Materialien zur Kreuzessymbolik:
Literaturhinweise
Bedeutung des Kreuzes    Kreuz: xylon im NT     Das Kreuz als Symbol     Kirchenvätertexte

Pfnür, Vinzenz:

Das Kreuz: Lebensbaum in der Mitte des Paradiesgartens.
Zur Bedeutung der christlichen Kreuzessymbolik*

1. Grundlagen und Voraussetzungen der Kreuzessymbolik.
1.1 Die inhaltliche Vorgabe.
1.2 Die Bedeutung der Hl. Schrift, insbesondere des AT, für die Entfaltung der christlichen Bildersprache.
2. Elemente der Kreuzessymbolik.
2.1 Die Gestalt:
2.1.1 Das Kreuz als Schnittpunkt der Horizontalen und der Vertikalen.
2.1.2 Das Kreuz als hebräischer Buchstabe Taw oder griechischer Buchstabe Tau.
2.2 Das Material: Holz/Baum (xylon) als Schlüsselwort der Kreuzessymbolik
2.2.1 Das Kreuz im Lichte atl. -Stellen
2.2.2 Das Kreuz als Holz/Baum des Lebens
2.2.3 Das Kreuz im Horizont von Paradies und neuem Himmel.

Das Kreuz ist noch immer zentrales Symbol und Erkennungszeichen des christlichen Glaubens. Doch unverkennbar droht es in der Gesellschaft seine Eindeutigkeit zu verlieren und zum Allerweltszeichen oder zum bloßen Todeszeichen zu werden. Darin nur eine selbstverständliche Folge eines Säkularisierungsprozesses zu sehen oder dies als legitime Konsequenz der Aufgabe eines christlichen Monopolanspruchs zugunsten einer pluralistischen Gesellschaft zu werten, wäre ein verhängnisvoller Kurzschluß. Es geht nicht um Monopol oder nicht Monopol, sondern darum ob eine Weltdeutungsgemeinschaft ihr Erkennungszeichen so klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, daß daneben eine andere Deutung diese Zeichens nicht aufkommen kann. Dies zeigt sich etwa in der Verwendung des Hakenkreuzes. Obwohl es schon in der Antike als Zeichen begegnet, wurde es durch den Nationalsozialismus so eindeutig besetzt, daß noch heute über 50 Jahre nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Ideologie eine Verwendung dieses Zeichens ohne Zuordnung zum Nationalsozialismus nicht möglich ist. Wenn im Unterschied dazu das Kreuz zum beliebig deutbaren Zeichen wird, so liegt es in erster Linie an der Gemeinschaft der Christen selbst, wenn sie mit ihrem Erkennungszeichen nicht mehr bewußt einen eindeutigen und gemeinsam akzeptierten Sinngehalt verbinden, um damit christliche Lebens- und Weltdeutung in den Dialog der Gegenwart einzubringen. Meist sind es Christen selbst, die - oft guten Glaubens und in bester Absicht - aktiv an diesem Prozeß der Sinnentleerung des zentralen christlichen Zeichens beteiligt sind. (1)

Die Gegenprobe zeigt sich auch im Baumsymbol, das in der Gegenwart zum Erkennungszeichen der ökologischen Bewegung geworden ist. Die Kreuzessymbolik kommt dabei nicht mehr vor.

Die Ursachen der Verflüchtigung einer eindeutigen Kreuzessymbolik sind vielfältig. Nicht zuletzt ist es aber die Theologie selbst, deren Methoden-Probleme sich hier bemerkbar machen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es nicht, neues kirchengeschichtliches Material zur Kreuzessymbolik zu präsentieren. (2) Vielmehr sollen die insbesondere von der Alten Kirchengeschichte erarbeiteten Einsichten in den innertheologischen Dialog eingebracht werden, um auf die Theologie der christlichen Bildersprache aufmerksam zu machen.
 

1. Grundlagen und Voraussetzungen der Kreuzessymbolik.
»Christus ist gestorben gemäß der Schrift für unsere Sünden « (1 Kor 15,3).
Dieses Grundbekenntnis des christlichen Glaubens beinhaltet zwei fundamentale Vorgaben für die Kreuzessymbolik:

1.1 Die inhaltliche Vorgabe.

Worin liegt das Besondere des Kreuzes? Ist das Kreuz nur Negativ-Geschehen, das durch die Auferweckung Christi endgültig überwunden ist, oder ist im Kreuz selbst schon Heil? Ist das Kreuz Zeichen der Entehrung, Unterdrückung und Ermordung, das deshalb vernichtet werden soll, so wie es etwa J.C. Orozco ins Bild setzt: »Christus zerstört sein Kreuz« (3), oder ist das Kreuz Heilszeichen von bleibender Bedeutung? Ist es möglich angesichts der furchtbaren Leid-Erfahrungen von Verzweiflung, Haß, Verreckenlassen und Ermordung im 20. Jahrhundert in das Kreuz als Bild dieses Grauens noch Hoffnung einzutragen? Kann dies nicht höchstens im Freilassen von Raum für Hoffnung geschehen, wie es etwa H. Falken im Schlußbild "Unvollendetes Doppelkreuz" des Zyklus "Scandalum Crucis" darstellt? (4) Doch reicht ein solches Freilassen als Fundament christlicher Verkündigung?

Nach den grundlegenden ntl. Bekenntnisaussagen war der Tod Jesu nicht sinnlos, sondern ein Tod für unsere Sünden (1 Kor 15,3) und uns zugute: »Christus ist für uns gestorben« (Röm 5,9; vgl. 1 Thess 5,10). »Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben« (Eph 5,2; vgl. 2,4; 5,25; Tit 2,14). »Daran haben wir die Liebe erkannt, daß Er sein Leben für uns hingegeben hat« (1 Joh 3,16; vgl. Joh 13,1; 15,9; Röm 8,37; Gal 2,20; 2 Thess 2,16; 1 Joh 4,10f. 4,19; Offb 1,5). »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,16). Nicht in einem nicht mehr zu übertreffenden Ausmaß des Leides, das Christus erlitt, liegt das Besondere des Kreuzes, sondern in der im Sterben am Kreuz sich zeigenden Liebe Christi und Gottes, die in einzigartiger Weise Tod, Haß und Sünde überwindet und bleibend Leben eröffnet.

Dieser Sinnanspruch ntl. Verkündigung ist herausfordernde christliche Vorgabe. Auch angesichts grauenhafter Leiderfahrung ist diese »Torheit der Verkündigung« gegen die »Weisheit der Welt« als rettende Botschaft festzuhalten: »Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten, den Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.« (1 Kor 1,18-23).

Leid-Erfahrungen können einen tieferen Zugang zum Kreuzesgeschehen vermitteln, aber nicht philosophische Leid-Reflexionen, sondern das Wort vom Kreuz bilden die Grundlage christlicher Kreuzessymbolik. Die christliche Bildersprache ist auch nicht gegen Dogma und Bekenntnis auszuspielen, sie ist vielmehr Entfaltung und Veranschaulichung des apostolischen »Wortes vom Kreuz« und damit des Dogmas (5), daß Christi Leiden und Tod nicht sinnlos war, sondern uns zugute geschah.
 
