Übersicht Reformationsgeschichte
- Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 48
Nürnberg Archiv des GM IVa
Briefmappe 1, 224f
Eck dankt für erwiesene Dienste bei seinem Besuch in Basel; er will bei Gelegenheit seine Dankbarkeit beweisen. Da er für die Ausgabe der »Theologia mystica« des Dionysius Areopagita in Augsburg keinen geeigneten Drucker gefunden hat, schlägt er den angesehensten Drucker in Deutschland, Johannes Froben in Basel, vor; Capito könnte dann als philologisch kompetenter Korrektor dienen. Eck wird in Kürze einen Augsburger Boten mit dem Dionysiustext nach Basel senden; Capito möchte Froben auf den Auftrag Ecks vorbereiten. Den Text der Grabrede auf den verstorbenen Augsburger Bischof Heinrich von Lichtenau wird er nachsenden.
S.P. Tanta fuit vestra in me humanitas, doctissimi viri, ut
illam satis apud nostrates praedicare non possim
(3). In animo michi esset referre vobis gratias, ubi
oportunitas se offeret. Verum dum gratiam referre deberem, cogor iterum
operam vestram implorare. Nam commentarios in »Mysticam
Theologiam« (4) ante mensem
elucubravi. Verum non apparet
michi ex re studiosorum factum, ut Augustae Vindelicorum exaretur, cum
nullus
sit calcographus, qui doctum adhibeat castigatorem, et quomodo in re
tam
extraria et rarissima, ac quae summam sapiat eruditionem, ipsi censores
esse
possent(5). Delegi Frobenium (6),
excusorem
egregium et reliquorum in Germania principem. Te vero Vuolphgangum constitui castigatorem »Argo
oculatiorem« (7). Arbitror te
libenter suscepturum hoc onus ob publicam studiosorum utilitatem. In
quindena
per alium nuncium Augustanum mittam Dionysium, modo commonefaciatis
Frobenium
nostrum super editione, faciet ipse rem theologis omnibus purioribus et
defecatis
omnium gratissimam. Cum illo Augustano scribam abunde necessaria (8). Valete, amici mei, amicissimi mei. Valete. Ex Ingoldstadio, 26. Octobris anno gratiae M.D.XVII. Vester ad vota plus quam paratissimus. (Am unteren Rand:) Habui orationem funebrem in exequiali pompa reverendissimi episcopi Augustani (9), ibit ad vos propediem. (In dorso:) Excellentissimis ac ornatissimis dominis dominis Vuolphgango Theologiae, Ioanni Utriusque Iuris doctoribus, fabris, omni scientiarum genere candidissimis, amicissimis suis Basileae. |
Viele Grüße! Eure Freundlichkeit mir gegenüber war so groß, gelehrte Männer, daß ich sie bei den Meinen nicht genügend preisen kann. Gern würde ich Euch Dank abstatten, wenn sich eine Gelegenheit ergäbe. Indes: während ich Euch Dank abstatten sollte, bin ich erneut gezwungen, Euch eine Bitte vorzutragen: ich habe nämlich vor einem Monat Kommentare zur »Mystischen Theologie« geschrieben. Es scheint mir aber nicht im Interesse der Studenten zu liegen, in Augsburg nach einem Drucker zu suchen, denn es gibt dort keinen, der einen gebildeten Korrektor besitzt und auf irgendeine Weise selbst in einer so außergewöhnlichen und ausgefallenen Sache, die sehr großes Wissen erfordert, Zensor sein könnte. Ich habe mich daher für JOHANNES FROBEN entschieden,
einen ausgezeichneten Drucker und in Deutschland der beste von allen. Euch aber, Wolfgang, habe ich als Korrektor ausgesucht, denn Ihr habt »schärfere Augen als Argus«. Ich denke, Ihr werdet diese Last wegen des öffentlichen Nutzens für die Studenten gern übernehmen. In vierzehn Tagen werde ich den DIONYSIUS durch einen anderen Boten schicken; verständigt nur unseren FROBEN von der neuen Ausgabe. Er wird die Sache zu aller Zufriedenheit erledigen, allen puristischen Theologen zum Trotz. Mit jenem Augsburger schreibe ich Euch alles Notwendige ausführlich. Lebt wohl, meine Freunde, meine besten Freunde! Lebt wohl. Aus Ingolstadt, 26. Oktober im Jahr der Gnade 1517. Euer Euch sehr zu Diensten stehender Eck.
