb beschicht, »ut innotescat his, quorum res agitur« (9).

So hab ich sie doch zu einem Uberfluss durch E.F.G. alls iren ordinarium des zu wissen gethan, und geburlicher weyß insinuirt, das sie weyter die Unwissenheit nit furhalten mugen. (10) Es ist on not auszurechnen yetzundt, wievil tagreyß die Bistumb Meichsenn und Merseburg von E.F.G. bistumb Bamberg ligend, dann »iura« von demselben reden allein mässigen, das »in delegatione caussarum« einer nit zu weyt auß seinem bistumb zogen werde und citirt (11): In dem fall wir nit sein, allein in publicatione. Darumb ir anziehen deßhalb gar nichts wurckt; man sagt do nicht, das die weyt gelegenn bistumb Iurisdiction uber die zwen obgemelten haben, »sufficit, quod via regia illa publicatio sit deducta ad eorum noticiam« (12). Deßhalben sie solche bescheene Publication nit uncrefftigen werden, noch die Insinuation, durch E.F.G. bescheen.

Ferner geben sie fur, sie seien keiner Irthumb redlich verdacht, vil wenniger uberwunden, und alls leyen lutters lere weder furdern oder hindern können etc.(13)

Ist wol fremd zu horen, so Laßarus mit einem buchlein, durch den Druck außgangen, die lere Martini Luters schutzen wolln, und Ime den titel geben »Schutzrede« (14), darinnen zue vil vermessener urteil und der irrigen verfurischen ketzerischen lere Martini luters breis, mit underdruckung der lere, die Martino wider sein, und ist solchs gescheen, nachdem die lutherischen buchlein außgangen sein, darin dann die irrigen artickel eins teils begriffen werden, in der bull verdampt (15). Noch erröthet er nit einem fursten zu schreiben, er mog nit redlicher verdacht werden, und will also die hende darunter waschen. (16) Aber haben sie sich also gehorsam gehalten und christlich gegen romischer kirchen, das In Ir conscientz nit darob schlottert, haben sie einen leichten weg aus der sachen zu kumen »per viam purgationis«. Erscheinen sie coram pontifice oder einem commissario und schweren uber die artickel, die man dan Inen, wie in solicher sachen sich gepurt, wurdet furhalten, werden sie entledigt durch solche purgacion und declariret unschuldig (17). Aber es were wol besser gewesen, so sie sich fürgeben für leyen, das sie preceptum ecclesiae gehalten hetten, da verpotten worden den layen von dem glauben zu disputieren (18), weren sie wol unverdacht pliben, oder man findet wol spitzig leyen, die sich weiter wollen einlassen, nit allein zu disputiern, sonder auch zu urteilen in des glaubens lere.

Aber auf die hauptsach zu kommen, da sie vier artickel begriffen haben ires erpietens, meinen, damit haben sie genug gethan, und wöllen also von weiter proceß, wider sie außzugeen, liberirt sein(19). Ich hab sie allzeit baide horen hoch beruemen fur geschickt, und mir von her Wilbald Birckamer wol bewißt, deshalb sie wol solten wissen, wie uncrefftig und ungenugsam diss ir erpieten sey, dann sie musten ye liberirt werden »per viam purgacionis, absolucionis simplicis, oder ad cautelam«, (20) auff keinen derley ist ir erpieten gericht, darumb sie mir unanemlich sein, und kunt das nit verantwurten gegen bepstl. Heil. oder auch den hochwirdigisten cardinelen (21), denen die sach bevolhen ist. Schicken aber sie das pontifici maximo oder den commissariis zue, lassen sie sich damit ersetigen, will ich mich des auch müssigen. (22)

So ist auch an den artickeln selber grosser mangell, dann zum ersten muß einer confessionem »fidei iuramento« bestetigen, das da in irem erpieten gar kein meldung geschicht (23). Auch in dem andern Artickel begeben sie sich Martini Luthers lere nit zu verthedingen, dann sovil sie christlichem glauben nit wider ist (24). Das ist gantz nit genug, dann also »per nimis generalem protestacionem« were keiner zu einer rechtfertigung kumen, dan keiner, der ye geirrt hat unter den Cristen, ist bestendig gewesen, das sein lere dem Cristenglauben wider sey. Darumb ist vonnöten, das sie D. Martinus lere in artickeln, in der bull begriffen, in keinem weg furohin halten, loben, verthedingen wollen etc. (25)