 

1.2 Die Bedeutung der Hl. Schrift, insbesondere des AT, für die Entfaltung
der christlichen Bildersprache.

Die Deutung des Todes Christi erfolgt »nach der Schrift« ( ), nämlich des Alten Testaments als im NT zitierte Schrift. Diese hat die Funktion, historisch vieldeutige Worte und Taten Jesu als Heilsereignisse im Sinne der Verheißungen der Schrift zu qualifizieren. Den Einzug Jesu in Jerusalem auf einem Esel z.B. »verstanden seine Jünger zunächst nicht«, obwohl sie selbst Augenzeugen waren. »Als aber Jesus verherrlicht war, da wurde ihnen bewußt, daß es so über ihn in der Schrift stand und daß man so an ihm gehandelt hatte« (Joh 12,16), nämlich daß Jesus einen jungen Esel fand und sich darauf setzte, »wie es in der Schrift heißt: 'Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin'« (Jes 40,9, Sach 9,9 - Joh 12,14f). In gleicher Weise wird der historisch vieldeutige Tod Jesu im Licht der Schrift des AT gedeutet.

Hier bereitet die Aufteilung der Theologie in unterschiedliche Disziplinen methodische Probleme: Schriftexegese im Sinne von 1 Kor 15,3 kommt, abgesehen von ersten Ansätzen kanonischer und intertextueller Schriftauslegung, nicht vor, da im allgemeinen der Alttestamentler es nicht als seine Aufgabe betrachtet, das AT unter dem Gesichtspunkt zu studieren, darin eine erhellende Deutung des Todes Jesu zu suchen. Umgekehrt betrachtet der Neutestamentlicher die Schriften des NT als sein Aufgabengebiet und geht so zwar einzelnen ntl. Verweisen auf das AT nach, betreibt aber keine Gesamtauslegung atl. Schriften etwa im Sinne von Lk 24,27 um aufzuzeigen, was »angefangen von Mose und allen Propheten« über Christus darin geschrieben ist, oder daß Jesaja in Kap. 6 entsprechend Joh 12,41 die Herrlichkeit Christi gesehen hat und über ihn gesprochen hat. Zum andern bleibt die Frage, wenn selbst Augenzeugen Jesus nicht verstanden, wie kann dann heute historisch-kritische Methode, für die der Glaube nicht Bestandteil der Methode ist, zu einer angemessenen Deutung des Lebens und Werkes Jesu kommen. Umgekehrt ist die im NT deutlich werdende Methode der Schriftauslegung (des AT), die auch die Grundlage der Väterexegese bildet, uns heute weitgehend fremd geworden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Allegorese und der allegorischen Schriftauslegung zu, die in der Theologie der Neuzeit weithin als obsolet betrachtet wurde und zünftiger Wissenschaft immer noch zur Selbstbelustigung dient. (6) Daß in neuerer Zeit hier eine gewisse Umwertung erfolgt, dazu hat auch der früh verstorbene Wiss. Mitarbeiter des Jubilars, Herr Christoph Jacob, einen nicht unbedeutenden Beitrag geleistet (7).
 
 

2. Elemente der Kreuzessymbolik.

Die erste bisher nachgewiesene christliche bildhafte Darstellung der Kreuzigung Jesu stammt im Westen erst aus dem 5. Jh. (Holztür von S. Sabina in Rom, 432), im Osten sogar erst aus dem ausgehenden 6. Jh. Dennoch wäre es absurd zu behaupten, die Kreuzigung Jesu hätte davor christlich keine große Rolle gespielt. Ähnliches gilt - abgesehen davon, daß das Staurogramm schon kurz nach 200 in ntl. Papyri (P66, P75) begegnet - auch hinsichtlich des Kreuzes selbst. Dennoch wird nicht selten behauptet, das Kreuz hätte erst seit Konstantin als christliches Heilszeichen Bedeutung. So heißt es im LThK³-Artikel Kreuz I. Religionsgeschichtlich: »... Eindeutig als Schlüssel des Lebens ist das ägypt. Henkel-K. belegt. - Diese Bedeutung als menschliches Grundsymbol macht es in religionswiss. Sicht möglich u. verständlich, daß im Umkreis des oström. Ks. (seit Konstantin d.Gr., Ksn. Helena) u. bei den griech. Kirchenvätern die Umdeutung des K. v. Straf- u. Exekutionswerkzeug z. universalen (nun soteriolog.) Heilszeichen einsetzt u. in der Form der Inkulturation sich rasch durchsetzt«. (8) Diese Sicht ist, abgesehen von der problematischen Rede vom Henkel-Kreuz, (9) in zweifacher Hinsicht zu korrigieren: Zum einen gibt es das christliche Kreuz nicht ohne Bezug auf den historischen Kreuzestod Jesu Christi, und somit auf das Kreuz als Straf- und Exekutionswerkzeug. Zum andern hat der Tod Jesu und damit das Kreuz, wie oben kurz skizziert, von Anfang an als Grundlage christlichen Glaubens soteriologische Bedeutung. Diese wird schon in der Zeit vor Konstantin eingehend in christliche Kreuzessymbolik umgesetzt: Ungeachtet aller unterschiedlichen philosophischen und theologischen Symboldefinitionen sind dabei zwei Elemente für ein Symbol konstitutiv: 1. das sichtbare Zeichen und 2. der Verweis auf einen tieferen Sinn. Das was am historischen Kreuz als Marterwerkzeug sichtbar ist, sind 1. die Gestalt, 2. das Material, nämlich das Holz, und 3. Vorgänge bei der Kreuzigung, wie die Erhöhung ans Kreuz, die Öffnung der Seite, das Ausbreiten und Ausspannen der Hände, das Durchbohren der Hände, das nicht Zerbrechen der Gebeine, das Verlosen der Kleider, die Todeszeit etc. An all diesen Aspekten knüpft die christliche Kreuzessymbolik an, um die Heilsbedeutung des Kreuzes zu verdeutlichen. Der Zusammenhang dieser verschiedenen Symbolelemente ist nur vom historischen Kreuz her zu erklären. Alle Bezugspunkte finden sich bereits im NT und werden schon in vorkonstantinischer Zeit in reichem Maße entfaltet.
 
