Übersicht Reforrmationsgeschichte

Phasen im Ablauf der Reformation im Umkreis Martin Luthers


Der Ablauf der Reformationsgeschichte ist ein vielschichtiger Konfliktprozeß:

1. Phase - Reformatorische Erkenntnis:
In einem ersten Stadium geht es um Auseinandersetzung im Rahmen des theologischen Schulbetriebs.
Vorherrschendes literarisches Genus: Vorlesung, Disputation

Dabei ist zu beachten, daß eine Disputation nur auf der Basis der gemeinsam akzeptierten kirchlichen Lehre stattfinden kann.
Ähnlich wie beim mittelalterlichen Ritterturnier oder heute beim Fußballspiel ist das Ziel dabei der Sieg.
Ein bewußtes Unentschieden oder das bloße Konstatieren von Gemeinsamkeiten wäre gegen die Spielregel.
So sagt Eck zu Karlstadt bei der Leipziger Disputation:
     »Ich bitte, der Herr Doktor möge sich erinnern, welchen Part er spielt, seine Aufgabe ist nämlich nicht, meine Aussagen zu bekräftigen, sondern sie zu widerlegen« . (Der authentische Text der Leipziger Disputation (1519), hg. von O. Seitz, Berlin 1903, 137.)
Sieger ist, wer die vereinbarten Regeln einhält
     - bei der Leipziger Disputation 1519 wurde z.B. Karlstadt wegen Ablesens verwarnt -
und ohne Abstriche seine provokativ und zugespitzt formulierten Thesen, die nicht unbedingt die volle persönliche Überzeugung des Disputators wiedergeben mußten
    - vgl. z.B.  Luther im Blick auf seine 6. Ablaßthese  non posui ex animo(WA 1,544),
mit Erfolg verteidigt.

.In der Sache geht es um einen Streit zwischen Theologenschulen 
(contritio / attritio, opus operatum - Biel, Duns Scotus)

2. Phase - Reformatorische Bewegung
In einem zweiten Stadium geht es vor allem um die Auseinandersetzung in Städten und Territorien.
Verschiedene Gruppen (Ritter, Bauern, Stadträte, Handwerker-Zünfte, Fürsten) sahen in Luther einen gemeinsamen Vorkämpfer gegen gesellschaftliche Vorrechte des Klerus (z.B. Immunität vor dem weltlichen Gericht, steuerliche Begünstigung etc.), zu dem man nach mittelalterlichem Kirchenrecht durch Empfang der Tonsur oder Ablegung der Ordensgelübde gehörte.

Der gebannte Luther als Sammelfigur der mit dem Klerus im Konflikt liegenden Gruppen. 
Verquickung von politischen Gruppeninteressen und Reformation: 
Ritter (Ebernburg, Franz von Sickingen - Kriegszug gegen den Erzbischof von Trier),
Städtische Schichten
                    Rat der Stadt:
                        Gemeiner Kasten - Kirchenvermögen,
                        Unabhängigkeit von bischöflicher Jurisdiktion
                        gegen Bischof als weltlichem Herrn
                    Handwerker-Zünfte: Klöster als Konkurrenz
                    Unterschichten: Auschreitungen gegen Kleriker)

Bauern (Konfliktpunkt mit Klöstern: Leibeigenschaft, Unzufriedenheit über Hilfspriester) 
Fürsten: Säkularisierung von Klostergut, Stiftungen.

Berufung auf die Schrift als reiners lauteres Evangelium gegen die Menschensetzungen. Nur was explizit in der Schrift steht hat christliche Berechtigung. Die Schrift ist wörtlich zu befolgen.
Vorherrschendes literarisches Genus: Polemische Flugschrift

Negative Erfahrungen auf beiden Seiten bestimmen die Sicht der Gegenseite.
Katholische Seite:  Pfaffenkrieg, umgesetzt im Kriegszug des Franz von Sickingen gegen den Erzbischof von Trier, Ausschreitungen in Städten gegen Kleriker, Plünderung und Zerstörung in Klöstern, Vernichtung und Verspottung von Heiligenbildern und Kruzifixen, Beschlagnahme von Stiftungsvermögen, Verbot der Messe,
Säkularisierung von Klostergut.Polemisch überspitzte Formulierungen Luthers und der anderen Reformatoren werden von katholischer Seite in Katalogen ketzerischer Äußerungen gesammelt.
Evangelische Seite: Bedrohung des Lebens Luthers, Gefangensetzung verheirateter evangelisch gesinnter Priester, Hinrichtung wegen reformatorischer Lehren (z.B. Leonhard Käser und Adolf Clarenbach)

3. Organisierung evangelischer Kirche - Reformatorisches Bekenntnis
In einem dritten Stadium kommt es innerhalb der reformatorischen Bewegung:
zur Abgrenzung der Reformation um Luther
    von Zwingli - Karlstadt  -  Müntzer  - Schwärmern  - Täufern  - Antitrinitariern
    1528 Vom Abendmahl Christi / 1529 Schwabacher Artikel  /1529 Marburger Religionsgespräch
zur innerlutherischen Abklärung
    Melanchthon gegenüber Agricola, 1527: Bedeutung des Gesetzes, Kirchenvistitation
zur Selbstkorrektur: Willensfreiht, Sola scriptura:  Die Schrift ist im Kontext der alten Kirche zu lesen
zur Organisierung des reformatorischen Kirchenwesens
    durch Visitation, Katechismus und Bekenntnis
    Kirchenvisitation (Unterricht der Visitatoren, 1528) / Kleiner und Großer Katechismus Luthers, 1529
    Bekenntnis: Confessio Augustana (ecclesiae apud nos docent)

Vorherrschendes literarisches Genus: Katechismus, Bekenntnis

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