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1. WOLFGANG FABRITIUS CAPITO (Fabri,
Köpfel; 1481 Hagenau - 03-11-1541 Straßburg - vgl.http://www.itergateway.org/capito/
) studierte in Ingolstadt und ab 1505 in Freiburg im Brsg., wo er 1508
die Grade des Magister Artium und 1512 des Lic. theol. erwarb. Seit
1513 war er in Basel, wo er 1515 Prediger am Münster wurde und
1516 eine theologische Professur erhielt. Später wurde er in
Straßburg als Reformator tätig:
vgl. M. LIENHARD: TRE
7, 637ff und B. MOELLER: LThK 2 (3.A.), 932.
Der Briefwechsel Capitos wurde
herausgegeben von O. MILLET, The Correspondance of Capito.
Straßburg 1982.und wird jetzt neu bearbeitet unter der Leitung
von Frau Prof. Dr. Erika Rummel, Department of History, Wilfrid Laurier
University, Toronto ( http://www.wolfgang-capito.com.)
Die wissenschaftliche Bedeutung (auch als
Hebraist) von Capito zeigt sich auch darin, daß er in der Liste
zeitgenössischer Theologen des Ulrich Zasius in dessen »Lucubrationes«
unmittelbar hinter den beiden Mirandolas und Erasmus an vierter Stelle
vor
Ludwig Bär, Luther und Eck aufgeführt ist, der an letzter
Stelle
steht. (ROWAN, Zasius 102). Das Verhältnis zwischen Eck und Capito
war durch gemeinsame Studien in Freiburg geprägt: So haben beide
1509 das Katharinenfest gestaltet: (STIERLE, Capito 31). Beim Weggang
Ecks aus Freiburg heftete Capito zusammen mit anderen am 07-10-1510
Spottverse an die Tür des Collegiums, welche Eck priesen. So wurde
er mit dem von den Clodiern vertriebenen Cicero verglichen, seine
renommierten Gegner unter den Professoren als bloße Neidhammel
bezeichnet: vgl. MAYER,
Freiburg 18f und 30 Anm. 117. Andere Gedichte »in Eckii
discessum«
finden sich in ECK, Orationes IV fol [c5v-c6r] http://www.itergateway.org/capito/Letter001a.pdf,
und in ECK, Disputatio
Viennae
habita: CCath 6, 74. http://www.itergateway.org/capito/Letter003a.pdf.
Für das in unserem Brief noch ungebrochene
Verhältnis
zeugt auch seine Erwähnung in Brief 02-02-1518;
im Brief vom
15-12-1518
an Eck zeigt sich jedoch bereits Capitos Neigung zu Luther, dessen
Werkedition
bei Froben in Basel er im Herbst 1518 wahrscheinlich betreute: STIERLE,
Capito
104f. 1519 sandte Eck Capito einen Bericht über die Leipziger
Disputation:
ECK, Ad Capitonem epistola; vgl. METZLER, Orationes funebres, LXXXII.
Die
schriftstellerische Polemik führte Eck dann wieder zur
Beschäftigung mit Capito. Eck, der bei der latinisierten
Schreibweise seines Namens
(vgl. allgemein BLATT, Antike Züge, 341) die anspruchslose
Form der Anfügung
des lateinischen Suffixes an den nichtlateinischen Stamm benutzte (bei
ihm
der Ortsname Egg, manchmal auch sein Familienname Maier), die Nennung
"Ioanni
de Acie (vulgo Eck)" beim Widmungsbrief WIMPFELING, Compendium ist
singulär)
polemisierte später am Beispiel von Capito gegen die Praxis der
Humanisten,
ihre Namen durch Lehnübersetzungen (vgl. Capito - Köpfli)
radikal
zu latinisieren; vgl. ECK, Bern, 28 (vgl. ECK, Schutz red, S2v):
"Capito
(so er doch also hayssen will)"; vgl. auch Ecks diesbezügliche
Bemerkung
zu Capito in Matrikel, Ingolstadtt (Pölnitz), 290.