Desgleichen in dem dritten Artickell wollen sie sich lassen erst auff ein kunfftig Concilium (26), alls hett der Babst mit dem concilio nit gewalt zu diffiniren, und zu declariren im glauben, und wue ir gemuet also besynnet were das sie von der bullen fallen wolten, und gleich also wollen appellirn, und die sach auffziehen auff ein kunfftig concili, weren sie gefallen in die peen bulle Pii II., (27) die er gemacht hat in der versamlung zue Mantua, (28)

und ist mir wissend an zweiffel, wue ich ein vernuegen neme an diesem irem erpieten, das ich deßhalb grosse ungenade babstlicher heil. und des gantzen Collegii Cardinalium erlangt, zue dem das Inen unhilfflich wurd sein, darumb ich itzt mit diser meiner schrifft widersprich, und dise untüchtige erpietung gar nit annemen will.

Ich hab die tag herrn Bernhart Adelmann liberirt, (29) in ansehung meiner gnedigen fürsten und herren von Bayern, aber sein erwird schickt sich das in die sach, dan die.

Auff solichs versteet itzt E.F.G. wie der zweyer letzt begeren meynthalb abgeschnitten ist, ich will von iren wegen mich nit in geferlichkeit geben, das ich darnach gegen B.H. nit verantwurten kunde. So aber sie meinen, der heilig vater der Babst werd das ir erpieten für völlig und genugsam annemen, (30) versuchen sie das. Ist meynthalb mir nit wider, aber ich habs nit dafur, das anemlich sey, ist auch dem rechten in dem fall nicht gemeß. Ist auch on not, mit mir zu schaffen, meins furnemen abzustellen, wann so ich schon still schweig, so wurd doch der Babst lapsis terminis (31) nit still steen, dann die bullam originalem hab ich mit executione publicationum a dorso per notarios verzeichent von leipzig aus gen Rome geschickt. (32) Darum wer infra terminos prefixos nit hinein schickt sein purgationem oder absolutionem, oder durch die Commissariis nit certificirt summo pontifici, wurd sein heiligkeit lapsis terminis declariren, dieselbig in executione ernennt incidisse penam bulle. (33)

Das aber sie sich beruffen auff E.F.G. alls iren ordinarium on mittel in der geistlichkeit, sehen sie wol in bulla, das sollichs Ine undienstlich ist, so bebstl. heil. den fall Ime allein vorbehalten hatt, und den ers insonderheit bevilhet, (34) auch in iure wol außdruckt ist, wie in solichem fall zu thun ist. Wolt gern, E.F.G. het die commission, (35) die ich hab, und ich ledig und zu ruhe were.

Darumb das sie sich rechts für E.F.G. erpieten, bedenken sie, wider welichen sie rechten wollen. Ich dürff keins rechten mit Inen, ich hab sein auch keinen bevelhe, und wollen erst das geistlich oberkeit erkennen lassen, ob ir erpieten genugsam sey, oder nitt, laß ich mich alles nit anfechten, nympts B.H. an für genugsam, bin ich zufrieden, allein so ir erpieten dem rechten und der sachen nitt gemes ist, will ich das nit annemen, acht auch nit, das yemand in der geistlichen oberkeit, wue er genugsam hort die mengell, die in disem erpietten sind, und wider die form des rechten, das erkennen wurd solichs fur genugsam. Wissen sie nit, wie sie ir erpieten rechtmessig stellen sollen, und von welchem, so haben sy frag darnach, weis nit, ob es Ine gefellig were, wan ich unversucht und ungepeten fürhielt die weg, wie sie sich in diesem fall solten schicken, ich gibs Ine zu treffen, die Zeit primi termini nahet sich.(36)

Diß mein lang schreiben, wie die notturfft der sachen ereischt, wol E.F.G. von mir nit in ungenaden oder verdrieß annemen, auch nit verargen, das ich ir ungnügsam undüchtig erpieten, dem rechten wider und bebstlicher commission, nit hab angenomen, dann es were inen nit nütz, und reichet mir zue merklichem nachteil und schaden bey B.H. Ich mocht auch sie auf mich laden, wenn ichs anneme, dann so der heilig Vater der Babst diß erbieten fur ungnugsam erklärt oder auch streflich urteilte, das sie dannocht in schaden kemen und muhe und arbeit.