 

2.1 Die Gestalt:
2.1.1 Das Kreuz als Schnittpunkt der Horizontalen und der Vertikalen.

Den Ansatz für diesen Aspekt sieht die Väterexegese in Eph 3,18.
So führt etwa Gregor von Nyssa aus:

»Ob das Kreuz einen tieferen Sinn enthält, werden wohl alle wissen, die sich mehr auf die Deutung der Geheimnisse verstehen. Folgendes aber erfahren wir durch die Überlieferung. Allen Handlungen und Reden, die uns durch das Evangelium berichtet werden, liegt eine höhere und göttliche Absicht zugrunde, und es findet sich nichts, was nicht außer den menschlichen Zügen auch den göttlichen Charakter trüge. Auch wenn die Reden und Handlungen rein menschliches Gepräge aufzuweisen scheinen, kann der verborgene Sinn die göttliche Grundlage entdecken. So verlangt die Folgerichtigkeit, auch hier die eine Seite ins Auge zu fassen, die andere aber nicht zu übersehen, sondern beim Tod das Menschliche zu betrachten, in der Art und Weise desselben aber die göttliche Bedeutung, die noch klarer hervortritt, mit allem Ernst in Erwägung zu ziehen.... So will uns das Kreuz durch seine Gestalt, die nach vier Seiten auseinandergeht, indem von seinem Mittelpunkt, durch den es zusammengehalten wird, deutlich vier Balken vorspringen, die Lehre geben, daß er, der da im Augenblick seines nach dem göttlichen Heilsplan erlittenen Todes daran ausgestreckt war, der ist, welcher das Universum in sich eint und harmonisch verbindet, indem er die verschiedenartigen Dinge zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfaßt. Denn bei den Dingen blicken wir entweder nach oben oder nach unten, oder unser Forschen bezieht sich auf die beiden Seiten. Magst du nun an das denken, was am Himmel oder was unter der Erde oder was zu beiden Seiten ist, überall tritt deinem betrachtenden Blick die Gottheit entgegen, die allein an den Dingen, und zwar an jedem ihrer Teile, erkannt wird und die alle in ihrem Sein erhält.... Da nun die ganze Schöpfung auf ihn hinsieht und um ihn ist und durch ihn ihre Einheit und Geschlossenheit erhält, so sollten wir nicht allein durch das Ohr zur rechten Erkenntnis Gottes gebracht werden, sondern auch das Auge sollte ein Lehrer der höheren Wahrheiten werden. Auf das Kreuz bezugnehmend, erteilt auch der große Paulus der Gemeinde von Ephesus einen tieferen Unterricht, indem er sie durch seine Belehrung befähigen will, zu verstehen, was die Tiefe und die Höhe, die Breite und die Länge sei. Denn jeden Kreuzesbalken führt er mit einem besonderen Namen vor Augen: den nach oben gehenden als Tiefe, die Seitenbalken aber als Breite und Länge.« (10)


Zu einer ähnlichen Sicht kommt H. Schlier in seinem Kommentar zu Eph 3,18f:

»Die Erkenntnis, die der Apostel erbittet, richtet sich auf zweierlei: einmal auf den einenden Leib Christi am Kreuz als den Grund der Hoffnung der Christen und zweitens auf die Liebe Christi selbst. Und doch gehören beide zusammen, und zwar so, daß diese Liebe Christi sich in seinem Leib am Kreuz, der die Kirche in nuce ist, inkorporiert. Dieser in alle Dimensionen sich erstreckende Leib Christi am Kreuz, den es zu erkennen gilt, ist das Anwesen der Liebe Christi, die alle Erkenntnis übertrifft. Diese Liebe Christi, die sich aus ihrem Überschwang jedem Begreifen entzieht und doch begriffen werden soll, ist das Wesen des Leibes Christi am Kreuz, der alle Welt umfaßt.« (11)
Zwei Aspekte sind hier von besonderer Bedeutung:
1. Die enge Verbindung von Kreuz und Liebe Christi, die nach Eph 2,4 »zugleich die Liebe Gottes ist,
    vgl. 2 Thess 2,16« (12),
2. die Deutung der Gestalt des Marterwerkzeuges als Schnittpunkt von Vertikaler und Horizontaler
    und so als Achsenkreuz und Weltenmitte, von der der ganze Kosmos zusammengehalten wird.
In der nachapostolischen vorkonstantinischen Zeit wird etwa in den Andreasakten (2. Jh.) das Kreuz ausdrücklich als »Heilswerkzeug des Höchsten« gegrüßt, dessen Bedeutung bereits in der Form zum Ausdruck kommt, indem es mit der Vertikalen nach oben auf den Logos als Haupt aller Dinge und nach unten auf die Verknüpfung der Erde mit dem Himmel verweist und mit der Horizontalen die Abwehr der feindlichen Mächte und die Zusammenführung des Kosmos anzeigt. (13) Justin verdeutlicht die kosmische Bedeutung des Todes Jesu dadurch, daß er die Form des Kreuzes mit dem griechischen X der platonischen Weltseele in Beziehung setzt. (14) In Auseinandersetzung mit der Gnosis betont Irenäus von Lyon, daß die Welt nicht Produkt eines Zwischenwesens und das Ergebnis eines Abfallsprozesses ist, sondern vom Worte Gottes selbst in der Form des Kreuzes als ihrer inneren Mitte geprägt und durchdrungen ist, und durch das Kreuz wieder zu Gott zurückgebracht wird. (15)

Logos und Kreuz sind so gerade der Schlüssel zum Weltverständnis. Dadurch wird das Kreuz nicht in ein kosmisches Symbol umgedeutet, sondern vielmehr wird die kosmische Bedeutung des Kreuzestodes (gerade im Gegensatz zur Gnosis) als Erweis der die Welt begründenden Liebe deutlich. Die Rückbindung des Kreuzes als kosmisches Symbol an das historische Kreuzesgeschehen kommt in der christlichen Kreuzessymbolik auch darin zum Ausdruck, daß, wie schon bei Tertullian, Golgotha als Mitte des Kosmos verstanden wird. (16) Auch Origenes deutet Eph 3,18 auf das Kreuz und fährt dann fort: »Und wer 'Christo mitgekreuzigt' ist, und mit ihm ausgespannt, der ist es, der die Breite und Länge und Höhe und Tiefe faßt« (17) Hier wie schon bei Irenäus (18) geht die Symbolik des Querbalkens des Kreuzesholzes in die Symbolik der am Kreuz ausgespannten Hände über, die als eigenständige Tradition unter Bezug auf Ex 17,8-13 und Jes 65,2 u.a. schon im Barnabasbrief begegnet. (19) Auch diese Verknüpfung ist nicht von einem losgelösten kosmischen Zeichen, sondern nur vom konkreten Kreuzestod Christ her erklärlich. Das gleich gilt von der Konsequenz des Christo Mitgekreuzigt werden und der Nachfolge. Augustinus deutet den Querbalken des Kreuzes so auf die Werke der Nächstenliebe (20). Auch die mittelalterliche Tradition betont beide Aspekte: »Sieh die Hände Jesu, die du in Gottlosigkeit am Kreuz ausgespannt hast, in Güte sind sie bis heute nach Dir ausgestreckt (21) »Das Quadrat des Kreuzes bezeichnet gleichsam ein inneres Quadrat der Liebe, von dem der Apostel spricht... Die Breite der Liebe besteht darin, daß sie auf die Feinde ausgedehnt wird. Dies wird bezeichnet durch die Breite des Kreuzes« (22)
 
 

2.1.2 Das Kreuz als hebräischer Buchstabe Taw oder griechischer Buchstabe Tau.

Ein anderer wichtiger Anknüpfungspunkt an der Gestalt des Marterinstrumentes Kreuz ist seine übereinstimmende Form mit der Schreibweise des hebräischen Buchstabens Taw (23). Von daher wird das Kreuz als eschatologisches Versiegelungs- und Schutzzeichen im Sinne von Ez 9,4.6 (und Ex 12,13) gedeutet.
Ein anderer Bezugspunkt ist der griechische Buchstabe Tau mit seinem Zahlenwert 300 (24).
 