Auch nach Capitos Bekenntnis zur Reformation anerkennt Eck die
fachliche Kompetenz des einstigen Freundes: vgl. ECK, Bern fol 110:
»...sie [die auf der Berner Disputation 1528 anwesenden
Theologen] seynd nun Grammatisch Theologen, die in der götlichen
geschrifft nie gestudirt, dann allain so vil sie Latain künden,
dar nach von inen selbs gelesen, Capito will ich allweg
außgenomen haben, der wol und gnug gestudirt, wa in sein
boßhait und unberstendigkait nit also gar verblent het.«
3. Gemeint ist die Eck von beiden bei seinem Aufenthalt in Basel erwiesene Gastfreundschaft und Hilfe: vgl. Brief 13-10-1516. Der Grund der Reise war vielleicht die Rückgabe entliehener Bücher für ECK, Areopagita: so hatte er sich von den Baseler Kartäusern HUGO VON BALMA, Theologia Mystica besorgt (ECK, Areopagita fol [B5v]: »...Hugo de palma...(quem patres Chartusiae in Basilea multa humanitate michi communem fecerunt.«) Vgl. auch EPINEY-BURGARD, Pseudo-Denys 8 und 14ff.
4. Vgl.Brief Nr. 46 Eck an Christoph von Stadion, B. von Augsburg (09-09-1517)
5. Eck hatte versucht, in Augsburg Drucker zu finden: Adelmann an Pirckheimer -10/-11-1517 (vgl. HOLZBERG, Pirckheimer 258; HEUMANN, Documenta 159): »Misit nuper huc impressoribus nostris suam illam theologiam negativam...« Der Annahme, Adelmann habe die Drucklegung hintertrieben, steht skeptisch gegenüber THURNHOFER, Adelmann 55. Adelmann wußte später auch von der angestrebten Baseler Drucklegung: Brief Adelmann-Pirckheimer 09-12-1517 (HEUMANN, Documenta 164f): »nuperque theologiam istam, de qua tibi scripsi, Basileam secum tulit, eo forsitan, ut istic imprimatur.«
6. JOHANNES FROBEN (gest. 1527), Buchdrucker in Basel; er arbeitete seit 1514 in enger Verbindung mit Erasmus von Rotterdam, dessen griechisches Neues Testament (»Novum Instrumentum«) er 1516 herausgebracht hatte. Daneben setzte er zahlreiche Klassiker- und Kirchenväterausgaben: vgl. P. WALTER: LThK 4 (3.A.), 163.
7. Sprichw. Redensart: Mit schärferem Auge als Argus; vgl. PLAUTUS, Aulularia 555. Hintergrund ist die Sage, daß Hermes den von Zeus bekommenen Auftrag zur Entführung der Io nur ausführen kann, indem er Argus tötet, dessen Augen er durch Flötenspiel und Zauberrute eingeschläfert hat: H. VON GEISAU: KL. PAULY 1, 540. Die Übertragung dieser Aufgabe an Capito, der bereits an der Drucklegung des »Novum Instrumentum« beteiligt war (BEUMER, Erasmus 172), erklärt sich aus der persönlichen Bindung an Eck und die philologische Kompetenz.
8. Die Zusammenhänge sind nicht bekannt. Der Druck erfolgte später in Augsburg bei Miller (25-05-1519): vgl. Brief 09-09-1517.
9. HEINRICH VON LICHTENAU, 1505 bis 1517 Bischof von Augsburg. Eck hatte den Bischof seiner Heimatdiözese auf dem Hinweg nach Bologna aufgesucht und ihn in seiner 1515 gehaltenen Rede »De nobilitate« unter die wissenschaftlich gebildeten Adligen gezählt. Ecks Neffe Michael Knab widmete dem Bischof das Gutachten Ecks zur Kalenderreform (ECK, Pascha): vgl. ZOEPFL, Hof 689. Der Bischof war am 12-04-1517 verstorben und wurde am 15-04-1517 im Augsburger Dom begraben. Die Leichenrede hielt Eck (ECK, Oratio funebris Henrici: METZLER Nr 11), die wiederum durch seinen Neffen herausgegeben wurde: vgl. ZOEPFL, Bistum 6f und Brief 09-09-1517. Ecks Gegner Adelmann, der Augsburger Kanonikus war, sandte ein Exemplar dieser Rede am 25-10-1517 an Pirckheimer: »Fuit nuper hic ac qualem in funere Episcopi nostri orationem effutiverit ex eius verbis (misi vero eam ob hanc caussam tibi) percipies...«: HEUMANN, Documenta 163.