Wurden sie darnach mir »uber die hauben faren« (37), ich het ir erpieten angenommen als commissarius, und uber solichs kemen sie in die schand, will lieber des uberhebt sein und nicht handeln, dann das ich veranntworten konne, und damit auch nyemant ein nachteil daraus erwachs, und wo ich einen vertröst ledig zu sein, das ich dasselb wiß zu ennthalten bey unserm heiligen Vater dem Babst. Ist ime auch und mir nützer, das nicht gehandelt werde, dann das bestendig und rechtmessig sey, es kum hin wo es wolle, zu einer rechtvertigung (38).

Bevilhe mich hiemit E.F.G. alls meinem besonndern genedigen herrn, dem ich zu dienen urbietig bin.

Dat. Ingoldstadt am 12. tag Novembr. Anno gracie 1520.

E.F.G. unntertheniger Caplan

Johann von Eck.





Gnädiger Herr:

Am heutigen Tag habe ich Euer Schreiben mit beiliegenden Abschriften der Briefe des Bürgermeisters und Rates der Stadt Nürnberg und der Herren WILLIBALD PIRCKHEIMER, Bürger der Stadt Nürnberg, und LAZARUS SPENGLERS, Ratsschreiber dortselbst, empfangen und ihren Inhalt zur Kenntnis genommen.

In aller Untertänigkeit bitte ich Eure Fürstliche Gnaden, gnädig meine pflichtgemäße Stellungnahme dazu entgegenzunehmen:

[1] Da die genannten Herren einwenden, es stehe nicht in meiner Macht und ich hätte auch keinen Auftrag dazu, einzelne Personen bei der Veröffentlichung der Bulle zu nennen, da diese ganz allgemein gehalten sei, so bin ich nicht wenig befremdet darüber, sowie daß sie glauben, ich sei so vermessen, die Grenzen meines Mandats zu überschreiten und in solcher Weise Einzelpersonen ohne Auftrag zu benennen. Hätten sie mir selbst diesen grundlosen Zweifel vorgetragen, hätte ich sie persönlich daran erinnert und sie hätten die Umstände in Ruhe von mir erfahren. Ich hätte das auf ihren Wunsch hin getan.

Ich denke, Eure Fürstlichen Gnaden hat noch Abschriften des päpstlichen Kommissionsbriefes von mir: Seine Heiligkeit hat mir dazu noch eine Instruktion gegeben, die mit dem Fischerring gesiegelt ist. In dieser Schrift heißt es unter anderem: 

»Sechstens: Wenn es Euch nötig erscheint, sei es Eurer Klugheit überlassen, im Publikationsinstrument der Bulle einige Günstlinge und Anhänger MARTIN LUTHERS zu nennen, indem Ihr beispielsweise sagt: Wir haben diese Bulle gegen MARTIN LUTHER, diesen und jenen sowie alle übrigen Begünstiger und Anhänger verlesen und veröffentlicht, wie es dem Inhalt der Bulle entspricht.«

So werde ich mit Unrecht angegriffen, als ob ich vielerlei unternähme, ohne dazu einen Auftrag zu besitzen.

[2] Zum zweiten beschweren sich die beiden oben genannten PIRCKHEIMER und SPENGLER, daß man ihre Namen in fremden Bistümern veröffentlicht habe, obgleich ich doch ihren dauernden Wohnort gekannt hätte usf. Eure Fürstliche Gnaden können mit Ihrem Verstand wohl erkennen, daß das eine wirkungslose Ausrede ist. Die Bulle sollte allein in den drei Domstiften publiziert und das Original dort angeheftet werden usf., wie es in meiner Instruktion und Kommission heißt. Da aber PIRCKHEIMER und LAZARUS SPENGLER durch ihre guten Freunde jederzeit in den Besitz der verderblichen Schriften aus Meissen und Sachsen kamen, ist nicht zu vermuten, daß ihnen die Publikation der Bulle von ihren guten Freunden nicht gemeldet wurde, da diese doch deshalb geschieht, » die zu informieren, die es angeht.