 

2.2 Das Material: Holz/Baum (xylon) als Schlüsselwort der Kreuzessymbolik

»Die Verschmelzung des Kreuzes mit dem Lebensbaum des Paradieses wurde zu einem Hauptmotiv der christlichen Theologie, Dichtung und Kunst.« (25) Wie fern gegenwärtiger Theologie z.T. das ABC christlicher Bildersprache inzwischen geworden ist, zeigt wieder ein Blick in das LThK³. Im Artikel Baum fehlt - etwa im Unterschied zum Brockhaus Artikel Baum - jedweder Verweis auf das Kreuz (26). Umgekehrt fehlt im Artikel Kreuz in den Abschnitten I - III, V - VI, sowie im Artikel Kreuzestheologie ein Verweis auf das Kreuz als Lebensbaum. Lediglich im Abschnitt Kreuz IV. Historisch.-theologisch begegnet im Kontext der Typologie der Väter der Lebensbaum als Verweisstichwort in der Klammer. Im Artikel Lebensbaum ist vom Kreuz als Lebensbaum nur im Abschnitt III. Ikonographie die Rede, wobei jedoch der Beginn der Deutung des Kreuzes als Lebensbaum erst für das 5. Jh. angesetzt wird und von einer typologischen Deutung die Rede ist. (27) Von daher mag es gerechtfertigt erscheinen, nochmal kurz den biblischen und patristischen Weg der Deutung des Todes Jesu, die mit dem Stichwort verknüpft ist, nachzuzeichnen.

Bereits im NT ist xylon (Vg: lignum) Bezeichnung für das Kreuz:
Apg 5,30 und 10,39: »... ans Holz hängend;
Apg 13,29: »... nahmen sie ihn vom Holz und legten ihn in ein Grab«;
1 Petr 2,24: » ... unsere Sünden hinaufgetragen ... auf das Holz«.
Daß an diesen Stellen xylon steht und nicht stauros, hat, wie das Schriftzitat aus Dt 21,23 (LXX) in Gal 3,13 zeigt, seinen Grund darin, daß sich mit xylon ein wichtiges Schlüsselwort zur Deutung des Todes Christ gemäß der Schrift bot. (28) Wenn in der LXX xylon sowohl totes Holz, Zwangs- und Strafwerkzeug, Fluchholz wie auch lebendiges Holz, Baum bezeichnet, so stellt sich die Frage, ob diese zwei Bedeutungen so im NT zu verteilen sind, daß auf der einen Seite an den genannten Stellen rein negativ als schändliches Marterwerkzeug ohne jede positive Bedeutung steht und auf der anderen Seite xylon täs zoäs (Offb 2,7; 22,1f.14.19) als Lebensbaum ohne Beziehung zum schändlichen Kreuzesgeschehen. Gegen eine solche Lösung spricht jedoch, daß in Gal 3,13 das Zitat von Dtn 21,23 (LXX): »Verflucht ist jeder, der am Kreuz hängt« ( ) (29), dazu dient, aufzuzeigen, daß Christus durch sein Hängen am (Fluch-)Holz, »uns zugute Fluch geworden ist«, uns so »aus dem Fluch des Gesetzes losgekauft« hat, »damit über die Völker der Segen Abrahams käme«. (30) 1 Petr 2,24: »Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz getragen«, steht im Kontext des Gottesknechtsliedes von Jes 52,13-53,12. Von daher wird das Leiden am Marterholz positiv als Heilserweis gedeutet: »Durch seine Wunden seid ihr geheilt«, wie es in 1 Petr 2,24 weiter heißt, oder wie im Polykarpbrief an die Philipper diese Stelle kommentiert wird: »Unseretwegen, damit wir durch ihn leben, hat er alles auf sich genommen«. (31) Wenn die Väterexegese das Hängen (pendere) am Holz (Gal 3,13; Dtn 21,23; vgl. Apg 5,30; 10,39) durch das Hängen von Dtn 28,66 LXX: »Und es wird dein Leben vor Deinen Augen hängen« als Hängen interpretiert, das unser Leben bedeutet, (32) so wird nur weiter verdeutlicht, was in Gal 3,13 und 1 Petr 2,24 und grundlegend in 1 Kor 15,3 bekannt wird, daß Christus gemäß der Schrift für unsere Sünden gestorben ist und daß das Marterholz für uns segen- und heilbringend ist und Leben bedeutet. Es geht dabei nicht in erster Linie um typologische Schriftauslegung, sondern um eine Auslegungsmethode, wie sie in der jüdischen Tradition noch bis in die Gegenwart geübt wurde, nämlich den Bedeutungsgehalt eines Wortes mit dem Sinngehalt an einer anderen Stelle der Schrift, an der das gleiche Wort vorkommt, zu füllen, da die Schrift eine Einheit bildet und nichts in ihr zufällig ist.
 
 

2.2.1 Das Kreuz im Lichte atl. -Stellen:

Neben Dtn 21,23 spielen u.a. folgende -Stellen in der Tradition von Anfang an eine wichtige Rolle: Gen 2,9; Ps 1,3; Spr 3,18; 11,30; 13,12 (Holz/Baum des Lebens); Ex 15,23-25 (Holz, das das bittere Wasser von Merra süß macht; 4 Kön 6,1-7 (Holz, durch das die untergegangene eiserne Axt wieder herausgeholt wurde); Weish 14,7 (Holz, durch das Gerechtigkeit geschieht); Jer 11,19 (mittamus lignum in panem eius - laßt uns Holz in sein Brot geben) und Ps 95,10 (Dominus regnavit a ligno).

Im Zusammenhang von (33) beleuchten auch Stab-Stellen die Bedeutung des Kreuzes. Schon bei Justin werden dafür u.a. aufgeführt: der Stab, durch den Moses das Meer teilte (Ex 14,16) und Wasser aus dem Felsen sprudeln sah (Ex 17,5f; Num 20,7-11), mit dem Jakob den Jordan überschritt (Gen 32,11), durch dessen Blühen Aaron als Hoherpriester erwiesen wurde (Num 17,23), der aus der Wurzel Jesse kam (Jes 11,1).

