Diese Geschichte ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich den Text der Vorlesung las, mit der sich Johann Baptist Metz 1993 von seinem Lehrstuhl in Münster verabschiedet hat. Aus dieser wichtigen Rede möchte ich wenigstens einige bezeichnende Sätze zitieren. Metz sagt da: »Die Krise, die das europäische Christentum befallen hat, ist nicht mehr primär oder gar ausschließlich eine Kirchenkrise... Die Krise sitzt tiefer: sie ist keineswegs nur im Zustand der Kirchen selbst begründet: Die Krise ist zur Gotteskrise geworden.« »Das Stichwort lautet: Religion, ja - Gott, nein, wobei dieses Nein wiederum nicht kategorisch gemeint ist im Sinne der großen Atheismen. Es gibt keine großen Atheismen mehr. Der Atheismus von heute kann nämlich schon wieder Gott - zerstreut oder gelassen - im Munde führen, ohne ihn wirklich zu meinen...« »Auch die Kirche hat ihr Konzept der Immunisierung gegen Gotteskrisen. Sie spricht heute nicht mehr - wie zum Beispiel noch im I. Vatikanischen Konzil - von Gott, sondern nur - wie etwa im jüngsten Konzil - von dem durch die Kirche verkündeten Gott. Die Gotteskrise wird ekklesiologisch verschlüsselt.« (1) Solche Worte aus dem Mund des Schöpfers der Politischen Theologie müssen aufhorchen machen. Sie erinnern uns zunächst mit Recht daran, daß das I. Vatikanische Konzil nicht nur ein ekklesiologisches Konzil war, sondern zuvor und zuerst von Gott gesprochen hat und dies nicht bloß innerchristlich, sondern der Welt zugewandt - von dem Gott, der der Gott aller ist, der alle rettet und der allen zugänglich ist. Hat das II. Vaticanum etwa, wie Metz es anzudeuten scheint, nur die halbe Erbschaft des vorangegangenen Konzils aufgegriffen? Gerade ein Referat, das der Ekklesiologie des Konzils gewidmet ist, muß sich dieser Frage stellen.
Ich
möchte sofort meine Grundthese vorausnehmen:
Das II. Vaticanum wollte durchaus die Rede von der Kirche der Rede von Gott ein- und unterordnen, es wollte eine im eigentlichen Sinn theo-logische Ekklesiologie vorlegen, aber die Rezeption des Konzils hat bisher dieses bestimmende Vorzeichen vor den einzelnen ekklesiologischen Aussagen übersprungen, sich auf einzelne Stichworte gestürzt und ist damit hinter der großen Perspektive der Konzilsväter zurückgeblieben.Etwas Ähnliches kann man übrigens gegenüber dem ersten Text feststellen, den das II. Vaticanum verabschiedete - gegenüber der Konstitution von der heiligen Liturgie. Daß sie am Anfang stand, hatte zunächst pragmatische Gründe. Aber rückschauend muß man sagen, daß dies in der Architektur des Konzils einen guten Sinn hat: Am Anfang steht die Anbetung. Und damit Gott. Dieser Anfang entspricht dem Wort der Benedikt-Regel (XLIII,3): Operi Dei nihil praeponatur. Die Kirchenkonstitution, die dann als zweiter Text des Konzils folgt, sollte man damit innerlich verklammert sehen. Die Kirche leitet sich aus der Anbetung her, aus dem Auftrag, Gott zu verherrlichen. Ekklesiologie hat von ihrem Wesen her mit Liturgie zu tun. Und so ist es dann auch logisch, daß die dritte Konstitution vom Wort Gottes spricht, das die Kirche zusammenruft und allzeit neu erschafft. Die vierte Konstitution zeigt, wie sich Verherrlichung Gottes im Ethos darstellt, wie das von Gott empfangene Licht in die Welt hineingetragen und erst so die Verherrlichung Gottes ganz wird. In der Nachgeschichte des Konzils wurde freilich die Liturgiekonstitution nicht mehr von diesem grundlegenden Primat der Anbetung her verstanden, sondern geradezu als ein Rezeptbuch darüber, was wir mit der Liturgie machen können. Inzwischen ist manchen Liturgie-Experten in den sich überstürzenden Erwägungen, wie man Liturgie attraktiver, kommunikativer gestalten, immer mehr Leute darin aktiv einbeziehen könne, anscheinend fast ganz aus dem Sinn gekommen, daß die Liturgie eigentlich für Gott »gemacht« wird und nicht für uns selber. Je mehr wir sie aber für uns selber machen, desto weniger attraktiv ist sie, weil alle deutlich spüren, daß das Wesentliche mehr und mehr abhanden kommt.
Was
nun die Ekklesiologie von Lumen gentium angeht, so sind
zunächst
einige Stichworte im Bewußtsein geblieben:
der Begriff Volk Gottes, die Kollegialität der Bischöfe als Aufwertung des Bischofsamtes gegenüber dem Primat des Papstes, die Neubewertung der Ortskirchen gegenüber der Gesamtkirche, die ökumenische Öffnung des Kirchenbegriffs und die Öffnung zu den Weltreligionen; schließlich die Frage nach dem spezifischen Status der katholischen Kirche, die sich in der Formel festmacht, daß die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, von der das Credo spricht, »subsistit in Ecclesia catholica«: Ich lasse diese berühmte Formel hier zunächst unübersetzt, weil sie - wie vorherzusehen war - die widersprüchlichsten Deutungen gefunden hat - von der Auffassung, daß hier die theologische Einzigartigkeit der dem Papst geeinten katholischen Kirche zum Ausdruck komme bis zu der Auffassung, daß darin eine Gleichstellung mit allen anderen christlichen Kirchen erfolgt sei und die katholische Kirche ihren spezifischen Anspruch aufgegeben habe.In einer ersten Phase der Rezeption des Konzils dominierte zusammen mit dem Thema der Kollegialität der Volk-Gottes-Begriff, der alsbald ganz vom allgemein politischen Sprachgebrauch des Wortes Volk her verstanden, im befreiungstheologischen Bereich mit dem marxistischen Wortgebrauch von Volk als Gegenpol zu den herrschenden Schichten und allgemein weithin im Sinn der Volkssouveränität verstanden wurde, die nun endlich auch auf die Kirche anzuwenden sei. Dies wiederum gab Anlaß zu ausgiebigen Strukturdebatten, in denen je nach Lage »Demokratisierung« mehr westlich oder mehr im Sinn der östlichen »Volksdemokratien« ausgelegt wurde. Allmählich ist das »Wortfeuerwerk« (N. Lohfink) um den Volk-Gottes-Begriff heruntergebrannt, zum einen und hauptsächlich weil diese Herrschaftsspiele sich selbst entlarvt haben und der nüchternen Arbeit im kirchlichen Alltag Platz machen mußten, zum anderen aber auch, weil solide theologische Arbeit unwidersprechlich das Unhaltbare solcher Politisierungen eines in sich ganz anders gelagerten Begriffs zum Vorschein gebracht hat. Als Ergebnis sorgsamer exegetischer Analysen stellt zum Beispiel der Bochumer Exeget Werner Berg fest: »Trotz der geringen Zahl der Stellen, die die Wendung 'Volk Gottes' enthalten - insofern ist 'Volk Gottes' ein seltener biblischer Begriff -, kann dennoch etwas Gemeinsames festgehalten werden: Der Ausdruck 'Volk Gottes' drückt die 'Verwandtschaft' Gottes, die Beziehung von Gott her, die Verbundenheit zwischen Gott und den als 'Volk Gottes' Bezeichneten aus, also eine 'vertikale Richtung'. Die Wendung eignet sich weniger dazu, die hierarchische Struktur dieser Gemeinschaft zu beschreiben, vor allem, wenn das 'Volk Gottes' als 'Gegenüber' der Amtsträger beschrieben wird... Vom biblischen Verständnis her eignet sich die Wendung auch nicht zu einem Protestruf gegen Amtsträger: 'Wir sind das Volk Gottes'« (2). Der Paderborner Fundamentaltheologe Josef Meyer zu Schlochtern schließt den Rundgang durch den Disput um den Volk-Gottes-Begriff mit dem Hinweis, daß die Kirchenkonstitution des II. Vaticanum das Kapitel über dieses Wort damit abschließt, daß es die »trinitarische Struktur als Grundlage der letzten Bestimmung der Kirche benennt...« (3) So ist die Debatte wieder auf den wesentlichen Punkt zurückgeführt: Kirche ist nicht für sich selber da, sondern sollte das Instrument Gottes sein, um die Menschen auf ihn hin zu versammeln, um den Augenblick vorzubereiten, in dem »Gott alles in allem« sein wird (1 Kor 15,28). Genau den Gottesbegriff hatte man bei dem »Feuerwerk« um dieses Wort weggelassen und es damit gänzlich seines Sinnes beraubt. Denn eine Kirche, die nur für sich selber da ist, ist überflüssig. Und die Menschen merken das alsbald. Die Kirchenkrise, wie sie sich in der Krise des Volk-Gottes-Begriffs spiegelt, ist »Gotteskrise«; sie resultiert aus dem Weglassen des Wesentlichen. Was bleibt, ist nur noch ein Streit um Macht. Den gibt es anderwärts in der Welt schon genug, dazu brauchen wir die Kirche nicht.