So habe ich sie doch zusätzlich noch durch Eure Fürstliche Gnaden als ihren Ortsbischof davon wissen lassen und auf gebührende Weise informiert, damit sie nicht länger Unkenntnis vortäuschen können. Ohne Schwierigkeiten kann man jetzt ausrechnen, wieviele Tagereisen die Bistümer Meissen und Merseburg vom Bistum Eurer Fürstlichen Gnaden Bamberg entfernt sind, denn die rechtlichen Bestimmungen erfordern, allein Maß darin zu halten, daß bei der Delegation eines Rechtsstreites jemand nicht zu weit von seinem Bistum entfernt belangt und zitiert werde. Dieser Fall liegt hier nicht vor, nur in der Publikation selbst. Deshalb bewirkt ihr Argument gar nichts, denn es heißt dort nicht, daß die weit entfernten Bistümer Jurisdiktion über PIRCKHEIMER und SPENGLER haben: »es reicht, daß diese Veröffentlichung auf allgemeine Weise zu ihrer Kenntnis gelangt ist.« Deshalb können sie diese Publikation in ihrer Wirkung nicht entkräften noch ihre Verbreitung, die Eure Fürstliche Gnaden veranlaßt hat.

[3] Sie argumentieren ferner, man habe keinen Verdacht auf Irrtum in redlicher Weise gegen sie geäußert noch sie widerlegt; als Laien könnten sie LUTHERS Lehre weder begünstigen noch verhindern usf.

Sie wollen wohl nicht zur Kenntnis nehmen, daß LAZARUS SPENGLER in einer im Druck erschienen Schrift die Lehre LUTHERS hat schützen wollen und ihr daher den Titel »Schutzrede« gegeben hat, in der mit vermessenem Urteil die irrige, verführerische, ketzerische Lehre MARTIN LUTHERS gepriesen und dabei die LUTHER entgegenstehende Auffassung unterdrückt wird. Das ist geschehen, nachdem die lutherischen Bücher verbreitet wurden, in denen die in der Bulle verurteilten irrigen Artikel teilweise enthalten sind. Er schämt sich auch nicht, einem Fürsten zu schreiben, man könne ihn nicht zu Recht verdächtigen, und will darüber seine Hände in Unschuld waschen. Wenn sie sich aber so gehorsam und christlich gegenüber der römischen Kirche verhalten haben, daß sie ohne Gewissensbisse sind, können sie mit Leichtigkeit auf dem Weg der Reinigung aus der Sache herauskommen. Sollten sie vor dem Papst oder einem päpstlichen Kommissar erscheinen und den Artikeln, die ihnen, wie in solchen Fällen üblich, vorgehalten werden, abschwören, werden sie durch solche Reinigung von der Exkommunikation befreit und für frei von Schuld erklärt. Als "Laien" wäre es aber besser für sie gewesen, sie hätten das Gebot der Kirche eingehalten, das den Laien verbietet, über Glaubensfragen zu sisputieren: so hätte man sie nicht verdächtigt. Es gibt jedoch hitzige Laien, die nicht nur über Glaubenslehren disputieren, sondern auch darüber urteilen wollen.

[4] Um aber auf die Hauptsache zu kommen, sie haben sich in vier Artikeln » erboten« und meinen, damit genug getan zu haben, und wollen von einem weiteren Prozeß gegen sich befreit sein. Ich habe sie aber beide stolz sich rühmen hören, besonders weiß ich das von WILLIBALD PIRCKHEIMER: sie sollen deshalb wissen, wie wirkungslos und unzureichend ihr »Anerbieten« ist, denn eine Absolution kommt nur über den Weg der Reinigung, der einfachen Lossprechung, zustande, oder aber mit Auflagen. Jedoch ist ihr »Anerbieten« auf keinen dieser Punkte gerichtet, so daß ich es nicht annehmen und gegenüber päpstlicher Heiligkeit oder auch den hochwürdigsten Kardinälen, denen die Sache anvertraut ist, nicht verantworten kann. Sollten sie dieses aber an Seine Heiligkeit selbst oder den Kommissaren zusenden und fügen sich dann in deren Entscheidung, will auch ich mich dem unterwerfen.