Sucht man den Bezug von Holz und Stab zum Kreuz nur vom buchstäblichen Sinn einer isolierten Stelle oder nur von der Bildebene her, dann muß man mit Unverständnis reagieren. Ein Zugang erschließt sich nur von der Sinnebene her.
Justin leitet seine Ausführungen ein mit dem Satz:

»Auf den, welcher gekreuzigt worden war, um, wie die Schrift zeigt, in Herrlichkeit wiederzukommen, verwies geheimnisvoll das Holz des Lebens, das wie berichtet ist, im Paradies gepflanzt wurde, und die Geschichte aller Gerechten«. (34)
Es geht um den Bezug des Kreuzes zur Heilsgeschichte, zum »Paradies« und zur »Geschichte aller Gerechten«: Von daher wird die Bedeutung des Kreuzes erhellt und umgekehrt erhellt dann das Kreuz die Bedeutung der Geschichte. Es geht damit um den Grundanspruch christlicher Schriftauslegung, entsprechend 1 Kor 5,7: »denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden«.

Kam ausgehend von der Gestalt des Kreuzes schon dessen kosmische Bedeutung zur Sprache, so sieht Clemens von Alexandrien in der Geschichte von Odysseus, der am Mastbaum gefesselt den Gefahren der Sirenen und des Meeres entgeht, ein Bild dafür, daß man die Gefahren des menschlichen Lebens nur durch das Kreuz bestehen kann. (35)

Bei all dieser allegorischen Deutung bleibt jedoch gerade durch das Wort der Bezug zum historischen Kreuzestod bewahrt, wie in der Auseinandersetzung mit der Gnosis deutlich wird, die dem hölzernen Kreuz keine Heilsbedeutung zumißt. (36)

Mit der Berufung auf Ps 95,10 in der in der Tradition vielfach bezeugten Lesart »Der Herr hat seine Herrschaft angetreten vom Holze her« (37), geht es nicht um eine nachkonstantinischen Umdeutung des Todes- und Leidenszeichens zum Herrschafts- und Siegeszeichen, sondern vielmehr um eine Grundaussage ntl. Christologie, angefangen von der Stimme aus dem Himmel: »Dies ist mein geliebter Sohn« (Mt 3,17 Par, vgl. Mt 12,17-21; 17,5), in der das Herrschaftsmotiv von Ps 2,7 und das Gottesknechtsmotiv von Jes 42,1-4 verknüpft sind, bis hin zur Herrschaft des Lammes, das geschlachtet wurde, in Offb 5,12.
Tertullian führt aus:

»Wer unter allen Königen trägt das Zeichen seiner Macht auf der Schulter und nicht die Krone auf dem Haupt oder das Zepter in der Hand! ... allein der neue König der neuen Zeiten Christus Jesus hat seine neue Herrlichkeit, Macht und Erhabenheit auf der Schulter getragen, nämlich das Kreuz, sodaß entsprechend der vohin aufgeführten Prophetie der Herr vom Holze her herrscht« (38) .
Lange vor Konstantin ist so schon das Kreuz Siegeszeichen (tropaeum) über den Tod. (39)
 
 

2.2.2 Das Kreuz als Holz/Baum des Lebens (xylon täs zoäs)

Aufgrund des bisher Ausgeführten ist es unwahrscheinlich, daß in der Johannesapokalypse in () nicht der Bedeutungsgehalt von als Bezeichnung für das Kreuz mitschwingt. (40) Hinzu kommt, daß schon bei Ignatius von Antiochien, der mit der Johannesapokalypse in den Gemeinden von Ephesus, Smyrna und Philadelphia einen gemeinsamen Adressatenkreis hat, die Deutung des Kreuzes als Baum des Lebens selbstverständlich vorausgesetzt ist (41). Im Barnabasbrief begegnet insgesamt 7-mal. An allen Stellen ist der Bezug zum Kreuz gegeben. (42) An zwei Stellen wird dabei das Kreuz als lebendiges Holz, bzw. als Baum gedeutet, in Barn 11,6.8 im Anschluß an Ps 1,3 als Holz/Baum () gepflanzt an Wasserbächen, und in 12,1 im Anschluß an 4 Esra 4,33; 5.5 als Holz/Baum, das/der »sich neigt und aufrichtet«, und aus dem »Blut tropft«. Im Physiologus wird die Gleichsetzung des Lebensbaumes mit dem Kreuz vorausgesetzt: »Wenn wir aber in die Dinge dieser Finsternis verwickelt werden, ...wird der Teufel uns finden und, da wir nicht fest am Holz des Lebens bleiben, umbringen. Deswegen hat auch der Apostel, der erkannte, daß das Holz des Lebens den Teufel umbringt, gerufen: "Es sei ferne von mit, mich zu rühmen, außer in dem Kreuz des Herren, durch den mir die Welt gekreuzigt ist"«. (43) In den Andreasakten heißt es: »O Kreuz, auf Erden gepflanzt und im Himmel Frucht tragend!« (44) Nach Celsus ist bei den Christen »überall die Rede vom Baum des Lebens und von der Auferstehung des Fleisches, bewirkt durch das Kreuz« (45) Wegen des Kreuzes, das er für das Heil der Menschen auf sich nahm, wurde nach Cassiodor Christus recht mit dem fruchtbringenden Baum von Ps 1,3 verglichen. (46) Primasius deutet in seinem Apokalypse-Kommentar Offb 2,7 auf die Frucht des Kreuzes (47).

Wenn in der Auslegungstradition der Lebensbaum sowohl auf das Kreuz wie auf Jesus Christus selbst gedeutet wird, so ist dies kein Widerspruch, es verweist vielmehr auf einen weiteren wichtigen Aspekt: es geht in der christlichen Kreuzessymbolik nicht um ein bloßes Historienbild, sondern um einen Verweis auf den Erhöhten und gegenwärtigen Herrn und die bleibende Bedeutung seiner am Kreuz für uns bezeugten Liebe, sodaß der Erhöhte nicht ohne das Kreuz und das Kreuz nicht ohne die Wirklichkeit des Erhöhten zu sehen ist.

In seinem Apokalypse-Kommentar leitet Ambrosius Autpertus dazu an, von den verschiedenen Bildern und Bezeichnungen auf die eine Wirklichkeit zu sehen: »Der auf dem Throne sitzt wie ein König ist derselbe, der wie eine Quelle des Lebens auf dem Throne überfließt, derselbe, der wie ein Fluß auf die Straße der Stadt herabströmt und derselbe ist auch der Baum des Lebens, der zur Erquickung da ist. (48)
 
 

2.2.3 Das Kreuz im Horizont von Paradies und neuem Himmel.

»Blühend in dem von Gott gepflanzten Paradies, ist in der Vergangenheit das Kreuz erschienen, war es Tröstung dem Seth und Vorzeichen unserem Vater Adam. Unsere ganze Hoffnung setzen wir auf dieses Holz, und niederfallend verehren wir das heilige Zeichen, das unseren Herrn empfangen hat.« (49)

Die Rede vom Kreuz im Paradies ist für gegenwärtige Theologie ungewohnt, sie hat aber ihren Anhalt im biblischen Text selbst: »Der Umstand jedoch, daß der Weg zum Lebensbaum zwar bewacht, aber grundsätzlich begehbar ist, macht deutlich, daß sowohl Eden wie auch der Lebensbaum ihre Bedeutung für den Menschen behalten. Zur Überwindung des Ohnmachtszustandes beim Sünder bedarf es jedoch einer Heilsinitiative Gottes, die nach Ausweis des AT u. NT in der Offenbarung Gottes erfolgt u. die gemäß der ntl. Botschaft in Jesus Christus ihren unüberbietbaren Höhepunkt erreicht. In ihm, der der Weg, die Wahrheit u. das Leben heißt (Joh 14,6), wird nach Offb 2,7 (vgl. 22,2.19) die Frucht des Lebensbaumes allen Erlösten zuteil.« (50)