Man
kann wohl sagen, daß etwa seit der Sondersynode des Jahres 1985,
die eine Art Bilanz von zwanzig Jahren Nachkonzilszeit versuchen
sollte,
ein neuer Versuch dominiert, das Ganze der konziliaren Ekklesiologie in
einem Grundbegriff zusammenzufassen: in dem Wort von der Communio-Ekklesiologie.
(4) Ich habe diese neue Zentrierung der Ekklesiologie
begrüßt
und ihr auch nach meinen Maßen vorzuarbeiten versucht. Man
muß
freilich zunächst zugeben, daß das Wort Communio im Konzil
keine
zentrale Stellung einnimmt. Dennoch kann es, richtig aufgefaßt,
als
Synthese für die wesentlichen Elemente konziliarer Ekklesiologie
dienen.
Alle wesentlichen Elemente des christlichen Begriffs von Communio
findet
man vereint in dem bedeutenden Satz aus 1 Joh 1,3, den man als
Richtmaß
für jedes rechte christliche Verständnis von Communio ansehen
darf: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden
wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben
Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Wir
schreiben
dies, damit unsere Freude vollkommen sei.« Hier kommt der
Ausgangspunkt
der Communio zum Vorschein: die Begegnung mit dem fleischgewordenen
Sohn
Gottes, Jesus Christus, der in der Verkündigung der Kirche zu den
Menschen kommt. So entsteht Gemeinschaft der Menschen untereinander,
die
ihrerseits auf der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott beruht. Die
Gemeinschaft mit Gott wird vermittelt durch die Gemeinschaft Gottes mit
dem Menschen, die Christus in Person ist; die Begegnung mit Christus
schafft
Gemeinschaft mit ihm selber und so mit dem Vater im Heiligen Geist; sie
vereint von daher die Menschen untereinander. Dies alles zielt auf die
vollkommene Freude: Die Kirche trägt eine eschatologische
Dynamik
in sich. Im Wort von der vollkommenen Freude steckt die Beziehung zu
den
Abschiedsreden Jesu, also zum Ostergeheimnis und zum neuen Ankommen des
Herrn im österlichen Schauen, das auf sein vollkommenes Ankommen
in
der neuen Welt hin tendiert: »Ihr werdet Trauer haben, aber eure
Trauer wird sich in Freude verwandeln... Ich werde euch sehen, und euer
Herz wird sich freuen... Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure
Freude
vollkommen sei« (Joh 15,20.22.24). Wenn man den zuletzt zitierten
Satz mit Lk 11,13 - der Aufforderung zum Bitten bei Lukas - vergleicht,
wird sichtbar, daß »Freude« und »Heiliger
Geist«
gleichbedeutend sind und daß hinter dem Wort Freude sich in 1 Joh
1,3 der scheinbar dort unerwähnte Heilige Geist verbirgt. Das Wort
Communio hat also von dieser biblischen Mitte her theologischen,
christologischen,
heilsgeschichtlichen und ekklesiologischen Charakter. Es trägt
damit
auch die sakramentale Dimension in sich, die bei Paulus ganz
ausdrücklich
erscheint: »Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen
sprechen, nicht Communio mit dem Blut Christi? Ist das Brot, das wir
brechen,
nicht Communio mit dem Leib Christi? Ein Brot ist es, darum
sind
wir viele ein Leib...« (1 Kor 10,16f). Die
Communio-Ekklesiologie
ist von innen her eucharistische Ekklesiologie.
Sie steht so ganz nahe bei der eucharistischen Ekklesiologie, die in
unserem
Jahrhundert orthodoxe Theologen eindrucksvoll entwickelt haben.
(5) In ihr wird die Ekklesiologie ganz konkret und bleibt
dabei
doch zugleich ganz spirituell, transzendent und eschatologisch. In der
Eucharistie baut Christus, in Brot und Wein gegenwärtig und immer
neu sich verschenkend, die Kirche als seinen Leib auf und eint uns
durch
seinen auferstehenden Leib dem dreieinigen Gott und untereinander.
Eucharistie
geschieht am jeweiligen Ort und ist doch zugleich immer universal, weil
es nur einen Christus gibt und nur einen Leib Christi. Eucharistie
schließt
den priesterlichen Dienst der repraesentatio Christi und damit das Netz
des Dienens ein, das Miteinander von Einheit und Vielheit, das sich
schon
im Wort Communio andeutet. So kann man ohne Zweifel sagen, daß
dieser
Begriff eine ekklesiologische Synthese in sich trägt, die die Rede
von der Kirche an die Rede von Gott und an das Leben aus Gott und mit
Gott
bindet, eine Synthese, die alle wesentlichen Intentionen der
Ekklesiologie
des II. Vaticanums aufnimmt und sie in der rechten Weise aufeinander
bezieht.
Ich
war aus all diesen Gründen dankbar und froh, als die Synode von
1985
den Begriff Communio in den Mittelpunkt rückte. Aber die folgenden
Jahre zeigten, daß kein Wort vor Mißverstehen
geschützt
ist, auch das beste und tiefste nicht. Im Maß, in dem Communio
zum
griffigen Schlagwort wurde, wurde es verflacht und verfälscht. Wie
beim Volk-Gottes-Begriff so mußte man auch hier eine
fortschreitende
Horizontalisierung, das Auslassen des Gottesbegriffes beobachten.
Communio-Ekklesiologie
begann sich auf die Thematik des Verhältnisses von Ortskirche und
Gesamtkirche zu reduzieren, die wiederum immer mehr zur Frage nach der
Kompetenzverteilung zwischen der einen und der anderen verfiel.
Natürlich
machte sich auch das egalitaristische Motiv wieder breit, wonach es in
der Communio nur völlig Gleiche geben könne. Damit ist man
genau
wieder bei dem Rangstreit der Jünger angelangt, der offenbar in
keiner
Generation verstummen will. Markus erzählt darüber am
eindringlichsten.
Auf dem Weg nach Jerusalem hatte Jesus den Jüngern zum zweiten Mal
von seinem künftigen Leiden gesprochen. In Kapharnaum angekommen
fragte
er sie, worüber sie unterwegs miteinander geredet hatten.
»Aber
sie verstummten«, weil sie darüber gesprochen hatten, wer
von
ihnen der Größte sei - eine Art Primatsdiskussion (Mk
9,33-37).