[5] An den Artikeln selbst ist großer Mangel, denn zunächst muß jemand das Glaubensbekenntnis eidlich bestätigen, wovon in ihrem »Anerbieten« keine Rede ist. Auch im zweiten Artikel verzichten sie nicht darauf, LUTHERS Lehre zu verteidigen, außer in den Fällen, wo sie dem christlichen Glauben widerspreche. Das reicht aber nicht aus, denn bei solcher allzu allgemein gehaltenen Bezeugung hätte sich keiner rechtfertigen können, denn niemand, der unter den Christen je geirrt hat, hat jemals eingestanden, daß seine Lehre dem christlichen Glauben widerspreche. Daher ist es erforderlich, daß sie die Lehre MARTIN LUTHERS, soweit sie in den Artikeln der Bulle wiedergegeben ist, in keiner Weise weiterhin aufrecht erhalten, loben, verteidigen wollen usf.

[6] Desgleichen wollen sie in dritten Artikel sich erst auf ein künftiges Konzil einlassen, so als habe der Papst zusammen mit dem Konzil nicht die Gewalt, zu definieren und in Glaubensfragen Erklärungen abzugeben. Sollten sie diese Gesinnung haben und von der Bulle abweichen wollen, appellieren und die Entscheidung über die Sache bis auf ein künftiges Konzil aufschieben, so wären sie von den Sanktionen der Bulle PIUS´ II. betroffen, die er auf der Synode zu Mantua erlassen hat.

Ich bin sicher, daß ich bei einem Eingehen meinerseits auf dieses »Erbieten« bei päpstlicher Heiligkeit und dem ganzen Kardinalskollegium in große Ungnade fallen würde. Es würde ihnen auch nichts nützen, und ich lege deshalb dagegen Widerspruch ein und lehne diese wirkungslosen »Anerbieten« ab.

Ich habe dieser Tage Herrn BERNHARD ADELMANN absolviert und dabei auf den Wunsch meiner gnädigen Fürsten und Herren in Bayern Rücksicht genommen, aber Seiner Ehrwürden paßt das gut zu seinen Absichten!

[7] Nach diesen Auslassungen wird Eure Fürstliche Gnaden jetzt verstehen, wie von meiner Seite die zuletzt geäußerten »Ansuchen« PIRCKHEIMERS und SPENGLERS abgewiesen werden mußten: ich will mich ihretwegen nicht in Gefahr begeben, so daß ich mich danach nicht vor päpstlicher Heiligkeit verantworten könnte. Sollten sie aber meinen, der Heilige Vater, der Papst, werde ihr »Erbieten« als völlig ausreichend ansehen, sollen sie es versuchen. Ich widerspreche dem nicht, glaube aber nicht, daß es annehmbar ist und dem geltenden Recht entspricht. Es bringt auch nichts, darauf hinzuwirken, daß ich mein Vorgehen gegen sie einstelle, denn selbst, wenn ich schwiege, würde die Bulle nach Ablauf der gesetzten Widerrufsfrist nicht wirkungslos, denn ich habe die Originalbulle mit notariellem Vermerk ihrer Exekution auf der Rückseite von Leipzig nach Rom gesandt. Wer deshalb nicht innerhalb der festgesetzten Fristen seine Reinigung oder Absolution betreibt oder diese nicht durch die Kommissare dem Heiligen Vater zusichert, von dem wird Seine Heiligkeit nach Ablauf der Fristen erklären, er sei unter die in den Ausführungsbestimmungen der Bulle aufgeführten Sanktionen gefallen.

Da sie sich aber ohne Vermittlung des Klerus auf Eure Fürstlichen Gnaden als ihren Ortsbischof berufen, werden sie aus der Bulle ersehen, daß auch das ihnen nichts hilft, weil päpstliche Heiligkeit die Angelegenheit sich selbst vorbehalten hat und denen, die er damit beauftragt. Auch sagt das geltende Recht deutlich, was in solchem Fall zu tun ist. Ich wollte gerne, daß Eure Fürstliche Gnaden die Kommission, die ich besitze, selbst zu handhaben befugt wäre, und ich selbst wäre davon befreit und hätte meine Ruhe.