Wie in der Paradieses- und Gartensymbolik und der Symbolik der Paradiesflüsse, die aus der Seitenwunde Jesus am Kreuz entspringen und dorthin wieder zurückkehren, wird auch in der Symbolik des Lebensbaumes dieser größere Zusammenhang der Heilsgeschichte in den Blick gebracht: »Zwischen dem Lebensbaum des Paradieses und dem Lebensbaum des neuen Himmel sieht der antike Christ nun einen Lebensbaum ragen, an dem sich das Geschick der Adamsfamilie entscheidet: das Kreuz. Und in seinem Mysterienblick schaut er diese Bäume wie in einem einzigen Bild. Der Paradiesbaum ist nur eine Vordeutung des Kreuzes, und dieses Kreuz ist der Mittelpunkt der Welt und des Heilsdramas der Menschen. Es ragt von Golgotha zum Himmel, den Kosmos zusammenfassend, es ist errichtet an der gleichen Stelle, an der einst Adam geschaffen wurde, wo er begraben liegt, wo zur gleichen Stunde und am gleichen Tag der zweit Adam sterben sollte. Und zu seinen Füßen quellen die vier Paradiesflüsse des Taufmysteriums, durch das die Nachkommen des Adam eine neues Anrecht erlangen auf den ewig grünenden Baum des Lebens (51).

Im Rahmen dieses Beitrages konnten nur einige Aspekte christlicher Kreuzessymbolik angesprochen werden. Mögen die fragmentarischen Ausführungen Anstoß sein für ein Wiedererlernen christlicher Symbolsprache, um das Kreuz als »Symbol der Güte unseres Herrn« (52), als Zeichen »einer Liebe, die stärker ist als Sünde und Tod« (53) und als »Schlüssel zum Paradies« (54) in den Dialog der Gegenwart einzubringen.

Ephräm des Syrer, dem der Jubilar in besonderer Weise seine Forschungen gewidmet hat, möge die fragmentarischen Hinweise dieses Beitrages auf die christliche Kreuzessymbolik zum Abschluß bringen:
 
 

»Der Lebensbaum,
verborgen in der Mitte des Paradieses,
wuchs heran in Maria
und aus ihr hervortretend
beschützte er den Erdkreis in seinem Schatten
und schüttete Früchte aus
über die weitab Getrennten und die Nahen.«

»Lebensbaum ist das Kreuz,
das Früchte des Lebens
für unser Geschlecht hervorbrachte:
Auf dem Hügel von Golgotha
teilte Christus das Leben den Menschen mit;
von da hat er auch uns
das Liebespfand des ewigen Lebens zugesagt«. (55)







Überarbeite Fassung des Beitrages, in:
Garten des Lebens. Festschrift für Winfrid Cramer, hg. von Maria-Barbara von Stritzky / Christian Uhrig, Altenberge 1999 (MThA 69), S. 203-222

1. Wenn z.B. bei Demonstrationen das Zu-Grabe-Tragen von bestimmten Projekten durch einen mit einem großen Kreuz bedeckten Sarg veranschaulicht wird, wird das Kreuz zum bloßen Todessymbol.

2. Dieses ist bereits in den einschlägigen Lexika-Artikeln gut zusammengestellt: vgl. DSp 2 (1953), 2561-2623; Schiller, Gertrud, Ikonographie der christlichen Kunst, Bd 2, Gütersloh 1968; LCI 2 (1970), 562-656; EKL 2 (1989), 1462-1469; TRE 19 (1991), 712-762; LMA 5 (1991), 1489-1497; RBK 4 (1995), 1-356.

3. Vgl. Gemeinsam den einen Glauben bekennen. Eine Arbeitshilfe für das ökumenische Gespräch über das Glaubensbekenntnis von 381, hg. von der Bistumskommission für ökumenische Fragen der Diözese Münster, Münster 1998, 89f.

4. Vgl. a.a.O. S. 81f.

5. Vgl. Schlier, Heinrich, Kerygma und Sophia. Zur neutestamentlichen Grundlegung des Dogmas, in: Ders., Die Zeit der Kirche, Freiburg ²1958, 231: »Paulus meint, daß es in der jetzigen Weltsituation das Dogma gibt, das jede "Weisheit" der Welt zur Torheit gemacht hat...«.

6. Vgl. ThRv 91 (1995), 478-483.

7. Jacob, Christoph, "Arkandisziplin", Allegorese, Mystagogie. Ein neuer Zugang zur Theologie des Ambrosius von Mailand, Frankfurt/M. 1989 (Theophaneia 32); Ders., Allegorese: Rhetorik, Ästhetik, Theologie, in: Dohmen, Christoph / Jacob, Christoph / Söding, Thomas (Hgg.), Neue Formen der Schriftauslegung, Freiburg 1992 (QuD 140); Ders., Artikel Allegorie, Allegorese III.IV, in: LThK³ Bd 1 (1993), 400f. Vgl. auch Banning, J. van: Systematische Überlegungen zur allegorischen Schriftauslegung, in: ZkTh 117 (1995), 265-295. 416-446. Aufschlußreich für den Prozeß der Neubewertung der Allegorie ist etwa der Artikel Gleichnis in LThK³ IV (1995), 741-745.

8. LThK³ Bd VI (1997) Sp. 442.

9. Das sogenannte vorchristliche ägyptische Henkel-Kreuz ist zunächst nur Lebenszeichen ohne jeden Bezug zu Kreuz im Sinne von . Erst in christlicher Sicht gibt es diese Beziehung von Kreuz und Lebenszeichen.

10. Gregor von Nyssa, Große Katechese 32,4f. Übers. nach Texte der Kirchenväter. Eine Auswahl nach Themen geordnet. Hg.v. Alfons Heilmann / Heinrich Kraft. Bd 2, München 1963, 215-216. Vgl. auch BGrL I, 1971, S.77.

11. Schlier, Heinrich, Der Brief an die Epheser. Ein Kommentar, Düsseldorf 1958², S.175.

12. Ebd.

13. »Sei mir gegrüßt, o Kreuz! ... Ich kenne dein Geheimnis, um dessen willen du auch errichtet bist. Du bist nämlich im Kosmos aufgerichtet, um das Unstete zu befestigen. Und ein Teil von dir erstreckt sich bis zum Himmel, damit du so den himmlischen Logos, das Haupt aller Dinge, anzeigest. Ein anderer Teil von dir wurde zur Rechten und zur Linken ausgebreitet, damit du die furchtbare feindliche Macht in die Flucht jagest und den Kosmos zusammenbringest. Ein anderer Teil von dir ist in der Erde befestigt, in der Tiefe gegründet, damit du, was in der Erde und unter der Erde sich befindet, mit dem, was im Himmel ist, verknüpfest. O Kreuz, Heilswerkzeug des Höchsten!« (Hennecke-Schneemelcher NTApo II 292.