Ist es nicht heute auch so? Während der Herr auf das Leiden
zugeht,
während die Kirche und in ihr er selber leidet, sind wir bei
unserem
Lieblingsthema, bei der Frage nach unseren Vorrechten. Und wenn Er
unter
uns hereinträte und uns fragen würde, was wir geredet haben,
wie sehr müßten wir erröten und verstummen.
Das
will nicht sagen, daß in der Kirche nicht auch der Disput um die
rechte Ordnung und die Verteilung der Verantwortungen geführt
werden
müsse. Und zweifellos wird es immer wieder
Gleichgewichtsstörungen
geben, die Korrekturen verlangen. Natürlich kann es einen
überbordenden
römischen Zentralismus geben, der als solcher dann kenntlich
gemacht
und bereinigt werden muß. Aber solche Fragen dürfen nicht
ablenken
von der eigentlichen Aufgabe der Kirche: Die Kirche hat nicht
primär
von sich selbst zu reden, sondern von Gott, und nur damit dies rein
geschehe,
sind dann auch innerkirchliche Zurechtweisungen da, bei denen die
Zuordnung
von Rede über Gott und über den gemeinsamen Dienst die
Richtung
angeben muß. Schließlich kehrt nicht umsonst in der
Evangelienüberlieferung
das Wort Jesu, daß Letzte Erste sein werden und Erste Letzte in
verschiedenen
Zusammenhängen wieder - als ein Spiegel, der immerfort alle angeht.
Angesichts
der Verengung, die sichtlich dem Begriff Communio in den Jahren nach
1985
widerfuhr, hielt es die Kongregation für die Glaubenslehre
für
angezeigt, einen »Brief an die Bischöfe der katholischen
Kirche
über einige Aspekte der Kirche als Communio« zu erarbeiten,
der unter dem Datum des 28. Juni 1992 veröffentlicht wurde. Da es
heute für Theologen, die auf sich halten, geradezu zu einer
Pflicht
geworden zu sein scheint, Dokumente der Glaubenskongregation negativ zu
bewerten, ging über diesen Text ein Hagel von Kritiken nieder, der
kaum etwas Gutes daran lassen konnte. Wohl am meisten kritisiert wurde
der Satz, die Gesamtkirche sei in ihrem
wesentlichen
Mysterium eine Wirklichkeit, die ontologisch und zeitlich den einzelnen
Teilkirchen vorangehe. Dies wurde im Text kurz begründet
mit
dem Hinweis, daß die eine und einzige Kirche nach den Vätern
der Schöpfung vorangeht und die Teilkirchen gebiert.
(6) Die Väter setzen damit rabbinische Theologie fort,
die
Thora und Israel als präexistent konzipiert hatte: Schöpfung
sei daraufhin konzipiert, daß in ihr ein Raum sei für Gottes
Willen; dieser Wille aber brauche ein Volk, das für Gottes Willen
lebt und ihn zum Licht der Welt macht. Da die Väter von der
letzten
Identität zwischen Kirche und Israel überzeugt waren, konnten
sie in der Kirche nicht etwas zufällig in später Stunde
Entstandenes
sehen, sondern erkannten in dieser Versammlung der Völker unter
dem
Willen Gottes die innere Teleologie der Schöpfung. Von der
Christologie
her erweitert und vertieft sich das Bild: Die Geschichte wird - wieder
im Anschluß an das Alte Testament - als Liebesgeschichte zwischen
Gott und Mensch gedeutet. Gott findet und bereitet sich die Braut des
Sohnes,
die eine Braut, die die eine Kirche ist. Von dem Genesis-Wort her,
daß
Mann und Frau »zwei in einem Fleisch« sein werden (Gen
2,24),
verschmolz das Brautbild mit der Idee von der Kirche als Leib Christi,
die ihrerseits in der eucharistischen Frömmigkeit ihren
sakramentalen
Anhaltspunkt hat. Der eine Leib Christi wird bereitet; Christus und die
Kirche werden »zwei in einem Fleisch«, ein Leib
sein,
und so wird »Gott alles in allem« werden. Diese
ontologische
Vorgängigkeit der Gesamtkirche, der einen Kirche und des einen
Leibes,
der einen Braut, vor den konkreten empirischen Verwirklichungen in den
einzelnen Teilkirchen scheint mir so offenkundig, daß mir
schwerfällt,
die Einsprüche dagegen zu verstehen. (7)
Sie scheinen mir überhaupt nur möglich zu sein, wenn man die
große Gottesidee Kirche - vielleicht aus Verzweiflung über
deren
irdische Unzulänglichkeit - überhaupt nicht mehr sehen will
und
kann; sie erscheint nun als theologische Schwärmerei, und
übrig
bleibt nur das empirische Gebilde der Kirchen in ihrem Mit- und
Gegeneinander.
Das heißt aber, daß Kirche als theologisches Thema
überhaupt
gestrichen wird. Wenn man Kirche nur noch in menschlichen
Organisationen
sehen kann, dann bleibt in der Tat nur Trostlosigkeit übrig. Aber
dann hat man nicht nur die Ekklesiologie der Väter, sondern auch
die
des Neuen Testaments und die Israel-Idee des Alten Testaments
verlassen.
Im Neuen Testament braucht man übrigens nicht auf die
Deutero-Paulinen
und die Apokalypse zu warten, um der von der Glaubenskongregation
behaupteten
ontologischen
Priorität der Gesamtkirche vor den Teilkirchen zu begegnen. Im
Herzen der großen Paulinen, im Galater-Brief, spricht uns der
Apostel
vom himmlischen Jerusalem, und zwar nicht als einer eschatologischen,
sondern
einer uns vorangehenden Größe: »Dieses Jerusalem ist
unsere
Mutter« (Gal 4,26). H. Schlier bemerkt dazu, daß für
Paulus
wie für die verwandte jüdische Tradition das obere Jerusalem
der neue Äon ist. Für den Apostel aber ist dieser neue
Äon
schon gegenwärtig »in der christlichen Kirche. Diese ist ihm
das himmlische Jerusalem in seinen Kindern.«
(8)
Wenn die ontologische Priorität der einen Kirche überhaupt nicht im Ernst zu leugnen ist, so ist die Frage zweifellos hinsichtlich der zeitlichen Präzedenz schon etwas schwieriger. Der Brief der Glaubenskongregation verweist hier auf das lukanische Bild von der pfingstlichen Geburt der Kirche aus dem Heiligen Geist. Die Frage nach der Historizität dieses Berichts steht hier nicht zur Debatte. Es geht um die theologische Aussage, auf die es Lukas ankommt. Die Glaubenskongregation macht dabei darauf aufmerksam, daß die Kirche in der um Maria versammelten Gemeinschaft der 120 beginnt, besonders in der erneuerten Gemeinschaft der Zwölf, die nicht Glieder einer Ortskirche, sondern die Apostel sind, die das Evangelium an die Grenzen der Erde tragen werden. Verdeutlichend kann man hinzufügen, daß sie in ihrer Zwölfzahl das alte und das neue Israel zugleich, das eine Israel Gottes sind, das nun - wie es im Volk-Gottes-Begriff grundsätzlich von Anfang an enthalten war - sich auf alle Nationen hin ausdehnt und in allen Völkern das eine Volk Gottes begründet. Dieser Hinweis wird durch zwei weitere Aspekte verstärkt: Die Kirche spricht in dieser ihrer Geburtsstunde bereits in allen Sprachen. Die Kirchenväter haben diese Erzählung vom Sprachwunder mit Recht als eine Vorwegnahme der Catholica gedeutet - die Kirche ist vom ersten Augenblick an kat'holon - das ganze All umfassend. Dem entspricht es, daß Lukas die Schar die Zuhörer als Pilger aus der ganzen Erde aufgrund einer Zwölf-Völkertafel beschreibt, deren Sinn es ist, das Allumfassende der Hörerschaft anzudeuten; Lukas hat diese hellenistische Völkertafel um einen 13. Namen bereichert: die Römer, womit er zweifellos noch einmal die Idee des Orbis unterstreichen wollte. (9) Nicht ganz zutreffend ist die Meinung des Textes der Glaubenskongregation wiedergegeben, wenn Walter Kasper dazu sagt, die Jerusalemer Urgemeinde sei in der Tat Universal- und Ortskirche in einem gewesen und dann fortfährt: »Freilich stellt dies eine lukanische Konstruktion dar; denn historisch gesehen gab es vermutlich von Anfang an mehrere Gemeinden, neben der Jerusalemer Gemeinde auch Gemeinden in Galiläa.« (10) Hier geht es nicht um die für uns letztlich unbeantwortbare Frage, wann genau und wo zuerst christliche Gemeinden entstanden sind, sondern um den inneren Anfang der Kirche in der Zeit, den Lukas beschreiben will und den er über alles Empirische hinaus auf die Kraft des Heiligen Geistes zurückführt. Vor allem aber wird man dem lukanischen Bericht nicht gerecht, wenn man sagt, die »Jerusalemer Urgemeinde« sei zugleich Universal- und Ortskirche gewesen. Das Erste im Bericht des heiligen Lukas ist nicht eine Jerusalemer Urgemeinde, sondern das Erste ist es, daß in den Zwölfen das alte Israel, das eines ist, zum neuen wird und daß dieses eine Israel Gottes sich nun durch das Sprachwunder, noch bevor es zur Bildung einer Jerusalemer Ortskirche kommt, als alle Zeiten und Räume umspannende Einheit zeigt. In den anwesenden Pilgern, die aus allen Völkern stammen, bezieht es sich auch sofort auf alle Völker der Welt. Vielleicht braucht man die Frage nach der temporalen Präzedenz der Universalkirche, die Lukas in seinem Bericht eindeutig darstellt, nicht überzubewerten. Wichtig bleibt doch, daß die Kirche in den Zwölfen vom einen Geist von Anfang an für alle Völker geboren wird und daher auch vom ersten Augenblick an darauf ausgerichtet ist, sich in allen Kulturen auszudrücken und eben so das eine Volk Gottes zu sein: Nicht eine Ortsgemeinde erweitert sich langsam, sondern der Sauerteig ist immer dem Ganzen zugeordnet und trägt daher Universalität vom ersten Augenblick an in sich.