Wenn sie Eurer Fürstlichen Gnaden gegenüber ihr Recht erlangen wollen und ihr »Erbieten« antragen, sollen sie bedenken, von wem sie Recht fordern wollen. Ich darf ihnen nicht, so meinen sie, zu ihrem Recht verhelfen, da ich keinen Auftrag dazu hätte. Sie wollen lieber zuerst die geistliche Obrigkeit prüfen lassen, ob ihr »Erbieten« ausreichend sei oder nicht. Das alles ficht mich nicht an. Sollte päpstliche Heiligkeit das für ausreichend halten, bin ich zufrieden. Da jedoch ihr »Erbieten« nicht dem Recht und dem Gegenstand entspricht, will ich es nicht entgegennehmen. Ich würde es auch nicht für ausreichend halten, wenn jemand von der geistlichen Obrigkeit die Mängel dieses »Erbietens« und die darin vertretene Rechtsauffassung billigen würde. Wenn sie nicht wissen, wie sie ihr »Erbieten« rechtmäßig vorbringen sollen und vor wem, sollen sie das erfragen. Ich weiß aber nicht, ob es ihnen dienlich wäre, wenn ich ohne Aufforderung und Bitte ihnen den Weg aufzeigte, wie sie sich in der Angelegenheit verhalten sollten. Ich überlasse es ihnen; der Zeitpunkt des Ablaufs der ersten Widerrufsfrist kommt jedoch näher.

[8] Eure Fürstlichen Gnaden möge dieses mein langes, aber von der Sache her notwendiges Schreiben nicht ungnädig oder verdrossen entgegennehmen und auch nicht verargen, daß ich ihr unzureichendes, rechtlich wirkungsloses »Erbieten«, das dem Recht und dem päpstlichen Kommissionsbrief nicht entspricht, nicht angenommen habe, denn sie hätten davon keinen Nutzen, ich aber gegenüber päpstlicher Heiligkeit deutliche Nachteile und Schaden zu gewärtigen. Auch wenn ich es annähme und dann die Folgen tragen müßte, würden sie, wenn der Heilige Vater, der Papst, dieses »Erbieten« für unzureichend erklärt oder es auch für strafwürdig hält, dennoch Schaden, Mühe und Arbeit zu tragen haben.

Würden sie mir später vorwerfen, ich hätte ihr »Erbieten« als päpstlicher Kommissar angenommen und sie kämen deshalb in Schande, so wollte ich lieber den Auftrag los sein und gar nichts tun, als etwas, das ich nicht verantworten kann, damit auch niemandem ein Nachteil daraus entstünde, und daß ich, wo ich jemanden mit der Antwort vertröste, keinen Auftrag zu haben, die Angelegenheit auch vor dem Heiligen Vater, dem Papst, zu verbergen wüßte. Es ist auch ihm und mir von größerem Nutzen, nur Begründbares und Rechtmäßiges zu tun, egal wo die Sache dann ihre Lösung findet.

>Ich befehle mich hiermit Eurer Fürstlichen Gnade als meinem besonderen und gnädigen Herrn, dem ich gerne dienen will.

Gegeben zu Ingolstadt am 12. Tag des November im Jahr der Gnade 1520.

Euer Fürstlichen Gnaden ergebener Kaplan

Johann von Eck.



1. Zu B. GEORG VON BAMBERG s.o. Brief 18-05-1519, Anm.1.
Der erwähnte Brief des Bischofs an Eck mit beiliegenden Kopien von Schreiben des Nürnberger Bürgermeisters und Rates ist verloren; das »Erbieten« an den Bischof von Bamberg, 30-10-1520: PIRCKHEIMER-BRIEFWECHSEL Bd 4 (Nr. 719) 321-325 (vgl. RIEDERER, Nachrichten 1, 442-445).
Zur Publikation und Exekution der Bulle »Exsurge Domine« in Bamberg vgl. Gisela MÖNCKE, Ein unbekannter Bamberger Druck der Bulle »Exsurge Domine«, in: Ber. d. Hist. Vereins Bamberg 121 (1985), 17 - 28.