14. Just. 1 apol. 60,1.5. Vgl. Rahner, Hugo, Griechische Mythen in christlicher Deutung, Zürich 1966³, 58f.

15. Iren. dem. 34: »Er ist selbst das Wort des allmächtigen Gottes, das in unsichtbarer Gegenwart uns alle zumal durchdringt, und deshalb umfaßt er alle Welt, ihre Breite und Länge, ihre Höhe und Tiefe. Denn durch das Wort Gottes werden alle Dinge der Ordnung gemäß geleitet. Und Gottes Sohn ist in ihnen gekreuzigt, indem er in der Form des Kreuzes allem aufgeprägt ist. War es doch recht und angemessen, daß er mit seinem eigenen Sichtbarwerden an allem Sichtbaren seine Kreuzesgemeinschaft mit allem auspräge. Seine Wirkung sollte er an den sichtbaren Dingen und in sichtbarer Gestalt zeigen, daß er der ist, welcher die Höhen, das heißt den Himmel, erhellt und in die Tiefen hinabreicht, an die Grundfesten der Erde; der die Flächen ausbreitet von Morgen bis Abend, und von Norden und Süden die Weiten leitet und alles Zerstreute von überall her zusammenruft zur Erkenntnis des Vaters.« (vgl. FC 8/1, 56f; SC 406, 126-132). Iren. haer. V,18,2f: »Deutlich zeigte er allen, ... daß ein Gott Vater über allem ist, und ein Wort Gottes, das durch alles ist und durch das alles gemacht ist, daß diese Welt sein Eigentum und durch ihn nach dem Willen des Vater gemacht ist, nicht aber durch Engel, oder durch Apostasie und Abfall oder Unwissenheit ... Denn der wahre Weltenschöpfer ist das Wort Gottes, d.h. unser Herr, der in den letzten Zeiten Mensch geworden ist. Obwohl er in der Welt ist, umfaßt er unsichtbarer Weise alles, was gemacht ist, und ist eng verbunden mit der gesamten Schöpfung, da das Wort Gottes alles leitet und ordnet, und deshalb kam er sichtbarer Weise und wurde Fleisch und hing am Holz, um alles in sich zu rekapitulieren. Und seine eigenen Menschen nahmen ihn nicht auf, wie Moses dies im Volke kundgetan hat: "Und es wird dein Leben vor deinen Augen hängen, und du wirst deinem Leben nicht glauben <Deut 28,66>«. Ebd. V,17,4: »Dieses vor uns verborgene Wort offenbarte, wie wir gezeigt haben, der Vorgang mit dem Holze... Denn da wir es durch das Holz verloren haben, ist es durch das Holz wieder allen offenbar geworden und zeigte durch sich die Höhe und die Länge und die Breite an, indem es, wie einer der Älteren gesagt hat, durch die Ausbreitung der Hände die beiden Völker in einem Gott vereinigte. Denn die zwei Hände wiesen hin auf die zwei Völker, die bis an die Enden der Erde zerstreut waren; der eine Kopf aber in der Mitte auf den einen Gott, der über alle, durch alle und in uns allen ist.«

16. Tert. (pseudo), Carmen adv. Marcionem l.2,196: »Golgotha ... hic medium terrae est, hic est uictoriae signum.« (Cl. 36); vgl. Beda Uenerabilis, De locis sanctis, c.2,81: »Golgotha ... est locus, ex omni medius quem credimus orbe« (Cl. 2333); vgl. auch Or. com. in Mt 126 (BGL 38, 327).

17. Or. comm. in Eph, 15 (JTS 9, 1908, 353): »'Daß ihr erstarket, um mit allen Heiligen zu fassen, welches die Breite und Länge ist, die Höhe und Tiefe'. Dies alles aber besitzt das Kreuz Christi, durch welches er 'auffahrend in die Höhe gefangennahm die Gefangenschaft' (Eph 4,8: Ps 67,19) und 'abstieg in das Unterste der Erde' (Ps 18,4), denn es hatte das Kreuz 'Höhe' und 'Tiefe'. Und über die ganze Erde breitete es sich aus, indem es ihre 'Breite' und 'Länge' einholte.«

18. s.o. Anm. 15

19. Barn. 12,2-4; Just. 1 apol 35,2; Just. dial 97,2; Iren. dem 76; Tert., Adv. Iudaeos 13,10; Hipp., Hom. pasc I,15; Orac. Sib. VIII, 302f: »Und er wird ausbreiten die Hände und messen das Weltall. "Und sie reichten ihm Galle zur Speise und Essig zum Trinken"...« (Hennecke-Schneemelcher NTApol II 521); Did 16,6 ( ).

20. Augustinus, Epistulae 147,14 (44,307,16): »... sacramento crucis, ut in latitudine accipiatur transuersum lignum, quo extenduntur manus, propter operum significationem« (Cl. 262); Ders, Enarrationes in Psalmos 62,13 (39,10): »... ideo extensae sunt manus eius in cruce, ut manus nostrae extendantur in bona opera, quia crux ipsius misericordiam nobis praebuit.« (Cl. 2830).

21. Iohannes de Forda, Super extremam partem Cantici canticorum sermones cxx, 30,107 (CC.CM 17)

22. Gualterus de Sancto Uictore (dubium) et alii, Sermones anonymi viii, 3,70 (CC.CM 30)

23. Or. sel. in Ez IX: »Die einen sagten, das Taw bedeute, weil es der letzte Buchstabe des Alphabets sei, einfachhin die Vollkommenheit; eine zweite Deutung gab ein anderer Jude, der meinte, es bedeute als Anfangsbuchstabe von Tora den Inbegriff des Gesetzes. Ein dritter aber, der zu denen gehörte, die bereits an Christus glaubten, sagte, daß die alte Schreibweise der Buchstaben ganz offenbar das Taw in der Form eines Kreuzes wiedergebe und daß also hier eine Prophezeiung vorliege auf das Zeichen, das später einmal unter den Christen auf die Stirne eingedrückt werde: wie dies ja auch die Gläubigen jetzt tun, wann immer sie eine Arbeit beginnen, und ganz besonders vor dem Beten und vor den heiligen Lesungen« (zit. nach Rahner, Hugo, Symbole der Kirche, Salzburg 1964, 410f); vgl. Hieronymus, Commentarii in Ezechielem l.3 c.9, 523): »... et ut ad nostra ueniamus, antiquis hebraeorum litteris, quibus usque hodie utuntur samaritani, extrema 'tau' littera crucis habet similitudinem, quae christianorum frontibus pingitur, et frequenti manus inscriptione signatur; sunt qui putant, ex eo quod secundum hebraicum alphabetum ista extrema sit littera, demonstrari in multitudine peccantium reliquias superesse sanctorum« (Cl. 587); Petrus Uenerabilis, Contra Petrobrusianos haereticos, c.129,19: »Antiquis, ait, Hebreorum litteris, quibus usque hodie utuntur Samaritani, extrema Tau littera crucis habet similitudinem, que in Christianorum frontibus pingitur et frequenti manus impressione signatur.«

24. Vgl. etwa den auf diese Weise hergestellten Bezug von Kreuz und Trinität: »Sed diuidit gedeon tricentos illos uiros per centenos; non autem sic diuidit, ut partes faceret, sed ut tripartita principia constitueret, quia necesse erat ut immago crucis, per quam tricenti in tau litera signantur, trinitatis distributionem monstraret.« (Gregorius Illiberitanus, Tractatus Origenis de libris Sanctarum Scripturarum 14,119).