Der Widerstand gegen die Aussage von der Vorgängigkeit der universalen Kirche vor den Teilkirchen ist theologisch schwer verständlich oder sogar unverständlich. Begreiflich wird er nur aus einem Verdacht heraus, der kürzlich so formuliert worden ist: »Vollends problematisch wird die Formel, wenn die eine universale Kirche unter der Hand mit der römischen Kirche, de facto mit Papst und Kurie identifiziert wird. Geschieht dies, dann kann man das Schreiben der Glaubenskongregation nicht als Hilfe zur Klärung der Communio-Ekklesiologie, sondern muß es als deren Verabschiedung und als Versuch einer Restauration des römischen Zentralismus verstehen.« (11) In diesem Text wird die Identifizierung der Universalkirche mit Papst und Kurie zunächst noch als Hypothese, als Gefahr eingeführt, aber hernach scheint sie doch dem Brief der Glaubenskongregation unterschoben zu sein, der so als theologische Restauration und damit als Abfall vom II. Vatikanischen Konzil erscheinen muß. Dieser interpretatorische Sprung erstaunt, aber er steht ohne Zweifel für einen weit verbreiteten Verdacht; er formuliert eine rundum zu hörende Anklage, und er drückt wohl auch eine wachsende Unfähigkeit aus, sich unter Universalkirche, unter der einen, heiligen, katholischen Kirche irgend etwas Konkretes vorzustellen. Als einziges Vorstellungselement bleiben Papst und Kurie, und wenn man sie theologisch zu hoch einordnet, muß man sich bedroht fühlen. (12)
So geht es hier nach einem nur scheinbaren Exkurs ganz konkret um die Auslegung des Konzils. Die Frage, die sich uns jetzt stellt, lautet: Welchen Begriff von Gesamtkirche hat eigentlich das Konzil?Daß der Brief der Glaubenskongregation nicht »die Universalkirche unter der Hand mit der römischen Kirche, de facto mit Papst und Kurie identifiziert«, sollte man doch wohl nicht eigens sagen müssen. Diese Versuchung entsteht dann, wenn man vorher schon Jerusalemer Ortskirche und Gesamtkirche identifiziert hatte, das heißt wenn der Kirchenbegriff sich auf die empirisch erscheinenden Gemeinden reduziert hat und seine theologische Tiefe außer Sichtweite kommt. Es tut gut, mit dieser Frage zum Konzilstext selbst zurückzukehren. Gleich der erste Satz der Kirchenkonstitution macht klar, daß das Konzil die Kirche nicht als eine geschlossene Realität in sich selber betrachtet, sondern sie von Christus her sieht: »Da Christus das Licht der Völker ist, möchte diese im Heiligen Geist versammelte Synode alle Menschen mit seinem Lichtglanz erleuchten, der auf dem Antlitz der Kirche widerstrahlt...« (13) Im Hintergrund erkennen wir das Bild der Vätertheologie, die in der Kirche den Mond sieht, der kein eigenes Licht aus sich selber hat, aber das Licht der Sonne Christus weitergibt. (14) Ekklesiologie erscheint abhängig von der Christologie, ihr zugehörig. Weil aber niemand von Christus, dem Sohn, recht sprechen kann, ohne damit zugleich vom Vater zu sprechen und weil man von Vater und Sohn nicht recht reden kann ohne Hinhören auf den Heiligen Geist, darum weitet sich die christologische Sicht der Kirche notwendig in eine trinitarische Ekklesiologie aus. (15) Die Rede von der Kirche ist Rede von Gott, und nur so ist sie recht. In dieser trinitarischen Ouvertüre, die den Schlüssel für die richtige Lektüre des ganzen Textes bietet, lernen wir kennen, was die eine, heilige Kirche aus und in allen konkreten historischen Realisierungen ist, was »Universalkirche« bedeutet. Das klärt sich weiter, wenn anschließend die innere Dynamik der Kirche auf das Reich Gottes hin aufgezeigt wird. Eben weil die Kirche theo-logisch zu fassen ist, überschreitet sie sich immer selbst; sie ist Sammlung für das Reich Gottes, Aufbruch in es hinein. Anschließend werden die einzelnen Bilder für die Kirche kurz vorgestellt, die alle die eine Kirche meinen, ob da von der Braut, vom Haus Gottes, von seiner Familie, vom Tempel, von der heiligen Stadt, von unserer Mutter, dem oberen Jerusalem oder von der Herde Gottes usw. die Rede ist.
Schließlich
konkretisiert sich dies weiter. Wir erhalten ganz praktische Antwort
auf
die Frage:
Was ist das, die den
Ortskirchen ontologisch und temporal vorgängige eine universale
Kirche?
Worin besteht sie? Wo können wir sie wirken sehen? Die
Konstitution
antwortet darauf, indem sie uns von den Sakramenten
spricht.