2. S.o. Brief 18-07-1520.

3.  Zu der (verlorenen) Instruktion Leos X. für Eck s. P.KALKOFF: ZKG 25 (1904), 538f. - Aleanders Instruktion ist erhalten: Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 442-445.

4. Vgl. o. Brief 20-10-1520 Anm.16.

5. Nämlich Pirckheimer und Spengler.

6. In dem »Erpieten«: s.o.Anm.1. - Vgl. u. Brief 05-12-1520, Anm. 1 Text 1.

7. Nämlich Meißen, Merseburg und Brandenburg: »Exsurge Domine« = Dokumente Bd 2, 408.

8. Zu Pirckheimers und Spenglers Verbindungen nach Meissen und Sachsen vgl. u. Brief 05-12-1520, Anm. 1 Text 1.

9. "damit sie denen bekanntgemacht werde, um deren Sache es geht."

10. Eck hatte sich an den Bischof gewandt, damit dieser Pirckheimer und Spengler über die Nennung ihrer Namen in der Bulle verständige.

11. Iura in delegatione causarum: vgl. u. Brief 05-12-1520, Anm. 1 (Text 1).

12. Vgl. o. Anm. 11.

13. Vgl.o.Anm.6.

14. Text: Neuedition in: Lazarus SPENGLER, Schriften Bd 1: Schriften der Jahre 1509 - Juni 1525, hg. von Berndt HAMM u. Wolfgang HUBER unter Mitarbeit von Claus BACHMANN und Katrin BEYER. Gütersloh 1995, Nr 6: Schutzrede für Luthers Lehre (1519), 73ff (=Quellen u. Forschungen zur Reformationsgeschichte hg. von Gustav Adolf BENRATH. Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte Bd 61): ersetzt die alte Ausgabe von RIEDERER, Beytrag 197 - 208 u. unten Anm. 38.

15. Die in der Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« verdammten 41 Artikel.

16. Vgl.o.Anm.6.

17. Per viam purgationis: persönl. Erscheinen des Beschuldigten vor dem Papst oder seinem Kommissar und feierliches Abschwören der Irrtümer

18. Zum Verbot für Laien, über den Glauben zu disputieren: XXX.

19. In ihrem »Erpieten«: vgl. o. Anm. 1.

20. Eine einfache formlose Befreiung von den Anschuldigungen Ecks ohne Prozeß aufgrund des »Erbietens« mit den vier Artikeln ist nicht möglich, sondern allein die via purgationis mit absolutio simplex oder ad cautelam: vgl. o. Anm. 17 u. Brief 04-02-1521.

21. Accolti und Cajetan.

22. Vgl. o.Anm.17.

23. Fidei iuramento: öffentliches Glaubensbekenntnis

24. »Erpieten« Artikel 2: vgl. o. Anm. 1.

25. Es fehlt also der Hinweis, die Verfasser des »Erpietens« wollten die in der Bulle »Exsurge Domine« ausdrücklich verurteilten 41 Sätze Luthers nicht verteidigen.

26. »Erpieten« Artikel 3: vgl. o. Anm. 1.

27.  PIUS II., Bulle »Exsecrabilis et pristinis temporibus« (18-01-1460): DS 1375.

28. Fürstenkongreß zu Mantua 1459-1460: s. PASTOR, Geschichte der Päpste II, 39-81.

29. Nämlich am 09-11-1520: vgl. o. Brief 29-10-1520 Anm.21.

30. Vgl.o.Anm.6.

31. D.h. 60 Tage nach dem 29-09-1520.

32. Vgl. Brief 29-10-1520 Anm.20.

33. Dokumente Bd 2, 388ff.400.

34. Dokumente Bd 2, 400.404.

35. S.o.Brief 18-07-1520.

36. S.o.Brief 15-10-1520.

37. d.h. heftig einwenden.

38. Spenglers »Schutzrede« (Lazarus SPENGLER, Schriften Bd 1, Gütersloh 1995, 73ff u. RIEDERER, Beytrag 197 - 208) erklärt Ecks Zurückhaltung.