25. Ladner, Gerhart B., Handbuch der frühchristlichen Symbolik, Wiesbaden 1996, 23f.

26. LThK³ 2 (1994), 90-92. Auch ein Verweis auf den Artikel Lebensbaum fehlt.

27. LThK³ 6 (1997), 724: »Seit dem 5. Jh. u. in der Kunst des ganzen MA ist die typolog. Deutung des Kreuzes als L. verbreitet.«

28. Im Unterschied zu älteren Übersetzungen etwa Martin Luthers und Johannes Ecks, die das eine griechische Wort einheitlich mit Holz wiedergeben, löst die Einheitsübersetzung diese Einheit völlig auf in: Pfahl (Apg 10,39; Gal 3,13), Holz (Apg 5,30), Kreuzesholz / Holz des Kreuzes (Apg 13,29; 1 Petr 2,24); Baum des Lebens (Offb 2,7; 22,14.19) und Bäume des Lebens (Offb 22,2).

29. Im Masoretentext (und in der Einheitsübersetzung) fehlt das Bezugswort Holz an dieser Stelle.

30. Übersetzung nach Schlier, Heinrich, Der Brief an die Galater, Göttingen 1962, 136.

31. PPhil 8,1.

32. Vgl. Daniélou, Jean, Das Leben, das am Holze hängt. Dt 28,66 in der altchristlichen Katechese, in: Betz, Johannes / Fries, Heinrich (Hgg.), Kirche und Überlieferung, FS Rupert Geiselmann, Freiburg 1960, 22-34.

33. Vgl. Zeno v. Uerona, Tractatus l.1 tr.13,103: »Der Stab verkündigte durch das Holz das Geheimnis der Passion« (Cl. 208).

34. Just. dial., 86,1.

35. Vgl. Rahner, Hugo, Griechische Mythen in christlicher Deutung, Zürich 1966³, 281-328.

36. vgl. A. Jo. 99: »Dieses Kreuz () also, welches sich durch das Wort das All zusammengefügt hat... ist nicht das hölzerne () Kreuz« (Hennecke-Schneemelcher NTApol II 158).

37. Vgl. z.B. Tert., Adv. Marcionem l.3,1.4.12.24; Ders., Adv. Iudaeos c.10,82.92; c.13,58; Arnobius Iunior, Com. in Psalmos, 95,22: Augustinus, Enarrationes in Psalmos 47.7,10; 95,2,50; 95,11,1,12-15; Cassiodorus, Expositio psalmorum 95, 215.218. Noch in der spätmittelalterlichen Biblia pauperum findet sich diese Lesart.

38. Tert., Adv. Iudaeos, 10; Ders., Adv. Marcionem 3, 12.

39. Tert., Adv. Marcionem 4,10: »Nam cum ultimo hoste, morte, proeliaturus per tropaeum crucis triumphauit«; vgl. Cyprian v. Carthago, Ad Demetrianum 26,515: »Dieses Geschenk seiner Barmherzigkeit macht er, indem er den Tod durch das Siegezeichen (trophaeo) des Kreuzes überwindet, den Glaubenden um den Preis seines Blutes befreit, den Menschen mit Gott dem Vater versöhnt und den Sterblichen durch Wiedergeburt im Himmel lebendig macht.«

40. Vgl. auch Roberts, R., The Tree of Life (Rev 2,7), in: Expository Times 25 (1913/14) 332.

41. Ign., Trall 11,1-2: »Wären sie das [Anpflanzungen des Vaters], so erwiesen sie sich als Zweige des Kreuzes und wäre ihre Frucht unvergänglich«. Reijners, Gerhardus Q., Das Wort vom Kreuz, Köln, Wien 1983, 29 kommentiert: »Die Unvergänglichkeit der Frucht setzt eine Deutung des Kreuzes als "Baum des Lebens" voraus.«

42. Bar 5,13; 8,1; 8,5 ( ); 8,5 ( ); 11,6; 12,1; 12,7.

43. Physiologus, c. 34: Vom Baume Peridexion.

44. Andreasakten, Laud. 46; Mart. 1, 14; Ep. Gr. 10 (Hennecke-Schneemelcher NTApo II 292).

45. Reijners, Gerhardus Q., Das Wort vom Kreuz, Köln, Wien 1983, 30. Vgl. Or. Cels VI,34ff (SC 147,262ff).

46. Cassiodor, Expositio psalmorum, 1,239 (Cl. 900).

47. Primasius, Commentarius in Apocalypsin 1,2,62 (Cl. 873)

48. Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, l.10 c.22,1 (CC.CM 27A)

49. Hymnus an Kreuzfesten in der armenischen Kirche, zit. nach Petzhold-Sieper, Johanna, EuA 42 (1966), 366.

50. LThK³ VI (1997),724.

51. Rahner, Hugo, Griechische Mythen in christlicher Deutung, Zürich 1966³, 68.

52. Johannes Chrysostomus, Matthäus-Kommentar 54,4-5:»Deshalb zeichnen wir es voll Eifer an die Häuser, Wände und Fenster, auf die Stirn und auf das Herz. Ist es ja doch das Sinnbild unserer gemeinsamen Befreiung sowie der Güte unseres Herrn.« (zit. nach Texte der Kirchenväter. Eine Auswahl nach Themen geordnet. Hg.v. Alfons Heilmann / Heinrich Kraft. Bd 2, München 1963, 212).

53. Gemeinsam den einen Glauben bekennen. Studiendokument der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, Paderborn-Frankfurt/M 1991, 27.

54. Vgl. Hieronymus, Homilia in Lucam, de Lazaro et diuite 296; Balduinus de Forda, Sermones 8, 61: »Crux principatus est Christi super humerum eius, sceptrum imperii, scala celi, clauis paradisi.«; Rupertus Tuitiensis - Liber de diuinis officiis 6, 637: »Crux christi ianua caeli clauis paradisi diaboli deiectio hominis erectio captiuitatis nostrae solatium libertatis pretium.« Vgl. auch Hälbig, Klaus W., Der Schlüssel zum Paradies. Die Symbolik des Kreuzes Christi. St. Ottilien 1996.

55. S. Ephraem Syri hymni et sermones, ed. Thomas Josephus Lamy, II / IV, Mecheln 1886 /1902, 522 / 770.