Da ist zunächst die Taufe: Sie ist ein trinitarischer, das heißt ein ganz theologischer Vorgang, weit mehr als eine ortskirchliche Sozialisation, wie sie heute leider so häufig mißdeutet wird. Die Taufe kommt nicht aus der einzelnen Gemeinde heraus, sondern in ihr öffnet sich uns die Tür zur einen Kirche, sie ist die Präsenz der einen Kirche, und nur von ihr her - vom oberen Jerusalem, der neuen Mutter her - kann sie kommen. Der bekannte Ökumeniker Vinzenz Pfnür hat kürzlich dazu gesagt: Taufe impliziert Aufgebrochenwerden »auf den einen am Kreuz für uns geöffneten Leib Christi hin (vgl. Eph 2,16), in den wir (und die anderen) durch den einen Geist hineingetauft wurden (1 Kor 12,13), was wesentlich mehr ist als die mancherorts übliche Taufankündigung: Wir haben .... in unsere Gemeinde aufgenommen - und dessen Glieder wir geworden sind - was nicht zu verwechseln ist mit der Mitgliedschaft in einer Ortskirche -, und das eine Brot hin (vgl. 1 Kor 10,17), das nicht das Sonderbrot einer Ortskirche ist, und das eine Bischofsamt hin, an dem man mit Cyprian nur in der Gemeinschaft der Bischöfe Anteil hat.« (16) In der Taufe geht immer wieder die Universalkirche der Ortskirche voraus und schafft sie. Von daher kann der Brief der Glaubenskongregation über Communio sagen, daß es in der Kirche keine Fremdlinge gibt: Jeder ist überall zu Hause und nicht bloß Gast. Es ist immer die eine Kirche, die eine und selbige. Wer in Berlin getauft ist, ist in der Kirche in Rom oder in New York oder in Kinshasa oder in Bangalore oder wo auch immer genau so zu Hause wie in seiner Taufkirche. Er braucht sich nicht umzumelden, es ist die eine Kirche. Die Taufe kommt aus ihr und gebiert in sie hinein.
Wer von der Taufe spricht, handelt ganz von selber auch vom Wort Gottes, das für die ganze Kirche nur eines ist und ihr an allen Orten immer wieder vorausgeht, sie zusammenruft und baut. Dieses Wort ist über der Kirche, und es ist doch in ihr, ihr als lebendigem Subjekt anvertraut. Das Wort Gottes braucht, um in der Geschichte wirksam anwesend zu sein, dieses Subjekt, aber dieses Subjekt seinerseits besteht nicht ohne die belebende Kraft des Wortes, das sie zum Subjekt allererst macht. Wenn wir vom Wort Gottes reden, ist auch das Credo gemeint, das im Zentrum des Taufvorgangs steht; es ist die Weise, in der die Kirche das Wort aufnimmt und sich zueignet, Wort und Antwort in gewisser Hinsicht zugleich. Auch da ist Universalkirche, die eine Kirche ganz konkret und greifbar da.
Der Konzilstext schreitet von der Taufe weiter zur Eucharistie, in der Christus seinen Leib schenkt und uns so zu seinem Leib macht. Dieser Leib ist einer, und so ist Eucharistie wiederum für jede Ortskirche der Ort der Einbeziehung in den einen Christus, das Einswerden aller Kommunizierenden in der universalen Communio, die Himmel und Erde, Lebende und Tote, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbindet und auf die Ewigkeit hin öffnet. Die Eucharistie entsteht nicht aus der lokalen Kirche und endet nicht in ihr. Sie bedeutet immer wieder, daß Christus von außen her durch unsere verschlossenen Türen auf uns zutritt; sie kommt immer wieder von außen, aus dem ganzen, einen Leib Christi her auf uns zu und führt uns in ihn hinein.
Dieses Extra nos des Sakraments zeigt sich erneut im Amt des Bischofs und des Priesters: Daß es zur Eucharistie des Sakraments des priesterlichen Dienstes bedarf, beruht genau darauf, daß die Gemeinde sich die Eucharistie nicht selber geben kann; sie muß sie vom Herrn her durch die Vermittlung der einen Kirche empfangen. Die apostolische Nachfolge, die das Priesteramt konstituiert, schließt zugleich den synchronen wie den diachronen Aspekt des Kirchenbegriffs ein: das Zugehören zur ganzen Geschichte des Glaubens von den Aposteln an und das Stehen in der Gemeinschaft mit allen, die vom Herrn zu seinem Leib sich versammeln lassen. Die Kirchenkonstitution hat das Bischofsamt bekanntlich im dritten Kapitel behandelt und seine Bedeutung vom Grundbegriff des collegium her geklärt. Dieser in der Tradition nur marginal aufscheinende Begriff dient dazu, die innere Einheit des Bischofsamtes darzustellen. Bischof ist man nicht als einzelner, sondern durch die Zugehörigkeit zu einem Körper, zu einem Kollegium, das seinerseits die historische Kontinuität des collegium apostolorum bedeutet. Insofern kommt das Bischofsamt aus der einen Kirche und führt in sie hinein. Gerade hier wird sichtbar, daß es theologisch keinen Gegensatz zwischen Ortskirche und Gesamtkirche gibt. Der Bischof vertritt in der Ortskirche die eine Kirche, und er baut die eine Kirche auf, indem er die Ortskirche aufbaut und ihre besonderen Gaben erweckt zum Nutzen des ganzen Leibes. Das Amt des Petrusnachfolgers ist ein Sonderfall des Bischofsamtes und in besonderer Weise auf die Verantwortung für die Einheit der ganzen Kirche bezogen. Aber dieses Petrusamt und seine Verantwortung könnte es gar nicht geben, wenn es nicht ihm voraus die Universalkirche gäbe. Es würde dann ins Leere greifen und einen absurden Anspruch vertreten. Zweifellos mußte das rechte Zueinander von Episkopat und Primat auch durch Mühsale und Leiden immer wieder neu gefunden werden. Aber dieses Ringen ist nur dann richtig angesetzt, wenn es vom Primat der eigentlichen Sendung der Kirche her gesehen und ihm allezeit ein- und untergeordnet wird: Vom Auftrag, Gott zu den Menschen, die Menschen zu Gott zu bringen. Das Wozu der Kirche ist das Evangelium, und darum muß sich alles in ihr drehen.
Ich
möchte an dieser Stelle die Analyse des Begriffs Communio
abbrechen
und wenigstens kurz noch zu dem vielleicht am meisten umstrittenen
Punkt
von Lumen gentium Stellung nehmen: zur Bedeutung des
schon
erwähnten Satzes aus Lumengentium 8, daß die einzige
Kirche Christi, die wir im Symbolum als die eine, heilige, katholische
und apostolische bekennen, in der katholischen Kirche »subsistiert«,
die von Petrus und den mit ihm kommunizierenden Bischöfen geleitet
wird. Die Glaubenskongregation sah sich im Jahr 1985 veranlaßt,
zu
diesem viel diskutierten Text aus Anlaß eines Buches von Leonardo
Boff Stellung zu nehmen, in dem der Verfasser die These vortrug, wie
die
eine Kirche Christi in der römisch-katholischen subsistiere, so
auch
in anderen christlichen Kirchen. (17)
Überflüssig
zu sagen, daß die Äußerung der Glaubenskongregation
mit
bissigen Kritiken überschüttet und dann beiseite gelegt
wurde.
Bei dem Versuch zu überlegen, wo wir heute in der Rezeption der
konziliaren
Ekklesiologie stehen, ist die Frage nach der Interpretation des
»subsistit«
unausweichlich, und dabei kann die einzige offizielle
Äußerung
des Lehramtes nach dem Konzil über dieses Wort, eben die
erwähnte
Notificatio, nicht übergangen werden. Aus dem Abstand von 15
Jahren
wird deutlicher, als es damals war, daß es hier nicht so sehr um
einen einzelnen theologischen Autor ging, sondern um eine in
verschiedenen
Variationen kursierende Sicht von Kirche, die auch heute noch durchaus
aktuell ist. Die Erklärung von 1985 hat den Kontext der eben kurz
wiedergegebenen These von Boff ausführlich dargestellt. Auf diese
Einzelheiten brauchen wir hier nicht weiter einzugehen, weil es uns um
Grundsätzlicheres geht. Die These, deren Repräsentant damals
Boff gewesen ist, könnte man als ekklesiologischen Relativismus
charakterisieren.
Sie rechtfertigt sich mit der Meinung, daß der »historische
Jesus« selbst an eine Kirche nicht gedacht, geschweige denn sie
gegründet
habe. Das reale Gebilde Kirche sei erst nach der Auferstehung im
Prozeß
der Enteschatologisierung aus den ehernen soziologischen
Notwendigkeiten
der Institutionalisierung heraus entstanden, und am Anfang habe es auch
keineswegs eine »katholische« Gesamtkirche, sondern nur
unterschiedliche
Ortskirchen mit verschiedenen Theologien, verschiedenen Ämtern
usw.
gegeben. Keine institutionelle Kirche könne also behaupten,
daß
sie die eine von Gott selbst gewollte Kirche Jesu Christi sei; alle
institutionellen
Bildungen sind dann aus soziologischen Notwendigkeiten entstanden und
daher
als solche alle menschliche Bildungen, die man in neuen
Verhältnissen
auch wieder radikal verändern kann oder sogar muß. In ihrer
theologischen Qualität unterscheiden sie sich höchstens
sekundär,
und deswegen kann man sagen, daß in ihnen allen oder jedenfalls
in
vielen die »eine Kirche Christi« subsistiert - wobei
freilich
die Frage ist, mit welchem Recht man bei einer solchen Sichtweise
überhaupt
von einer Kirche Christi sprechen kann.
Die
katholische Überlieferung hat demgegenüber einen anderen
Ausgangspunkt
gewählt: Sie traut den Evangelisten, sie glaubt ihnen. Dann ist
klar,
daß Jesus, der das Reich Gottes ankündigte, zu dessen
Realisierung
Jünger um sich sammelte; daß er ihnen nicht nur sein Wort
als
neue Auslegung des Alten Testaments mitgab, sondern im Sakrament des
Abendmahls
ihnen eine neue, einende Mitte schenkte, durch die alle, die sich zu
ihm
bekennen, auf eine ganz neue Weise eins mit ihm werden - so sehr,
daß
Paulus diese Gemeinschaft als Ein-Leib-Sein mit Christus, als
pneumatische
Leibeseinheit bezeichnen konnte. Dann ist auch klar, daß die
Verheißung
des Heiligen Geistes nicht eine vage Ankündigung, sondern die
Realität
von Pfingsten meinte - die Tatsache also, daß Kirche nicht von
Menschen
ausgedacht und gemacht, sondern durch den Geist geschaffen wurde,
Geschöpf
des Heiligen Geistes ist und bleibt.
Dann
stehen aber in der Kirche Institution und Geist anders zueinander, als
die erwähnten Strömungen uns einreden wollen. Dann ist die
Institution
nicht einfach ein beliebig um- und abzubauendes Gerüst, das mit
der
Sache des Glaubens als solcher gar nichts zu tun hätte. Dann
gehört
diese Art von Leiblichkeit zur Kirche selbst. Die Kirche Christi ist
nicht
ungreifbar hinter den vielfältigen menschlichen Bildungen
versteckt,
sondern es gibt sie wirklich, als leibhaftige Kirche, die sich im
Bekenntnis,
in den Sakramenten und in der apostolischen Nachfolge ausweist.
Das
Vaticanum II wollte nun mit der subsistit-Formel - der katholischen
Tradition
getreu - genau das Gegenteil von »ekklesiologischem
Relativismus«
sagen: Die Kirche Jesu Christi gibt es. Er selbst hat sie gewollt, und
der Heilige Geist schafft sie gegen alles menschliche Versagen seit
Pfingsten
immerfort und erhält sie in ihrer wesentlichen Identität. Die
Institution ist nicht eine unvermeidbare, aber theologisch irrelevante
oder gar schädliche Äußerlichkeit, sondern sie
gehört
in ihrem wesentlichen Kern zur Konkretheit der Inkarnation. Der Herr
hält
sein Wort: »Die Pforten der Hölle werden sie nicht
überwältigen«.
An
dieser Stelle wird es notwendig, dem Wort »subsistit«
etwas genauer nachzuspüren. Das Konzil differenziert mit diesem
Ausdruck
die Formel Pius' XII., der in seiner Enzyklika
Mystici Corporis Christi
gesagt hatte: Die katholische Kirche »ist« (est) der
eine mystische Leib Christi. In der Differenz zwischen
»subsistit«
und »est« liegt das ganze ökumenische Problem
verborgen.
Das Wort subsistit stammt aus der in der Scholastik weiterentwickelten
antiken Philosophie. Ihm entspricht das griechische Wort hypostasis,
das
in der Christologie eine zentrale Rolle spielt, um die Einung von
göttlicher
und menschlicher Natur in der Person Christi zu beschreiben.
»Subsistere«
ist ein Spezialfall von »esse«. Es ist das Sein in der Form
eines eigenständigen Subjekts. Genau darum geht es hier. Das
Konzil
will uns sagen, daß die Kirche Jesu Christi in der katholischen
Kirche
als konkretes Subjekt in dieser Welt anzutreffen ist. Das geht nur
einmal,
und die Vorstellung, das Subsistit sei zu multiplizieren, verfehlt
genau
das Gemeinte. Mit dem Wort subsistit wollte das Konzil das Besondere
und
nicht Multiplizierbare der katholischen Kirche ausdrücken: Es gibt
die Kirche als Subjekt in der geschichtlichen Wirklichkeit.
(18)
Die
Differenz zwischen subsistit und
est schließt aber
das Drama der Kirchenspaltung ein: Obwohl die Kirche nur eine ist und
wirklich
besteht, gibt es Sein aus dem Sein der Kirche, kirchliche
Realität,
auch außerhalb der einen Kirche. Weil die Sünde ein
Widerspruch
ist, ist diese Differenz zwischen subsistit und est logisch letztlich
nicht
völlig aufzulösen. In dem Paradox der Differenz zwischen
Einzigkeit
und Konkretheit der Kirche einerseits und Bestehen kirchlicher
Realität
außerhalb des einen Subjekts andererseits spiegelt sich das
Widersprüchliche
menschlicher Sünde, das Widersprüchliche der Spaltung. Solche
Spaltung ist etwas ganz anderes als die oben dargestellte
relativistische
Dialektik, in der die Trennung der Christen ihren Schmerz verliert und
eigentlich gar keine Spaltung ist, sondern nur die Darstellung der
vielfältigen
Variationen eines Themas, bei der alle Variationen irgendwie recht und
irgendwie unrecht haben. Eine innere Notwendigkeit für die Suche
nach
Einheit gibt es dann eigentlich nicht, weil ja die eine Kirche ohnedies
überall und nirgends ist. Das Christentum kann es dann
überhaupt
nur in dialektisch einander entgegengesetzten Variationen geben.
Ökumenismus
besteht dann darin, daß alle sich irgendwie gegenseitig
anerkennen,
weil alle nur Fragmente des Christlichen sind. Ökumenismus ist
dann
das Sich-Abfinden mit einer relativistischen Dialektik, weil der
historische
Jesus der Vergangenheit zugehört und die Wahrheit ohnedies
verborgen
bleibt.
Die
Sicht des Konzils ist ganz anders: Daß in der katholischen Kirche
das subsistit des einen Subjekts Kirche gegenwärtig ist,
ist
ganz und gar nicht Verdienst der Katholiken, sondern einzig das Werk
Gottes,
das er gegen das dauernde Mißverdienst der menschlichen
Träger
durchhält. Sie können sich dessen nicht rühmen, sondern
nur beschämt ob ihrer eigenen Sünde und zugleich voller Dank
die Treue Gottes bewundern. Das Werk ihrer eigenen Sünde aber kann
man sehen: Alle Welt nimmt das Schauspiel wahr, daß getrennte
christliche
Gemeinschaften gegeneinander stehen, ihre Wahrheitsansprüche
gegeneinander
stellen und so das Beten Christi am Vorabend seines Leidens scheinbar
zuschanden
machen. Während die Spaltung als geschichtliche Wirklichkeit
für
jedermann greifbar ist, ist das Bestehenbleiben der einen Kirche in der
konkreten Gestalt der katholischen Kirche als solches nur im Glauben
wahrzunehmen.
Weil
das II. Vatikanische Konzil dieses Paradox begriffen hat, darum hat es
den Ökumenismus als Suche nach wirklicher Einheit zur Pflicht
erklärt
und der Kirche der Zukunft mit auf den Weg gegeben.
Ich
komme zum Schluß. Wer den Duktus der konziliaren Ekklesiologie
verstehen
will, darf die Kapitel 4-7 der Konstitution nicht auslassen, in denen
von
den Laien, von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, von den
Religiosen und von der eschatologischen Bestimmtheit der Kirche die
Rede
ist. In diesen Kapiteln kommt noch einmal das innere Wozu der Kirche,
das
Wesentlichere ihrer Existenz zum Vorschein: Es geht um Heiligkeit, das
heißt um Gottgemäßheit - darum, daß in der Welt
Raum werde für Gott, daß er in ihr wohnen könne und so
die Welt sein »Reich« werde. Heiligkeit ist mehr als eine
moralische
Qualität. Sie ist das Mitsein Gottes mit den Menschen, der
Menschen
mit Gott, das »Zelten« Gottes in uns und unter uns (Joh
1,14).
Es geht um die neue Geburt - nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus
Gott
(Joh 1,13). Die Ausrichtung auf Heiligkeit ist mit der eschatologischen
Ausrichtung der Kirche identisch, und die ist nun in der Tat von der
Botschaft
Jesu her grundlegend für die Kirche. Kirche ist da, damit Wohnen
Gottes
in der Welt werde und damit »Heiligkeit« sei: Darum
müßte
der Wettstreit in der Kirche gehen, nicht um ein Mehr oder Weniger an
Vorrechten,
um das Sitzen auf den ersten Plätzen. Dies alles ist dann noch
einmal
zusammengefaßt im letzten Kapitel der Kirchenkonstitution, das
von
der Mutter des Herrn handelt.
Auf
den ersten Blick könnte die Einordnung der Mariologie in
die
Ekklesiologie, die das Konzil vorgenommen hat, eher zufällig
erscheinen.
Historisch gesehen ist wahr, daß in der Tat eine ganz geringe
Mehrheit
von Vätern für diese Einordnung entschied. Aber von innen her
entspricht dieser Entscheid ganz und gar dem Duktus der gesamten
Konstitution:
Erst wenn man diesen Zusammenhang verstanden hat, hat man das Bild der
Kirche recht begriffen, welches das Konzil entwerfen wollte. Bei dieser
Entscheidung sind die Forschungen von H. Rahner, A. Müller, R.
Laurentin
und Karl Delahaye fruchtbar geworden, durch die Mariologie und
Ekklesiologie
gleichermaßen erneuert und vertieft worden sind.
(19) Allen voran hat Hugo Rahner großartig aus den
Quellen
gezeigt, daß die ganze Mariologie zunächst von den
Vätern
als Ekklesiologie vorgedacht und vorgeformt worden ist: Die Kirche ist
Jungfrau und Mutter, sie ist unbefleckt empfangen und trägt die
Last
der Geschichte, sie leidet und ist doch jetzt schon in den Himmel
aufgenommen.
Ganz allmählich zeigt es sich im Verlauf der Entwicklung,
daß
die Kirche in Maria antizipiert, in Maria Person ist und daß
umgekehrt
Maria nicht als isoliertes Individuum verschlossen in sich selber
steht,
sondern das ganze Geheimnis der Kirche in sich trägt. Die Person
ist
nicht individualistisch geschlossen und die Gemeinschaft nicht
kollektivistisch
apersonal verstanden; beides geht untrennbar ineinander über. Das
gilt schon von der apokalyptischen Frau, wie sie im 12. Kapitel der
Geheimen
Offenbarung erscheint: Es geht nicht an, diese Figur exklusiv
individualistisch
auf Maria zu beschränken, weil in ihr das ganze leidende und im
Leiden
fruchtbare Gottesvolk, altes und neues Israel zusammengeschaut ist;
aber
es geht auch nicht an, Maria, die Mutter des Erlösers, aus diesem
Bild reinlich herauszuhalten. So ist in der Übergänglichkeit
zwischen Person und Gemeinschaft, wie wir sie in diesem Text finden,
schon
das Ineinander von Maria und Kirche vorweggenommen, das sich dann in
der
Vätertheologie allmählich entwickelt und vom Konzil endlich
wieder
aufgegriffen worden ist. Daß später beides auseinanderfiel,
daß Maria als ein mit Privilegien überschüttetes und
uns
dadurch unendlich fern gerücktes Individuum dargestellt, die
Kirche
wiederum apersonal und rein institutionell gesehen worden ist, hat der
Mariologie wie der Ekklesiologie gleichermaßen geschadet. Darin
wirken
sich die Trennungen aus, die das westliche Denken zusehends vollzogen
hat
und die durchaus ihre guten Gründe haben. Aber wenn wir die Kirche
und Maria recht verstehen wollen, müssen wir hinter diese
Trennungen
zurückzukehren lernen, um das überindividuelle Wesen der
Person
und das überinstitutionelle Wesen der Gemeinschaft gerade dort zu
verstehen, wo Person und Gemeinschaft von der Kraft des Herrn, des
neuen
Adam her, wieder zu ihren Ursprüngen zurückgeführt
werden.
Die marianische Sicht der Kirche und die ekklesiale,
heilsgeschichtliche
Sicht Marias führen uns letztlich zu Christus und zum
trinitarischen
Gott zurück, weil hier nun sichtbar wird, was Heiligkeit bedeutet,
was Einwohnung Gottes im Menschen und in der Welt ist, was wir unter
»eschatologischer«
Spannung der Kirche zu verstehen haben. So rundet erst das
Marienkapitel
die konziliare Ekklesiologie und bringt uns wieder an ihren
christologischen
und trinitarischen Ausgangspunkt.
Um etwas vom Geschmack der Vätertheologie zu geben, möchte ich an den Schluß ein von Hugo Rahner ausgewähltes Wort des heiligen Ambrosius stellen:
»So
steht denn fest in eures Herzens Grund!... Was Stehen heißt, hat
uns der Apostel gelehrt, hat Mose aufgeschrieben: 'Der Ort, wo du
stehst,
ist heiliges Land.' Niemand steht, wer nicht feststeht im Glauben...
Und
noch ein Wort ist geschrieben: 'Du aber stehe fest mit mir.' Du stehst
fest mit mir, wenn du in der Kirche stehst. Die Kirche ist das heilige
Land, auf dem wir stehen sollen... Steh also fest, steh in der Kirche.
Steh fest dort, wo ich dir erscheinen will, dort bleibe ich bei dir. Wo
die Kirche ist, dort ist der feste Standort deines Herzens. In der
Kirche
ruhen die Fundamente deiner Seele. Denn in der Kirche bin ich dir
erschienen
wie einst im Dornbusch. Der Dornbusch bist du, ich bin das Feuer. Feuer
im Dornbusch bin ich in deinem Fleisch. Feuer bin ich, um dich zu
erleuchten;
um auszubrennen das Gedörn deiner Sünden, um dir zu schenken
die Huld meiner Gnade.« (20)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1.
J.B. Metz, Gotteskrise. Versuche zur »geistigen Situation der
Zeit«,
in: Metz-Ginzel u.a., Diagnosen zur Zeit. Düsseldorf 1994, S.
76-92;
Zitate S. 77f.
2.
W. Berg, »Volk, Gottes« - ein biblischer Begriff? in: W.
Geerlings
- M. Seckler (Hg.), Kirche sein. Nachkonziliare Theologie im Dienst der
Kirchenreform. Für H. Pottmeyer. Herder 1994, S. 13-20, Zitat 20.
Dem Beitrag von Berg entnehme ich auch den Ausdruck von N. Lohfink
»Wortfeuerwerk«
(S. 19).
3.
J. Meyer zu Schlochtern, »Das neue Volk Gottes« -
Rückfrage
nach einer umstrittenen Bestimmung der Kirche, in: J. Ernst - St.
Leimgruber
(Hg.), Surrexit Dominus vere. Die Gegenwart des Auferstandenen in
seiner
Kirche. Festschrift für Erzbischof J. J. Degenhardt. Paderborn
1995,
Zitat 224f.
4.
Zur Bedeutung von »Communio« und Communio-Ekklesiologie
möchte
ich aus der Fülle der Literatur nur nennen: P.J. Cordes, Communio.
Utopie oder Programm? (QD 148, Herder 1993); W. Kasper, Kirche als
communio.
Überlegungen zur ekklesiologischen Leitidee des II. Vatikanischen
Konzils, in: ders., Theologie und Kirche. Mainz 1987, S. 272-289. Zur
Gestaltwerdung
der Kirchenkonstitution auf dem Konzil G. Alberigo (Hg.), Storia del
Concilio
Vaticano II, vol. 4: La chiesa come comunione (il Mulino 1999, bes. S.
19-118 (J.A. Komonchak, L'ecclesiologia di comunione).
5.
N. Afanasieff, A. Schmémann u.a., La primauté de Pierre
dans
l'église orthodoxe. Neuchatel 1960; J. Freitag, P. Plank,
Eucharistische
Ekklesiologie, in: LThK 3III 969-972. Während bei
Afanasieff
die eucharistische Ekklesiologie streng ortskirchlich gefaßt ist,
hat L. Hertling schon 1943 die Tür zu einer ganz katholisch
gedachten
Communio-Ekklesiologie geöffnet mit seinem zuerst in den
Miscellanea
Historiae Pontificiae, Rom 1943 gedruckten Beitrag: Communio und Primat
- Kirche und Papsttum in der christlichen Antike, der dann am Vorabend
des Konzils in Una Sancta 17 (1962) 91-125 neu gedruckt für mich
zu
einer Schlüssel-Lektüre geworden ist. Vgl. J. Ratzinger, Das
neue Volk Gottes. Düsseldorf 1969, S. 75-89. Von solcher Sicht her
haben wir - H. de Lubac, H.U. von Balthasar und die übrigen
Mitbegründer
der internationalen Zeitschrift, die wir 1972 endlich starten konnten,
den Titel »Communio« gegeben.
6.
Congregazione per la dottrina della fede. Communionis notio. Lettera e
commenti. Libreria Editrice Vaticana 1994, n. 9 S. 28.
7.
Es mag in diesem Zusammenhang hilfreich sein, auf Rudolf Bultmann zu
verweisen,
dem gewiß niemand Parteinahme für römischen
Zentralismus
oder Platonismus vorwerfen wird, wie man es dem Text der
Glaubenskongregation
gegenüber getan hat. Nach Bultmann »ist die kirchliche
Organisation
aus dem Bewußtsein erwachsen, daß die Gesamtgemeinde vor
den
Einzelgemeinden besteht, Symptom dafür ist der Sprachgebrauch:
bezeichnet
zuerst überhaupt nicht die Einzelgemeinde, sondern das 'Volk
Gottes'...
Die Vorstellung von der Priorität der Gesamtkirche vor der
Einzelgemeinde
zeigt sich weiter in der Gleichsetzung der mit dem , das alle
Gläubigen
umfaßt...« (Theologie des Neuen Testamentes. Tübingen
19583, S. 96).
8.
H. Schlier, Der Brief an die Galater. Göttingen 196212,
S. 219-226, Zitat 223. Vgl. F. Mußner, Der Galaterbrief. Herder,
S. 325ff.
9.
Vgl. die verschiedenen Kommentare zur Apg, z.B. G. Schneider, Die
Apostelgeschichte
I. Herder 1980, S. 252-255; R. Pesch, Die Apostelgeschichte. EKK V/1.
Benziger
- Neukirchener Verlag 1986, S. 105f; J. Zmijewski, Die
Apostelgeschichte.
Regensburg 1994, S. 110-113.
10.
W. Kasper, Zur Theologie und Praxis des bischöflichen Amtes, in:
W.
Schreer - G. Steins (Hg.), Auf neue Art Kirche sein. Festschrift
für
Bischof Homeyer. München 1999, S. 32-48, Zitat S. 44.
11.
W. Kasper, a.a.O. 44. Zuvor schon S. 43: »Diese konziliare
Verhältnisbestimmung
hat nachkonziliar durch die Kongregation für die Glaubenslehre in
dem 'Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über
einige
Aspekte der Kirche als Communio' eine Weiterentwicklung erfahren, die
praktisch
mehr oder weniger eine Umkehrung bedeutet.«
12.
Auf
die hier gestellten Anfragen hat Kard. Kasper inzwischen in StdZ Bd 218
(Dez. 2000) S. 795-804 mit einem Beitrag unter dem Titel »Das
Verhältnis
von Universalkirche und Ortskirche. Freundschaftliche
Auseinandersetzung
mit der Kritik von J. Kard. Ratzinger« geantwortet, der in
englischer
Übersetzung auch in der amerikanischen Jesuitenzeitschrift
»America«
(Bd 185 Nr. 4) veröffentlicht wurde, worauf ich meinerseits mit
einer
kurzen Erwiderung (ebd. Nr. 16) reagiert habe. Der Meinungsaustausch
hat
gottlob zu einer weitgehenden Annäherung der Standpunkte
geführt.
14.
Vgl. H. Rahner, Symbole der Kirche. Die Ekklesiologie der Väter.
Salzburg
1964, S. 89-173.
16.
V. Pfnür, Communio und excommunicatio, in: B. Hilberath - D.
Sattler
(Hg.), Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die
Eucharistie.
Festschrift für Th. Schneider. Mainz 1995, S. 277-292, Zitat S.
292.
17.
Notificazione sul volume: »Chiesa: Carisma e potere. Saggio di
Ecclesiologia
militante« del P. Leonardo Boff OFM, in: Congregatio pro doctrina
fidei, Documenta inde a Concilio Vaticano secundo expleto edita
(1966-1985).
Libreria Editrice Vaticana 1985, 286-294. Die hier vorgelegten
Ausführungen
decken sich weitgehend mit dem, was ich 1999 im Vallombrosa Meeting
(bei
San Francisco/California) ausgeführt habe: Deus locutus est nobis
in Filio: Some reflections on Subjectivity, Christology and the Church,
in: Proclaiming the truth of Jesus Christ. Papers from the Vallombrosa
Meeting. Washington DC 2000, S. 13-29, hierzu S. 23-29.
18.
Die Konzilsväter, die in der neuscholastischen Philosophie und
Theologie
ausgebildet waren, wußten noch durchaus, daß subsistere ein
engerer Begriff als »esse« ist: Während
»esse«
in der analogia entis den ganzen Bereich des Seins in all seinen Weisen
und Formen umspannt, ist subsistere die Existenzform eines in sich
stehenden
Seins, wie sie speziell im »Subjekt« auftritt.
19.
H. Rahner, Maria und die Kirche. Innsbruck 1951; A. Müller,
Ecclesia
- Maria. Die Einheit Marias und der Kirche. Fribourg 1955; R.
Laurentin,
Court traité de théologie mariale. Paris 1953; K.
Delahaye,
Erneuerung der Seelsorgsformen aus der Sicht der frühen Patristik.
Herder 1958. Ich darf hier auch auf meinen kleinen Versuch einer
systematischen
Auswertung dieser Einsichten im Licht des II. Vatikanischen Konzils
verweisen:
Die Tochter Zion. Johannes Verlag 19904.
20.
Ambrosius, Epistola 63, 41.42 (PL 16, 1200 C/D), zitiert und
übersetzt
bei H. Rahner, Mater Ecclesia. Lobpreis der Kirche aus dem ersten
Jahrhundert.
Benziger 1944, S. 64.